Acht VIPs und vier Besatzungsmitglieder waren an Bord der C-53. Die Militärs und Generalsgattinnen wollten von Wien, dem damaligen Hauptquartier der Besatzungstruppen Süd-Ost, via Marseille nach Pisa fliegen. Doch am Dienstag, den 19. November 1946, war das Wetter schlecht. Der Pilot der Maschine, die Militärversion der berühmten DC-3, entschloss sich für eine Route via München und Lyon. Über Innsbruck verlor die Crew die Orientierung, steuerte westwärts – und flog viel zu tief.
Heftige Turbulenzen schüttelten die Maschine durch. Bergkämme müssen nur knapp überflogen worden sein. Gegen 14.25 Uhr zerschellte die zweimotorige Propellermaschine zum Glück nicht an einer Felswand, sondern krachte im Blindflug mit 280 km/h auf einen 3300 Meter hoch gelegenen Gletscher und schlidderte im Tiefschnee einen Hang empor. 80 Meter lang war die Bremsspur. Sitze wurden aus der Verankerung gerissen, in der Kabine flog alles durcheinander.
Bruchlandung auf dem Gauligletscher
"Mayday, Mayday, Mayday", funkte die Besatzung. "US Z68846 crashed, Position unbekannt. Verletzte an Bord; inform United States Headquarters in Vienna." Die Überlebenden glaubten in den französischen Alpen zu sein und verbrachten die erste Nacht bei Temperaturen von minus 15 Grad in Fallschirmen eingewickelt im lädierten Rumpf der Maschine. Eine beispiellose Rettungsaktion begann. Doch Suchflugzeuge kreisten am nächsten Tag am falschen Ort.

Mit angezündetem Treibstoff versuchten die Havaristen auf sich aufmerksam zu machen. Zwei der noch Gehfähigen suchten einen Weg durch das Gletscherlabyrinth talabwärts, vergeblich. Dann gab auch die Batterie des Funkgerätes ihren Geist auf.
Der Chef des Militärflugplatzes Meiringen im Schweizer Kanton Bern hatte Signale des Bordfunkers aufgefangen und glaubte, dass das Wrack in der Nähe liegen müsste. Doch die Amerikaner suchten weiterhin in Frankreich. Erst nach der dritten Nacht im Eis entdeckte eine Boeing B-29 auf dem Rückweg eher zufällig die verunglückte Maschine - im Berner Oberland. An Bord des Suchflugzeuges war General Ralph Tate. Sein Sohn war Unglückspilot der Douglas - und eine der acht Passagiere seine Ehefrau.
Schneefall, Frost und Umwege
Der ungefähre Absturzort war bekannt, die internationale Presse strömte in die Region Interlaken. Die Amerikaner schickten aus Italien einen Sonderzug mit 150 Gebirgsjägern und Raupenfahrzeugen Richtung Interlaken. Doch die Jeeps kamen nicht weit. Das US-Militär hatte die Verhältnisse in den Alpen völlig falsch eingeschätzt.

Erst am Samstag machten sich Schweizer Rettungsmannschaften auf den Weg ins verschneite Hochgebirge. Nach vier Tagen und vielen Umwegen erreichten zwei Skifahrer den Unglücksort. Später mussten auch die Retter in den eisigen Höhen zum Teil in Schneehöhlen übernachten. Lebensmittel wurden von Flugzeugen abgeworfen, doch der Abtransport der Verletzten mit Knochenbrüchen, ersten Erfrierungen und Wunden erwies sich als problematisch.
Die "Störche" kommen
Der Chef der Rettungskolonne funkte dennoch ins Tal: "Keine Toten, alle Verletzten transportfähig; Landung mit Fieseler Storch unmöglich." Damit verwies er auf Spezialflugzeuge mit Kurzstarteigenschaften, die im Tiefflug die Unglücksstelle inspiziert hatten und eventuell auf dem Gletscher landen sollten.

Bei der Fieseler Storch handelt es sich um einen Hochdecker mit auffallend hochbeinigem Fahrgestell. Das extrem langsam fliegende Flugzeug war eine Entwicklung der Gerhard-Fieseler-Werke in Kassel aus den 30er Jahren. Während des Zweiten Weltkriegs hatten sich zwei Exemplare dieses Typs in der neutralen Schweiz verirrt, mussten in Samedan im Oberengadin notlanden und wurden von den Eidgenossen konfisziert.
Fünf Tage und Nächte hatten die Überlebenden ausgeharrt. Dann gelang am Sonntag der Geniestreich: Zwei der Storch-Piloten setzte sich über alle Abmachungen hinweg und landeten mit Kufen unter den Rädern auf dem Gauligletscher, gleich unterhalb der Unglücksstelle. Zwei Verletzte wurden eingeladen, und zwölf Minuten später landete das Flugzeug mit den ersten Geretteten in Meringen-Unterbach. Nach acht Bergungsflügen waren alle Insassen der C-53 zurück in der Zivilisation und auf dem Weg ins Krankenhaus.
Die Schweizer Militärpiloten wurden von der Weltpresse als Helden gefeiert. Seitdem gilt der 24. November 1946 als Geburtsstunde der alpinen Luftrettung. Ein US-General war voll des Lobes: "Wir Amerikaner haben von den Schweizern viel gesehen und gelernt; solche Leistungen vollbringen nur Schweizer." Ausgerechnet zwei Flugzeuge "made in Nazi-Deutschland" retteten die Amerikaner.
Die A-97 fliegt wieder
Schon eine Tag später begruben Schneemassen die Überreste des Flugzeugs. Erst im Juli 2012 fanden zwei Bergsteiger einen der beiden Propeller im tauenden Eis. Drei Jahre später gab der Gauligletscher weitere Teile des Rumpfes frei.

Die "Störche" waren bei der Schweizer Luftwaffe noch bis 1963 in Betrieb. Eine der beiden Fieseler Fi 156, so die Typenbezeichnung, kam ins Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Dort wurde sie bis zum November 2015 ausgestellt. Denn der Verein Freunde des Fieseler Storch hat das historische Flugzeug aus seinem Dornröschenschlaf erweckt: Im polnischen Krosno wurde die A-97 generalüberholt und ging Anfang November erfolgreich auf Erprobungsflug.
Doch aus dem Plan, mit dem Museumsflugzeug am 70. Jahrestag der spektakulären Rettungsaktion noch einmal auf dem Gauligletscher zu landen, wird nichts – vorerst. Die Schnee- und Wetterverhältnisse erlauben am 24. November 2016 keine Landung. "Eine Folge des Klimawandels und der Erderwärmung", sagt Stefan Bitterle, Sprecher der Storchenfreunde. So müssen die Flugzeugenthusiasten ihr Vorhaben auf das Frühjahr 2017 verschieben, wenn hoffentlich mehr Schnee liegt. "1946 haben die Schutzengel Überstunden am Gauli gemacht, so Bitterle. "Das wollen wir ihnen nicht nochmal zumuten.“