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Chef-Stratege Nathan Blecharczyk Treibt Airbnb die Mieten in die Höhe? Der Gründer äußert sich im stern-Interview

Nathan Blecharczyk ist der Chefstratege von Airbnb
Nathan Blecharczyk ist der Chefstratege von Airbnb
© Airbnb
Zehn Jahre nach der Gründung will Airbnb weg vom Nischen-Image und geht mit Airbnb Plus in die Offensive, setzt auf mehr Qualität und Luxus. Ein Gespräch mit dem Gründer Nathan Blecharczyk über die Neuausrichtung.

Vor zehn Jahren startete Airbnb mit 16 Unterkünften in San Francisco. Inzwischen haben 300 Millionen Gäste eine Übernachtung über die Sharing-Plattform gebucht, auf der in 190 Ländern 4,5 Millionen verschiedene Unterkünfte angeboten werden.

Doch die Auffindbarkeit des passenden Angebots lässt zu wünschen übrig. Die nur drei Kategorien "Geteilte Zimmer", "eigenes Zimmer" und "ganze Wohneinheit" werden nun um vier weitere erweitert: Die Begriffe "Ferienunterkunft", "besondere Unterkunft", "Bed & Breakfast" und "Boutique-Hotel" sollen helfen, die Suche schneller einzugrenzen. Zusätzlich werden im Laufe des Jahres Kriterien für Gruppenreisen eingeführt, sei es Familientreffen, Business-Meetings oder Hochzeiten.

Auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB) hat Nathan Blecharczyk, Airbnb-Mitbegründer und Chef Stategy Officer, die neue Strategie von Airbnb Plus vorgestellt. Wir haben bei dem 34-jährigen Harvard-Absolventen nachgehakt.

Herr Blecharczyk, wenn Sie nach Berlin kommen, steigen Sie stets in derselben Airbnb-Unterkunft ab?

Das ist ganz unterschiedlich. Das hängt davon ab, wo was frei ist. Ich bin selbst auch Gastgeber. Zurzeit wohnt gerade jemand aus Berlin bei mir in San Francisco.

Kommen ihre Gäste dann in einem Zimmer bei Ihnen unter?

Das ist eine Art abgetrennter Gästeteil mit separatem Eingang, wir haben um die 90 Gäste im Jahr.

Das sind eine Menge. Viele kritisieren, dass es durch mehr Touristenappartements weniger bezahlbare Mietwohnungen gibt.

Im Moment sind die Regelungen in jeder Stadt anders. Jeder Ort muss seine gesetzliche Rahmenbedingung finden. New York und Barcelona gelten als besonders streng. Auch in Berlin gab es eine sehr strikte Handhabung. Aber auch hier wird nun über eine neue Regelung diskutiert, die das Homesharing, also das kurzzeitige Vermieten der selbstbewohnten Wohnung, vereinfachen soll.

Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Unser Haltung ist klar: Wir möchten mit den Städten zusammenarbeiten und unterstützen individuelle Lösungen. Wir hoffen, dass die neuen gesetzlichen Regelungen für Berlin sich positiv auf Privatpersonen auswirken.

Airbnb steht auch in der Kritik, weil Kommunen Steuerumsätze entgehen. Warum kassieren Sie keine City- oder Bettensteuer mit der Buchung?

Wir haben bereits mit über 340 Städten und Regionen Vereinbarungen geschlossen, um die jeweils geltenden Tourismusabgaben im Namen der Gastgeber von den Gästen einzuziehen und weiterzureichen. Eine solche Vereinbarung haben wir auch mit Dortmund und sind mit vielen weiteren Städten im Austausch. Wir haben die Technologie entwickelt, um bei der Buchung die Abgabe direkt zu erheben. Inzwischen haben wir so schon über 500 Millionen US-Dollar weitergereicht.

Einheimische wehren sich gegen zu viele Airbnb-Touristen in überlaufenen Städten.

Aber der Tourismus bringt den Städten Umsatz und nimmt weltweit zu, besonders in Asien und China, die Mittelschicht reist immer mehr. Die Frage ist eher: Wie gehen die Städte mit dem Wachstum um? Airbnb kann Teil der Lösung sein.

Wie bitte?

Ja, denn 75 Prozent unserer Unterkünfte liegen bereits außerhalb der Hotel-Bezirke, sie verteilen sich über die Stadt, wovon die lokale Wirtschaft profitiert. Dort gehen die Gäste in Restaurants und Cafés, die gleich um die Ecke liegen und kaufen in Geschäften in ihrer Nachbarschaft ein.

Airbnb ist nicht nur in großen Städten präsent.

Viele Unterkünfte gibt es auch in ländlichen Regionen, wo bisher überhaupt keine Hotels existierten. Das hilft die Besucherströme umzulenken, nicht immer nur nach Paris, London oder Barcelona zu fahren.

Sie haben mit Airbnb Plus angekündigt, ausgewählte Unterkünfte genau zu prüfen. Soll das für mehr Transparenz garantieren?

Schon seit langem bieten wir unseren Gastgebern an, ihre Wohnung professionell fotografieren zu lassen. Die Fotografen dieses Netzwerkes schulen wir jetzt, dass sie mehr als nur Bilder machen, sondern eine 100 Punkte lange Checkliste abarbeiten, um die Qualität sicherzustellen.

Haben sie durch die neue Strategie mit Airbnb Plus nicht ein First-Class-Angebot geschaffen, und der Rest ist nur noch zweite Klasse?

Nein, das sehe ich anders. Unsere Vision lautet: Airbnb für jeden. Denn Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, Familien haben andere Ansprüche als Geschäftsleute. Wir sind vor zehn Jahren mit einem Nischenprodukt gestartet, was mittlerweile sehr populär ist. Airbnb Plus sehe ich als eine logische Weiterentwicklung.

Viele Reisende haben Vorbehalte gegen Privatwohnungen und ziehen Hotels vor. Wie wollen sie ihren Nutzerkreis erweitern?

Zehn Prozent unserer User sind bisher Geschäftsleute. Wir glauben, dass wir den Bereich noch weiter ausbauen können. Ebenso buchen viele Familien ihren Urlaub auf Airbnb, da sie häufig mehrere Schlafzimmer, eine Waschmaschine, oder vielleicht eine eigene Küche benötigen. Für sie haben wir kürzlich die "Familien-Kollektion" gestartet, in der für Familien besonders geeignete Unterkünfte aufgeführt sind. All diese Angebote haben wir bereits. Wir verbessern die Navigation, um die passenden Inserate besser zu finden.

Bevor man ein Zimmer buchen kann, muss man einige Sicherheits-Checks abschließen. Das macht die Buchung komplizierter.

Sicherheit ist ein wichtiges Thema für uns. Denn selbst ein Risikofaktor von eins zu einer Million wäre immer noch zu hoch. Wir wollen unsere Community und unsere Marke schützen. Wir haben deshalb eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Die sind vielleicht strikter als bei anderen.

Wann kommt Airbnb mit einem Kundenbindungsprogramm wie es bei Airlines und Hotels üblich ist? Gibt es für Vielbucher bald die Airbnb-Gold-Card?

Wir arbeiten gerade an einem Pilotprogramm, das besser wird als nur eine Mitgliedskarte. Das "Superguest"- Programm wird Vorteile für die gesamte Reise bieten und diesen Sommer als Testversion für 10.000 Gäste starten, bevor es Ende des Jahres für die gesamte Airbnb-Community zugänglich wird. Mehr kann ich noch nicht verraten. Mit dem "Superhost" - Programm zeichnen wir bereits sehr engagierte und verlässliche Gastgeber aus.

Sie sagten, dass Sie auch selbst Gastgeber sind.

Ja, in den vergangenen Jahren hatten wir an die 500 Gäste. Darunter war kürzlich eine Journalistin aus Deutschland, die mich bereits 2011 interviewt hatte, als wir noch eine kleine Firma waren. Wegen des separaten Eingangs sehe ich meine Gäste nicht immer. Sie aber wollte zusätzliche Handtücher haben, die ich ihr runterbrachte. Als sie mich sah, meinte sie: Ich kenne dich.

Das Wiedersehen war also reiner Zufall.

Ja, das war eine Überraschung für uns beide.

Wo sehen sie Airbnb in zehn Jahren?

Vor zehn Jahren hätten wir uns niemals erträumt, was aus Airbnb werden könnte. Wir wollen aber noch weiter gehen: Im letzten Jahrzehnt sind insgesamt 300 Millionen Gäste mit Airbnb gereist. In Zukunft wollen wir eine Milliarde pro Jahr haben.

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Interview: Till Bartels

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