"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" - diesen Ohrwurm sang Reinhard Mey in den 70er Jahren. Doch der Refrain des Liedes hat eine bitte Kehrseite, wie eine repräsentative Befragung der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) zeigt.
In den Antworten einer Befragung gaben 52 Prozent der Frauen und 44 Prozent der Männer an, schon einmal während der Ausübung ihrer Tätigkeit an Bord eines Flugzeuges belästigt worden zu sein. Zum Vergleich: Im öffentlichen Dienst liegt die Quote bei den Frauen bei 26 Prozent, bei den Männern bei sechs Prozent.
"Klare Alarmsignale"
Die "falsch verstandene Freiheit" geht nur zu einem Viertel auf Kosten der Passagiere, die glauben mit ihrem Ticket auch einen Freibrief für anzügliche Sprüche und Kniffe in den Po des Kabinenpersonals erworben zu haben. Denn in mehr als zwei Dritteln der Fälle gehen die Übergriffe von Vorgesetzten oder Kollegen aus.
"Die Ergebnisse sind für UFO klare Alarmsignale, die nicht ignoriert werden dürfen", heißt es einer Mitteilung. "Wenn fast die Hälfte der Betroffenen angeben, dass Vorgesetzte für die sexuelle Belästigung verantwortlich sind, sollte neben Opferschutz auch über Täterprävention geredet werden."
Die Gewerkschaft hatte nach eigenen Angaben vom 19. Dezember bis zum 19. März auf ihrer Website die Teilnahme an der anonymen Befragung angeboten. Zu den insgesamt 20 Fragen gingen Antworten von mehr als 1100 Personen ein.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist die Angst vor beruflichen Konsequenzen beziehungsweise persönlichen Nachteilen, falls die Betroffenen die Vorfälle melden. Nur 16 Prozent haben sich nach einem Übergriff an Vorgesetzte, die Personalvertretung oder die Polizei gewandt. Nicht bei allen Fluggesellschaften existiert eine "Anlaufstelle für Opfer sexueller Belästigung". Nur 61,5 Prozent konnten mit Ja antworten.
Forderungen der Gewerkschaft UFO
Die Fachgewerkschaft des Kabinenpersonals nimmt die Umfrageergebnisse zum Anlass, um neben dem Opferschutz auch das Thema Täterprävention anzusprechen. UFO fordert deshalb, dass dieses Thema in jeden Grundlehrgang für alle Angestellten im Flugbetrieb gehört. "Ebenso müssen regelmäßige Kurse für alle Beschäftigten obligatorisch sein."
Außerdem sollte jegliche Airline-Werbung frei von sexistischen Tendenzen sein. Zu lange haben Fluggesellschaften mit Bildern ihrer Stewardessen geworben, allen voran Singapore Airlines mit ihrem Slogan "Singapore Girl, you’re a great way to fly". Das ist heute weder zeitgemäß noch politisch korrekt. Allerdings hat die Airline des Stadtstaates schon im August vergangenen Jahres eine neue Werbeagentur gesucht, die den Markenauftritt grundlegend überarbeitet.
Eine Umfrage der US-Flugbegleitergewerkschaft AFA kam bereits zu ähnlichen Ergebnissen wie in Deutschland. Danach haben 69 Prozent der Stewardessen oder Stewards in ihrem Berufsleben sexuelle Belästigungen erfahren müssen. Bei den nordamerikanischen Airlines ist die Botschaft ganz oben angekommen. "Sexuelle Belästigung und Übergriffe haben absolut keinen Platz an unserem Arbeitsplatz, an Bord unserer Flüge oder an irgendeinem anderen Ort", sagte Brad Tilden, der Chef von Alaska Airlines.
Der Arbeitsplatz Kabine darf nicht länger ein Ort zum Wegschauen sein. "Alle Ängste, alle Sorgen", singt Reinhard Mey weiter zur Freiheit über den Wolken, "blieben darunter verborgen und dann würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein."
Quelle: www.ufo-online.aero
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