Die Erkenntnis von Trainer Ole Werner ist unmissverständlich: "Das war heute nicht erstligatauglich, klar." Werners Worte fassten in prägnanter Kürze zusammen, was sich in den 90 Minuten zuvor auf dem Rasen des Rheinenergie-Stadions zugetragen hatte. Der 1. FC Köln nahm die Gäste aus Bremen besonders in der ersten Halbzeit nach allen Regeln der Kunst auseinander: "Wir wurden heute auf gut Deutsch hops genommen. Sie haben uns überrannt", beschrieb Werder-Profi Leo Bittencourt das Desaster aus Bremer Sicht. In Zahlen: 1:7. So ein Ergebnis ist im Profi-Fußball eher selten.
Dass Bittencourt unterschwellig Kritik an der Taktik des Trainers äußerte ("Die wussten von A bis Z ganz genau, was wir machen"), ist dabei nur ein Nebenaspekt. Bittencourt übersah bei seiner Analyse, dass seine Leistung wie die aller anderen Werder-Profis unterirdisch war, ganz unabhängig von der gewählten Taktik. Richtig ist ja, dass Bremen Probleme bekommt, wenn der Gegner aggressives Pressing und hohes Tempo spielt. Die Mannschaft ist zudem anfällig für Konter, auch weil sie zu oft viele Fehler in der Offensive produziert.
Die Taktik ist nicht schuld
Doch die Taktik war nicht schuld an der historischen Klatsche (höchster Kölner Sieg in der Bundesliga seit fast 40 Jahren), sondern das dilettantische und eben "nicht erstligataugliche" Auftreten der Bremer Profis. Das ist Kopfsache, eine Frage der Einstellung und der Konzentration.
Die Situation erinnert an die Abstiegssaison vor zwei Jahren. Da hatte Bremen nach dem 24. Spieltag 30 Punkte auf dem Konto und stand auf dem 12. Tabellenplatz. An der Weser wähnte man sich sicher vor dem Abstieg. Selbstzufriedenheit setzte ein und das hatte Folgen. Am Ende stieg Bremen mit 31 Punkten ab. In den zehn letzten Saisonspielen holte die Mannschaft also genau einen Punkt. Es war eine Bankrotterklärung des Willens und eine gnadenlose Fehleinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit.
Die Parallelen zur Gegenwart sind frappierend. In Bremen neigt man dazu, sich ein bisschen zu sehr selbst zu feiern. Das hat viel mit der erfolgreichen Vergangenheit zu tun. Das ist nicht verwerflich, kann aber gefährlich werden. Der direkte Wiederaufstieg und der gelungene Verlauf der bisherigen Saison mit 21 Punkten aus 15 Spielen, der talentierte Trainer Ole Werner, mit dem man noch Großes plant, und die späte Karriere-Explosion von Angreifer Niclas Füllkrug haben möglicherweise dazu geführt, dass man sich schon wieder zu sicher fühlt und sich selbst überschätzt. Es ist die alte Bremer Krankheit.
Werder Bremen ist in akuter Gefahr
Die Wahrheit ist: Bremen war und ist von Beginn an ein Abstiegskandidat gewesen. Das bedeutet erst einmal nicht viel. Angesichts der engen Leistungsdichte kann man auch als schwächere Bundesliga-Mannschaft ins Tabellenmittelfeld vorstoßen. Man kann aber genauso schnell in der Tabelle ganz tief fallen, bis es zu spät ist. Für solche Mannschaften gilt, dass sie in jedem Spiel an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gehen müssen, um zu bestehen.
Das war gegen Köln nicht der Fall. Allein die Fehler, die Leistungsträgern wie Marvin Ducksch (sogar gleich zweimal) oder Mitchell Weiser vor den ersten drei Gegentoren unterliefen, sind selbst in der Kreisklasse tödlich. Bremen hat jetzt die drei letzten Spiele verloren. Die nächsten Gegner sind mit Union Berlin und dem VfL Wolfsburg schwere Kaliber. Es besteht die Gefahr, dass das Team von Ole Werner nach den Spielen ohne Punkteausbeute dasteht und in den Abstiegsstrudel gerät.