Als Torwart in der U19-Bundesliga hat der heute 25-jährige Nico Schulte gute Aussichten auf die Deutsche Bundesliga. Doch kurz vor seinem Karrieresprung wird er unfreiwillig als schwul geoutet. Wie es dazu kam und wie er heute damit umgeht, erzählt Schulte im stern-Interview.
Homosexualität im Fußball "Das Stigma wirst du nicht mehr los" – Nico Schultes unfreiwilliges Outing in der U19-Bundesliga

Sehen Sie im Video: "Das Stigma wirst du nicht mehr los" – Nico Schulte über sein unfreiwilliges Outing in der U19-Bundesliga.
Nico Schulte Das Outing war eher unfreiwillig. Jetzt muss ich halt noch mehr leisten, als ich vielleicht eh schon müsste. Und das führt dann halt zu einem enormen Leidensdruck. Man hat dann ein Stigma und das wird man, wie Philipp Lahm halt auch berechtigterweise gesagt hat, das wird man nicht mehr los. Und das nimmt halt schon mit. Und das belastet auch psychisch. Ich würde jetzt meinen Partner nicht mit zu meinen Spielen nehmen.
stern Ja Nico, du hast ja früher in der U19-Bundesliga als Torhüter gespielt und damals wussten deine Mitspieler ja noch nicht wirklich, dass du homosexuell bist. Es kam dann eher zu einem unfreiwilligen Outing. Wie hat sich das auf deine Karriere als Fußballer ausgewirkt?
Nico Schulte Das Outing war eher unfreiwillig, kurz vor dem Sprung in den Senioren-Bereich. Also sag ich mal zum ungünstigsten Zeitpunkt. Trotzdem war es für mich eigentlich am Ende so, dass ich nicht weiterspielen konnte, weil ich so viel Druck verspürt habe. Ich bin jetzt aber immer noch im Fußball Bereich aktiv, aber jetzt als Jugendtrainer.
stern Du hast gerade den Druck angesprochen, der dann so groß wurde nach deinem Outing. Was war das für einen Druck? Was ging dir da durch den Kopf? Was hat dir da so Probleme bereitet, dass dann eine weitere Karriere im Profi-Senioren-Bereich nicht mehr möglich war?
Nico Schulte Ja, man steht halt schon im Fokus. Und mit "Fokus" meine ich dahingehend, dass man sich vielleicht auch selber unterbewusst unter Druck setzt. Und zwar jetzt schauen ja alle auf mich und jetzt muss ich halt noch mehr leisten, als ich vielleicht eh schon müsste. Und das führt dann halt zu einem enormen Leidensdruck und man muss ja auch gesund bleiben. Und es geht ja am Ende auch darum, dass es einem gut geht. Und das war für mich halt der ausschlaggebende Grund, dass ich gesagt Okay, ich muss jetzt einen Schritt zurückgehen. Fußball war dann oder ist dann seitdem Hobby, aber es ist halt auch nicht mehr alles und ich fahr damit ganz gut. Ich kann mir halt auch vorstellen, dass es für Leute, die jetzt aktiv im Fußball sind und sich vielleicht noch nicht geoutet haben, halt auch ein riesiger Grund ist, sich nicht zu outen, weil man steht eh schon, gerade wenn man in der ersten, zweiten Bundesliga spielt unter enormem Erfolgsdruck. Man muss liefern, weil es ist ja der Beruf. Und damit man den Anschlussvertrag kriegt, den nächsten Vertrag muss man halt auch dauerhaft gute Leistungen bringen. Und wenn das dann noch als Fokus, als Stigma sag ich jetzt mal dann noch im Raum steht, dann könnte es schwierig werden. Aber mein Beispiel zeigt, dass es ja auch geht. Und es wäre einfach spannend zu sehen, was dann passiert. Natürlich kann man jetzt nicht sagen, aber wir brauchen jetzt mal Outings. Aber es wäre einfach spannend zu sehen, ob die Gesellschaft schon so weit ist und das ohne Probleme möglich wäre.
stern In der Bundesliga Geschichte hat sich ja bis heute kein aktiver männlicher Spieler als homosexuell geoutet und im 11Freunde Magazin stärken daher nun mehr als 800 Profispieler, Frauen sowie Männer, homosexuellen Spielern den Rücken, zu ihrer Sexualität zu stehen. Was hältst du von so einer Aktion?
Nico Schulte Ja, das finde ich super. Also grundsätzlich ist alles, was zu mehr Akzeptanz führt gut. Am Ende ist es halt immer so reicht es, wenn ich jetzt ein Titelblatt von einem großen Magazin mit einem Banner besetze? Oder hilft es, wenn dann wirklich auch aktiv Taten folgen? Es ist zwar auch eine aktive Tat, aber es wäre halt auch schön, wenn man es dann auch in der Realität umgesetzt würde. Wobei ich aber auch sagen muss, ich finde es gut, dass gerade auch Bundesligaspieler sich dazu äußern und sich hinstellen. Ich hab gesehen, dass teilweise auch für ganze Vereine da zitiert wurde und das ist ja wirklich etwas, das man wirklich positiv bewerten muss. Und da stehe ich auch hinter.
stern Philipp Lahm hat sich dazu ja auch geäußert. Also er rät den aktiven Profis in der heutigen Zeit eher von einem Coming-out ab, weil man eben auch massiven Anfeindungen ausgesetzt wird, die man dann auch einfach aushalten muss. Also Beleidigungen, Diskriminierungen und daraus kann man ja nicht unbeschadet herauskommen, so seine Meinung. Findest du seine Einschätzung gerechtfertigt?
Nico Schulte Ja, da ist was Wahres dran. Ich sagte ja eben schon, man hat schon ein Stigma. Das hab ich jetzt ja auch noch. Man hat ein Stigma auf sich. Man ist dann der schwule Fußballer oder die lesbische Spielerin. Da hat Philipp Lahm Recht. Deswegen ist es wirklich spannend zu sehen, was passiert denn? Dafür müsste sich halt jemand outen und dazu kann man natürlich keinen zwingen. Das ist eine persönliche Entscheidung. Nur es wäre eine spannende Frage, weil ich denke schon, dass wir gesamtgesellschaftlich zwar auf einem sehr guten Weg sind, aber diese Blase Fußball ist ja immer noch etwas ganz anderes. Das ist so die letzte Männerdomäne, wo man nicht gendern muss. Wo ich sag ich mal, wo Männer sich frei ausleben können, wenn man das jetzt mal ein bisschen überspitzt formuliert. Und da ist es wirklich schwierig zu sagen, was passieren. Deswegen verstehe ich auch Philipp Lahms Einwände.
stern Weißt du denn von Spielern, die homosexuell sind und es nicht öffentlich machen, also auch z.B. in höheren Ligen? Und was würdest du den raten?
Nico Schulte Persönlich weiß ich nichts. Und selbst wenn ich da was wüsste, würde ich natürlich jetzt auch nicht damit rausgehen. Aber ich würde halt wirklich dazu raten, dass man sich das genau überlegt, dass man sich den Rückhalt in der Familie, im Freundeskreis holt und sich so ein Schritt genau überlegt. Denn man hat dann ein Stigma und ja, das wird man wie Philipp Lahm halt auch berechtigterweise gesagt, das wird man nicht mehr los. Und wenn man das möchte und wenn man sagt Ich brauch das aber, ich fühle mich frei dadurch, dann super. Wenn man aber sagt, ich bin eh schon vielleicht jemand, der mit Druck nicht so ganz gut umgehen kann, dann würde ich mir das überlegen und würde auch davon abraten.
stern Wer wäre denn deiner Meinung nach bei einem Coming-out das größere Problem? Also die Fans, die diskriminieren oder der Verein, der ja auch über die eigene Karriere bestimmt?
Nico Schulte Naja, sowohl als auch. Und es kommt auch sehr stark aufs Umfeld an. Ich sag mal, wenn man bei FC Sankt Pauli spielt, wird man damit vielleicht keine Probleme haben. In anderen Regionen Deutschland ist das vielleicht anders. Es ist halt immer auch ein gesellschaftliches Ding. Andererseits glaube ich nicht, dass sich ein Fußballverein heutzutage noch leisten kann, öffentlich oder auch intern einen Vertrag nicht zu vergeben aufgrund von sexuellen Orientierung, weil das ganz eindeutig Diskriminierung wäre. Da bin ich auch von überzeugt, dass wir da jetzt schon auf dem Stand sind, dass da kein Verein das als Ausschlusskriterium sieht.
stern Ungeoutete Spieler müssen ja auch eine Art Versteckspiel leben, sowohl privat als auch beruflich. Also in der Öffentlichkeit kann man sich dann nicht mit dem Partner zeigen. Und wenn die Mitspieler nicht eingeweiht sind, dann muss man sich auch innerhalb der Mannschaft anders verhalten. Wie war das bei dir damals? Wie bist du damit umgegangen?
Nico Schulte Naja, also ich würd jetzt gar nicht nur damals sagen, ich würde das auch auf heute beziehen. Ich habe heute auch noch, sag ich mal ich, ich würde jetzt meinen Partner nicht mit zu meinen Spielen nehmen, weil ich nicht weiß, wie die Leute darauf reagieren würden und was das dann auch mit mir macht und wie sich mein Partner dabei fühlen würde. Das auch unabhängig davon, ob jetzt im Rheinland oder sonst wo, das ist etwas Persönliches. Das kann ich jetzt ja auch nicht verallgemeinern, weil das wäre für mich heutzutage auch noch nicht drin. Und das nimmt halt schon mit und das belastet auch psychisch. Das muss man schon auch so sagen. Also ich hab mir jetzt dieses Jahr muss man sich durch Corona ja keine Gedanken um Weihnachtsfeiern machen. Aber das ist zum Beispiel etwas, wo ich mir jedes Jahr darüber Gedanken mache. Nehme ich jetzt meinen Partner mit oder nehme ich ihn nicht mit? Und wie reagieren die Leute? Und das ist halt etwas, was sich noch nicht geändert hat. Das muss ich schon so sagen.
stern Was wünschst du dir denn für den deutschen Profifußball im Hinblick auf Homosexualität bzw. auch für homosexuelle Spieler?
Nico Schulte Naja, ich sag mal, es ist schön, wenn jetzt alle Kapitäne Regenbogen-Kapitänsbinden tragen oder die Eckfahnen mit Regenbogen-Flaggen beflaggt werden, sag ich mal. Aber das ist halt nicht die Lösung des Problems. Die Lösung des Problems wäre nachhaltige Präventionsarbeit schon im Jugendbereich, wenn wir über Nachwuchs Leistungszentren reden. Ich weiß, dass das jetzt langsam anläuft und da bin ich dem DFB, man ist ja immer viel beim Bashing direkt dabei, aber da muss ich dem DFB sagen, das funktioniert jetzt ja auch. Aber es ist halt noch zu wenig, weil wenn man Jugendliche einmal im Jahr bildet, dann reicht das nicht. Da muss es aktiv und verpflichtende Fortbildungen geben, sowohl für Spieler als auch für Trainer als auch für Vereins-Mitarbeiter gerade in der Öffentlichkeitsarbeit. Damit sich das halt verfestigt. Denn am Ende sind Fußballer Vorbilder für viele, viele jugendliche Menschen, die vielleicht auch noch in der Orientierungsphase sind. Und dann können solche Aktionen wie jetzt vom 11Freunde Magazin natürlich dazu führen, dass es mehr Akzeptanz gibt. Und das finde ich gut, so was sollte man machen. Weniger diese plakativen Regenbogen Aktion, weil das glaube ich mehr Klischees bedient als alles.
stern Ja Nico, vielen, vielen Dank für das Gespräch und danke, dass du dir die Zeit genommen hast.
Nico Schulte Ja, gerne.
Nico Schulte Das Outing war eher unfreiwillig. Jetzt muss ich halt noch mehr leisten, als ich vielleicht eh schon müsste. Und das führt dann halt zu einem enormen Leidensdruck. Man hat dann ein Stigma und das wird man, wie Philipp Lahm halt auch berechtigterweise gesagt hat, das wird man nicht mehr los. Und das nimmt halt schon mit. Und das belastet auch psychisch. Ich würde jetzt meinen Partner nicht mit zu meinen Spielen nehmen.
stern Ja Nico, du hast ja früher in der U19-Bundesliga als Torhüter gespielt und damals wussten deine Mitspieler ja noch nicht wirklich, dass du homosexuell bist. Es kam dann eher zu einem unfreiwilligen Outing. Wie hat sich das auf deine Karriere als Fußballer ausgewirkt?
Nico Schulte Das Outing war eher unfreiwillig, kurz vor dem Sprung in den Senioren-Bereich. Also sag ich mal zum ungünstigsten Zeitpunkt. Trotzdem war es für mich eigentlich am Ende so, dass ich nicht weiterspielen konnte, weil ich so viel Druck verspürt habe. Ich bin jetzt aber immer noch im Fußball Bereich aktiv, aber jetzt als Jugendtrainer.
stern Du hast gerade den Druck angesprochen, der dann so groß wurde nach deinem Outing. Was war das für einen Druck? Was ging dir da durch den Kopf? Was hat dir da so Probleme bereitet, dass dann eine weitere Karriere im Profi-Senioren-Bereich nicht mehr möglich war?
Nico Schulte Ja, man steht halt schon im Fokus. Und mit "Fokus" meine ich dahingehend, dass man sich vielleicht auch selber unterbewusst unter Druck setzt. Und zwar jetzt schauen ja alle auf mich und jetzt muss ich halt noch mehr leisten, als ich vielleicht eh schon müsste. Und das führt dann halt zu einem enormen Leidensdruck und man muss ja auch gesund bleiben. Und es geht ja am Ende auch darum, dass es einem gut geht. Und das war für mich halt der ausschlaggebende Grund, dass ich gesagt Okay, ich muss jetzt einen Schritt zurückgehen. Fußball war dann oder ist dann seitdem Hobby, aber es ist halt auch nicht mehr alles und ich fahr damit ganz gut. Ich kann mir halt auch vorstellen, dass es für Leute, die jetzt aktiv im Fußball sind und sich vielleicht noch nicht geoutet haben, halt auch ein riesiger Grund ist, sich nicht zu outen, weil man steht eh schon, gerade wenn man in der ersten, zweiten Bundesliga spielt unter enormem Erfolgsdruck. Man muss liefern, weil es ist ja der Beruf. Und damit man den Anschlussvertrag kriegt, den nächsten Vertrag muss man halt auch dauerhaft gute Leistungen bringen. Und wenn das dann noch als Fokus, als Stigma sag ich jetzt mal dann noch im Raum steht, dann könnte es schwierig werden. Aber mein Beispiel zeigt, dass es ja auch geht. Und es wäre einfach spannend zu sehen, was dann passiert. Natürlich kann man jetzt nicht sagen, aber wir brauchen jetzt mal Outings. Aber es wäre einfach spannend zu sehen, ob die Gesellschaft schon so weit ist und das ohne Probleme möglich wäre.
stern In der Bundesliga Geschichte hat sich ja bis heute kein aktiver männlicher Spieler als homosexuell geoutet und im 11Freunde Magazin stärken daher nun mehr als 800 Profispieler, Frauen sowie Männer, homosexuellen Spielern den Rücken, zu ihrer Sexualität zu stehen. Was hältst du von so einer Aktion?
Nico Schulte Ja, das finde ich super. Also grundsätzlich ist alles, was zu mehr Akzeptanz führt gut. Am Ende ist es halt immer so reicht es, wenn ich jetzt ein Titelblatt von einem großen Magazin mit einem Banner besetze? Oder hilft es, wenn dann wirklich auch aktiv Taten folgen? Es ist zwar auch eine aktive Tat, aber es wäre halt auch schön, wenn man es dann auch in der Realität umgesetzt würde. Wobei ich aber auch sagen muss, ich finde es gut, dass gerade auch Bundesligaspieler sich dazu äußern und sich hinstellen. Ich hab gesehen, dass teilweise auch für ganze Vereine da zitiert wurde und das ist ja wirklich etwas, das man wirklich positiv bewerten muss. Und da stehe ich auch hinter.
stern Philipp Lahm hat sich dazu ja auch geäußert. Also er rät den aktiven Profis in der heutigen Zeit eher von einem Coming-out ab, weil man eben auch massiven Anfeindungen ausgesetzt wird, die man dann auch einfach aushalten muss. Also Beleidigungen, Diskriminierungen und daraus kann man ja nicht unbeschadet herauskommen, so seine Meinung. Findest du seine Einschätzung gerechtfertigt?
Nico Schulte Ja, da ist was Wahres dran. Ich sagte ja eben schon, man hat schon ein Stigma. Das hab ich jetzt ja auch noch. Man hat ein Stigma auf sich. Man ist dann der schwule Fußballer oder die lesbische Spielerin. Da hat Philipp Lahm Recht. Deswegen ist es wirklich spannend zu sehen, was passiert denn? Dafür müsste sich halt jemand outen und dazu kann man natürlich keinen zwingen. Das ist eine persönliche Entscheidung. Nur es wäre eine spannende Frage, weil ich denke schon, dass wir gesamtgesellschaftlich zwar auf einem sehr guten Weg sind, aber diese Blase Fußball ist ja immer noch etwas ganz anderes. Das ist so die letzte Männerdomäne, wo man nicht gendern muss. Wo ich sag ich mal, wo Männer sich frei ausleben können, wenn man das jetzt mal ein bisschen überspitzt formuliert. Und da ist es wirklich schwierig zu sagen, was passieren. Deswegen verstehe ich auch Philipp Lahms Einwände.
stern Weißt du denn von Spielern, die homosexuell sind und es nicht öffentlich machen, also auch z.B. in höheren Ligen? Und was würdest du den raten?
Nico Schulte Persönlich weiß ich nichts. Und selbst wenn ich da was wüsste, würde ich natürlich jetzt auch nicht damit rausgehen. Aber ich würde halt wirklich dazu raten, dass man sich das genau überlegt, dass man sich den Rückhalt in der Familie, im Freundeskreis holt und sich so ein Schritt genau überlegt. Denn man hat dann ein Stigma und ja, das wird man wie Philipp Lahm halt auch berechtigterweise gesagt, das wird man nicht mehr los. Und wenn man das möchte und wenn man sagt Ich brauch das aber, ich fühle mich frei dadurch, dann super. Wenn man aber sagt, ich bin eh schon vielleicht jemand, der mit Druck nicht so ganz gut umgehen kann, dann würde ich mir das überlegen und würde auch davon abraten.
stern Wer wäre denn deiner Meinung nach bei einem Coming-out das größere Problem? Also die Fans, die diskriminieren oder der Verein, der ja auch über die eigene Karriere bestimmt?
Nico Schulte Naja, sowohl als auch. Und es kommt auch sehr stark aufs Umfeld an. Ich sag mal, wenn man bei FC Sankt Pauli spielt, wird man damit vielleicht keine Probleme haben. In anderen Regionen Deutschland ist das vielleicht anders. Es ist halt immer auch ein gesellschaftliches Ding. Andererseits glaube ich nicht, dass sich ein Fußballverein heutzutage noch leisten kann, öffentlich oder auch intern einen Vertrag nicht zu vergeben aufgrund von sexuellen Orientierung, weil das ganz eindeutig Diskriminierung wäre. Da bin ich auch von überzeugt, dass wir da jetzt schon auf dem Stand sind, dass da kein Verein das als Ausschlusskriterium sieht.
stern Ungeoutete Spieler müssen ja auch eine Art Versteckspiel leben, sowohl privat als auch beruflich. Also in der Öffentlichkeit kann man sich dann nicht mit dem Partner zeigen. Und wenn die Mitspieler nicht eingeweiht sind, dann muss man sich auch innerhalb der Mannschaft anders verhalten. Wie war das bei dir damals? Wie bist du damit umgegangen?
Nico Schulte Naja, also ich würd jetzt gar nicht nur damals sagen, ich würde das auch auf heute beziehen. Ich habe heute auch noch, sag ich mal ich, ich würde jetzt meinen Partner nicht mit zu meinen Spielen nehmen, weil ich nicht weiß, wie die Leute darauf reagieren würden und was das dann auch mit mir macht und wie sich mein Partner dabei fühlen würde. Das auch unabhängig davon, ob jetzt im Rheinland oder sonst wo, das ist etwas Persönliches. Das kann ich jetzt ja auch nicht verallgemeinern, weil das wäre für mich heutzutage auch noch nicht drin. Und das nimmt halt schon mit und das belastet auch psychisch. Das muss man schon auch so sagen. Also ich hab mir jetzt dieses Jahr muss man sich durch Corona ja keine Gedanken um Weihnachtsfeiern machen. Aber das ist zum Beispiel etwas, wo ich mir jedes Jahr darüber Gedanken mache. Nehme ich jetzt meinen Partner mit oder nehme ich ihn nicht mit? Und wie reagieren die Leute? Und das ist halt etwas, was sich noch nicht geändert hat. Das muss ich schon so sagen.
stern Was wünschst du dir denn für den deutschen Profifußball im Hinblick auf Homosexualität bzw. auch für homosexuelle Spieler?
Nico Schulte Naja, ich sag mal, es ist schön, wenn jetzt alle Kapitäne Regenbogen-Kapitänsbinden tragen oder die Eckfahnen mit Regenbogen-Flaggen beflaggt werden, sag ich mal. Aber das ist halt nicht die Lösung des Problems. Die Lösung des Problems wäre nachhaltige Präventionsarbeit schon im Jugendbereich, wenn wir über Nachwuchs Leistungszentren reden. Ich weiß, dass das jetzt langsam anläuft und da bin ich dem DFB, man ist ja immer viel beim Bashing direkt dabei, aber da muss ich dem DFB sagen, das funktioniert jetzt ja auch. Aber es ist halt noch zu wenig, weil wenn man Jugendliche einmal im Jahr bildet, dann reicht das nicht. Da muss es aktiv und verpflichtende Fortbildungen geben, sowohl für Spieler als auch für Trainer als auch für Vereins-Mitarbeiter gerade in der Öffentlichkeitsarbeit. Damit sich das halt verfestigt. Denn am Ende sind Fußballer Vorbilder für viele, viele jugendliche Menschen, die vielleicht auch noch in der Orientierungsphase sind. Und dann können solche Aktionen wie jetzt vom 11Freunde Magazin natürlich dazu führen, dass es mehr Akzeptanz gibt. Und das finde ich gut, so was sollte man machen. Weniger diese plakativen Regenbogen Aktion, weil das glaube ich mehr Klischees bedient als alles.
stern Ja Nico, vielen, vielen Dank für das Gespräch und danke, dass du dir die Zeit genommen hast.
Nico Schulte Ja, gerne.