"Malz, hm?", nuschelt der ältere Mann auf dem Bauernmarkt in Clausthal-Zellerfeld, an den Ausläufern des Harzes. Er dreht das kleine Marmeladenglas mit dem bernsteinfarbenen Gelee in seiner Hand. "Und wie schmeckt das?"
Ja, wie schmeckt das? Bei Marmelade stellt sich die Frage nicht, die schmeckt eben nach Erdbeere, Kirsche oder Aprikose. Aber das, was Stefanie Tomljanovic in ihrer Küche zusammenbraut, ist erklärungsbedürftig. Denn Malz als Brotaufstrich, das gibt es sonst nicht.
Wie soll man einen Geschmack beschreiben, den keiner kennt? "Das ist der gute Teil vom Bier für aufs Brot", sagt die kleine, rothaarige Frau mit der Schürze. "Nicht so süß, eher würzig, ein bisschen wie Malzbier."
Der Kunde kneift die Augen zusammen und versucht, die Inhaltsstoffe auf dem Etikett zu entziffern. Stefanie Tomljanovic kennt das schon: Erklären kann man viel, Malzit muss man probieren. Sie schmiert das Gelee auf ein Stückchen Knäckebrot und reicht es über den Klapptisch. Der Mann kaut eine Weile und sagt: "Ich nehm das mal mit und lasse meine Frau probieren."
Er bezahlt 3 Euro, lässt das Glas in seinen Jutebeutel gleiten und geht zum nächsten Marktstand. Die Fleischerei nebenan hat gerade eine neue Fuhre Mettbrötchen geliefert bekommen.
Die letzte Chance für Malzit?
Der Mann hat sie nicht erkannt. Das passiert ihr sonst regelmäßig. Genauer gesagt: Früher wurde sie erkannt, manche Leute kamen nur ihretwegen zum Markt. Um ihr Produkt zu probieren, um sie zu sehen. Vor zwei Jahren war Steffi – die nicht Frau Tomljanovic genannt werden will, sie sei ja Gründerin, da duzt man sich – ein Star im Harz. Denn damals wagte sie sich in "Die Höhle der Löwen".
Der Auftritt in der Vox-Sendung war Steffis letzte Chance. Denn finanziell sah es nicht rosig aus. Ihr Mann lief als selbstständiger Schlosser seit Monaten nicht bezahlten Rechnungen hinterher. Er musste Mitarbeiter entlassen. Und auch für Steffi gab es im heimischen Betrieb nicht mehr viel zu tun. Nicht schlimm, dachte sie. Denn sie hatte sich eine eigene Geschäftsidee einfallen lassen. Schon seit Jahren kochte sie Gelees ein und verkaufte sie auf dem Markt. Leben konnte sie davon allerdings nicht.

Für einen Job verdiente sie mit Malzit einfach nicht genug, für ein Hobby war das Einkochen zu teuer und zeitfressend. "Hätte ich keinen 'Löwen' überzeugen können, hätte ich hingeschmissen", sagt sie. "Dann wäre Schluss gewesen."
An einem kalten Tag im Frühjahr 2016 machte sich Steffi aus Bräunrode im Ostharz auf den Weg nach Köln in die "Löwenhöhle". Ihren Mann ließ sie zu Hause, den Kindern sagte sie nichts.
Wenn sie an den Moment zurückdenkt, als sie durch die Studiotür auf die Investoren zuging, spricht Steffi hastig, als ob sie ihre Erinnerungen ganz schnell wieder verlassen möchte. "Meine Lippen haben gezittert." Die kleine Frau bebte vor Anspannung in dem großen Studio. "Ich hatte einen Filmriss."
Dass ihr das nicht zum Verhängnis wurde, hat wohl zwei Ursachen. Zum einen kennt sie ihr Produkt sehr genau. Schon vor mehr als zehn Jahren köchelte sie Malz, das sie aus einer Brauerei bezieht, in ihren Töpfen. Bis sie eine ansprechende Farbe, die perfekte Konsistenz und den richtigen Geschmack erreicht hatte, gingen ungezählte Versuche ins Land. Zum anderen hatte sie bereits Kunden. "Ich stehe seit Jahren auf dem Markt und verkaufe Malzit. Ich kenne die Fragen, die gestellt werden. Und verkaufen kann ich auch ganz gut", sagt sie.
Die "Löwen" waren damals begeistert. "Malzit hat mich als Produkt von der ersten Sekunde an überzeugt. Total geflasht hat mich aber Steffi Tomljanovic", sagt Ralf Dümmel. Er witterte das große Geschäft mit den kleinen Gläsern.
Das neue Nutella?
Dümmels Maschinerie rollt direkt nach der Aufzeichnung an. Um ausreichend Malzit zur Ausstrahlung in den Läden zu haben, muss eine Manufaktur in Berlin mitkochen. Steffi wird als Gründerin in Szene gesetzt, geht zu Fototerminen, entwickelt mit Dümmels Verkaufsprofis Etiketten, erfindet frische Geschmacksrichtungen, nach der Ausstrahlung verkauft sie Malzit beim Shoppingsender QVC.
Das Jahr 2016 wird zum Rekordjahr für Malzit: 200.000 Gläser verkauft sie, zehnmal mehr als in dem Jahr davor. Sie macht einen Handelsumsatz von einer halben Million Euro. Malzit soll das neue Nutella werden, so lautet ihr Ziel.
Anfangs sieht es gut aus – ihre Gelees stehen in den Supermarktregalen der großen Ketten, auch online wird Malzit vertrieben. Auf den Wochenmärkten verkauft sie trotzdem weiter. "Ich habe Stammkunden, die wollte ich nicht enttäuschen", sagt Steffi. "Auf den Märkten bin ich in meinem Element." Sie kniet sich rein, ab 7 Uhr steht sie in der Küche. Urlaube sind gestrichen.
Wenn sie heute Fotos von Familienfesten aus dieser Zeit betrachtet, kann sie sich manchmal nicht erinnern, dabei gewesen zu sein. Nur einen kleinen Luxus gönnten sich die Tomljanovics. "Wir waren in Hamburg, das Musical 'König der Löwen' wollte ich immer schon mal sehen", sagt Steffi. Eine Aufführung, eine Übernachtung, dann ging’s direkt zurück.
Bis hierhin ist Malzit eine Erfolgsgeschichte. Doch je länger die Ausstrahlung zurückliegt, umso schwerer wird es. Die anfängliche Euphorie ebbt ab. Malzit steht zwar in den Läden, gekauft wird es aber immer weniger. Dümmel kann seine Show-Schützlinge zwar schnell in die Märkte bringen. Dass sie dort bleiben, kann er nicht beeinflussen.
"Fakt ist leider, dass Malzit bei vielen Konzernen sehr erfolgreich angefangen, aber im Lauf der Zeit den Umsatz auf der Fläche nicht mehr gebracht hat", sagt Dümmel. "Deswegen wurde Malzit ausgelistet." Filiale um Filiale streicht es aus dem Sortiment. Der Umsatz sinkt. Von Mitte 2017 bis August 2018 verkaufte Steffi nur noch 40.000 Gläser. "Wir hatten große Hoffnung in Malzit gesetzt, wie in alle Investments von uns. Nur deshalb investieren wir", sagt Dümmel. "Natürlich sind wir nicht zufrieden, weil wir Steffi und Malzit einen langfristigen großen Erfolg gewünscht hätten."

Malzit auf Instagram
2018 wird zum Schicksalsjahr. Steffi muss dafür sorgen, dass sie nicht alle Vertriebskanäle verliert. "Klinken putzen ist mühsam", sagt sie. Sie telefoniert die Händler ab, um neu gelistet zu werden. Dass sie bei den "Löwen" aufgetreten ist, macht es leichter. "'DHDL' ist eine Sicherheit für die Märkte, die ich allein nicht bieten kann." Gerade ist sie bei einem Großhändler ins Sortiment aufgenommen worden, eine gute Nachricht, immerhin.
Die Malzit-Erfinderin ist besser aufgestellt als vor der Show, letztes Jahr spendierte Dümmel eine neue Küchenausstattung. Steffi kann bis zu 600 Gläser Malzit am Tag produzieren. Jetzt müssten noch neue Wege aufgetan werden. Sie hat da Ideen. "Mit Instagram und Youtube kann man mehr Leute erreichen", sagt sie. Ahnung hat sie davon nicht. Noch nicht, betont sie. Sie hofft, dass ihr 13-jähriger Enkel dabei helfen kann.
Ob online der große Durchbruch kommt? "Alles ist möglich", sagt sie und zuckt mit den Schultern. Ihr Kerngeschäft seien eh die Märkte. Von der großen Welle ihres TV-Auftritts sei zwar nicht viel geblieben, aber inzwischen kann sie von Malzit leben. "Das macht mich schon ein bisschen stolz." Und das Weihnachtsgeschäft komme ja auch bald, das habe sich in den vergangenen Jahren immer gelohnt – auch schon vor "DHDL".
Dann werden wieder die Spezialsorten mit winterlichen Gewürzen gekauft. Aber nur wenn die Kunden vorher probieren können. Wie Malz mit Zimt schmeckt, weiß halt keiner.
Der Beitrag stammt aus dem Magazin "Die Höhle der Löwen". Ein Heft über Gründer, ihre Ideen und Produkte – das die Geschichten hinter der erfolgreichsten deutschen Gründershow erzählt und erfolgreiche Unternehmer porträtiert. Bestellbar hier im Shop