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560 Euro pro Monat Wie das Grundeinkommen das Leben eines Finnen verändert

560 Euro pro Monat: Wie das Grundeinkommen das Leben eines Finnen verändert
Was ist das Grundeinkommen? Jeder Bürger – egal ob arm oder steinreich - bekommt einen monatlichen Betrag - gerechnet wird aktuell mit 1000 Euro - vom Staat. Statt Leistungen wie Kinder- oder Arbeitslosengeld zu bekommen, gibt es nur diesen Betrag - dafür für alle. Auch für Arbeitnehmer, Unternehmer, Selbstständige. Wie läuft die Finanzierung? Finanzieren wollen die Experten das Projekt mit einer höheren Besteuerung: 50 Prozent vom Gehalt, Dividenden und Aktiengewinnen
gehen an den Staat. 2015 habe der Sozialetat bei 888 Milliarden Euro gelegen. Davon könne man ein monatliches Grundeinkommen von 1000 Euro finanzieren. Ausgaben würden gleichermaßen von Kapital und Arbeit getragen. Konkrete Rechnung: Eine Uni-Professorin mit 120.000 Euro Jahresgehalt würde 50 Prozent Steuern zahlen, gleichzeitig aber 12.000 Euro im Jahr Grundeinkommen erhalten. Sie würde also eine Nettosteuer von 48.000 Euro zahlen, das entspräche 40 Prozent. Bei einer Putzhilfe mit 24.000 Euro Jahresgehalt läge der Nettosteuersatz bei null. Warum das Ganze? Arbeitsplätze, wie wir sie heute kennen, wird es künftig deutlich weniger geben. Das Arbeiten selbst wird sich verändern. Längere Erholungsphasen sind gut für die Motivation, aber auch für die Gesundheit. Weniger Erwerbsarbeit ermöglicht Chancen zur Weiterbildung, Selbstverwirklichung, Engagement oder Kümmern um die Familie. Kritik am Konzept: Kritiker widersprechen, sie fürchten, dass das Grundeinkommen die Menschen faul macht und Alkoholismus fördert. Schwere und unattraktive Arbeit würde kaum noch jemand machen wollen. Befürworter sagen, dass die Menschen befreit von Existenzängsten, freier und unverkrampfter ihrer Arbeit nachgehen könnten und produktiver wären. Davon würden alle profitieren.

Finnland ist das weltweit erste Land, das ein Grundeinkommen auszahlt. 2000 Arbeitslose bekommen monatlich 560 Euro - und dürfen sich noch etwas dazu verdienen. Einer der Bezieher hat sich nun geäußert.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist bislang nicht viel mehr als Gegenstand hitziger Diskussionen in Europa. Macht eine lebenssichernde Summe pro Monat, die ohne Verpflichtungen vom Staat ausgezahlt wird, die Menschen nun frei oder faul? In der Schweiz wurde die Idee per Volksentscheid gekippt. In Finnland hingegen wagt man den Versuch.

2000 Arbeitslose wurden per Los ausgewählt und bekommen seit dem Jahreswechsel ein Grundeinkommen von 560 Euro. Die Probanden erfuhren erst kurz vor Silvester, dass sie Teil des Tests sind. Ablehnen können sie das Geld nicht, sagt Marjukka Turunen vom finnischen Sozialversicherungsinstitut Kela. Bedingungen sind an das Geld nicht geknüpft. Es darf auch etwas dazu verdient werden. Auch Steuern werden auf diese Summe nicht fällig. Zwei Jahre lang sollen die ausgewählten Menschen das Geld erhalten. Im November 2016 waren in Finnland rund 213.000 Menschen als arbeitslos gemeldet.

"Das Grundeinkommen ist eine gute Sache"

Einer der Glückspilze ist Juha Järvinen. Der Vater von sechs Kinder hatte so sehr gehofft, dass er bei der Verlosung gewinnen würde. "Als ich den Brief von der Kela sah, schrie ich nur: Yes!", sagte Järvinen zu finnischen Medien. Seit Januar bekommt er nun Geld. In einem Facebook-Post berichtet er darüber, wie das Grundeinkommens sein Leben verändert hat. "Ich glaube, dass das Grundeinkommen eine gute Sache ist und ausprobiert werden muss. Dies ist ein Test", so Järvinen via Facebook.

Erst selbstständig, dann arbeitslos

Järvinen ist Ende 30, Künstler und Vater von sechs Kindern. Sieben Jahre arbeitete er selbstständig, vor fünf Jahren scheiterte sein Ein-Mann-Betrieb. Er fertigte Fensterrahmen und verkaufte sie auch über die Grenzen von Finnland hinaus. Plötzlich stand er vor dem Nichts, denn in Finnland werden Selbstständige zunächst von Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit ausgeschlossen. Sechs Monate musste er ohne Einkommen und staatliche Hilfe seine sechs Kinder, die zwischen 15 und 5 Jahre alt sind, durchbringen. "Das war eine harte Zeit", schreibt Järvinen. 

Mit dem Grundeinkommen zurück in den Job

Vor dem Grundeinkommen erhielt Järvinen sogar mehr Geld vom Staat: 650 Euro Arbeitslosengeld wurden ihm ausgezahlt. Das Grundeinkommen von 560 Euro und das Gehalt seiner Frau, die als Krankenschwester arbeitet, reichen der achtköpfigen Familie nicht. Sie leben abseits großer Städte im Westen Finnlands. Das Grundeinkommen sichert die Lebensmitteleinkäufe, so Järvinen.

Mit dieser Absicherung will er sich wieder selbstständig machen. "Das Grundeinkommen erlaubt mir, zurück in mein altes Leben zu kommen", so Järvinen. "Ich kann befreit Dinge ausprobieren." Er habe nun nicht mehr das Gefühl, die Zukunft seiner Kinder aufs Spiel zu setzen. Mit dem Grundeinkommen fühlt er sich abgesichert genug, um in den kommenden Wochen und Monaten ein neues Unternehmen zu starten - und den Weg aus der Arbeitslosigkeit zu finden. "Für mich bedeutet das Grundeinkommen, dass ich der Versklavung entfliehen kann und mich wieder wie ein funktionierender Mitbürger fühlen kann", sagte Järvinen zum finnischen Radiosender "Yle". 

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