Im Jahr 2015 überraschte der Firmengründer Stephan Aarstol aus San Diego seine Mitarbeiter: Statt weiterhin in einem starren Arbeitszeitmodell von acht Stunden am Tag zu verharren, wollte er etwas Neues wagen. Den Arbeitszeitbeginn um 8 Uhr morgens wollte er nicht verändern, aber pünktlich um 13 Uhr sollte dann Schluss sein. Nur fünf Stunden Arbeit am Tag, bei vollem Gehalt. Ohne Haken.
"Ich möchte euch euer Leben zurückgeben", zitierte die "F.A.Z." damals Aarstol. Um sie zusätzlich zu motivieren, steckte er Unternehmensgewinne in die Bezahlung der Mitarbeiter. Allerdings gab es eine Einschränkung: Wer glaubte, seine Arbeit bei der Paddle-Board-Firma Tower nicht auch in fünf Stunden erledigen zu können, dem würde gekündigt.
Ob tatsächlich ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat, ist nicht bekannt. Und ganz so radikal tastete sich das Unternehmen an diesen Schritt nicht heran. Zunächst wurde nur in den Sommermonaten umgestellt. Doch schon ein Jahr später gab es den dauerhaften Wechsel auf die 5-Stunden-Arbeitstage. "Die anfängliche Überraschung verflog schnell und wir alle gewöhnten uns bald an das neue Modell", so der Firmengründer zum "Businessinsider". "Unser Geschäft war so erfolgreich wie eh und je und doch leisteten meine Mitarbeiter weniger als zwei Drittel der Stunden, die sie vorher gearbeitet hatten."
Das Ende des 5-Stunden-Modells
Also alles gut? Nein, nur zwei Jahre nach Einführung musste das Modell schon wieder gekippt werden. "Wir waren gezwungen, den Fünf-Stunden-Tag knapp zwei Jahre nach seiner Einführung wieder aufzugeben. Unser Unternehmen war in eine schwierige Phase geraten, wir hatten eine unvorhersehbare Mitarbeiterfluktuation und ich war mir nicht mehr sicher, ob ich von der Idee überhaupt noch überzeugt war", so Aarstol.
Das Unternehmen musste gleich mehrere Baustellen beackern. Zum einen ging der Plan des Chef nichts auf, mit der geringeren Arbeitszeit Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Von den sieben Mitarbeitern gingen drei, das war zu viel. "Während ich anfangs einige positive Anzeichen sah, was die Produktivität anging, sank der Umsatz nach einem Jahr Fünf-Stunden-Arbeit zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens", sagt Aarstol weiter.
Doch der Unternehmenschef beendete das Modell nicht sofort, sondern behielt die reduzierte Arbeitszeit zumindest in den Sommermonaten bei, in denen traditionell weniger Arbeit anfällt. Das habe auch gut funktioniert, so Aarstol. Dennoch: Die Firma befand sich in schwierigen Zeiten, die Umsätze waren rückläufig. Aber der Chef erkaufte sich mit diesem Kompromiss etwas Zeit, auch um neue Geschäftsfelder auszuloten. Ein "Fehler in der Buchhaltung" sorgte dann erneut für Ärger. Doch eigentlich lief es gerade wieder, als die Corona-Krise begann.
So hat die Paddle-Board-Firma überlebt
"Unsere früheren Rückschläge bedeuteten, dass wir kurz vor dem Bankrott standen, denn in der Pandemie gingen unsere Umsätze erneut stark zurück. Wir hatten erst kurz zuvor in einen Veranstaltungsraum investiert – der nun keinen anderen Zweck mehr erfüllte, als uns Geld zu kosten", sagt Aarstol dem "Businessinsider".
In diesen Städten lebt es sich weltweit am besten
Die erste Jahreshälfte 2020 traf das Unternehmen hart. Die 5-Stunden-Arbeitstage wurden abgeräumt. Im Sommer zog das Geschäft wieder an. Gerade in der Pandemie sind Outdoor-Aktivitäten gefragt, praktisch für einen Paddle-Board-Hersteller. Und einer neuer Geschäftszweig begann enorm zu wachsen: Das Unternehmen Tower verkaufte nun auch E-Bikes. Und die wurden sehr stark nachgefragt.
Das Geschäft ist inzwischen stabilisiert und Aarstol hat gelernt. Das 5-Stunden-Modell wird nun als Anreiz angeboten: Steigert das Team den Umsatz in einem Jahr, werden die Monate August bis November zum 5-Stunden-Modell reduziert.
Rückblickend sei das neue Arbeitszeitmodell ein Glücksfall für das Unternehmen gewesen, auch wenn es so, wie es anfänglich gedacht war, gescheitert ist, mein Aarstol. Denn durch die zusätzliche Zeit war es möglich, einen neuen Geschäftszweig zu entwickeln. Und die E-Bikes haben das Unternehmen durch die Krise getragen. "Der Fünf-Stunden-Tag mag bei Tower nicht von Anfang an perfekt gewesen sein, aber durch ständige Überprüfungen und Anpassungen hat er funktioniert", so Aarstol. "Vor allem aber stellte das Modell sicher, dass ich eines seiner grundlegenden Versprechen nicht brechen musste: dass die Zufriedenheit und das Wohlbefinden meiner Mitarbeiter immer an erster Stelle stehen würden."