Herr Roth, Ihr Jobtitel klingt ziemlich beeindruckend. Aber was macht ein Headhunter eigentlich den ganzen Tag? Vor dem Bildschirm sitzen und Xing und LinkedIn durchklicken?
Zunächst mal will ich mit dem verbreiteten Irrglauben aufräumen, dass wir als Headhunter dafür zuständig sind, anderen einen Job zu besorgen. Es ist andersherum: Unternehmen beauftragen uns, jemanden für eine bestimmte Position zu finden. Bei der Suche nutzen wir dann verschiedene Quellen, unter anderem auch Xing und LinkedIn. Dafür haben wir spezielle Research-Teams. Ich als Senior-Berater komme ins Spiel, wenn es um die Auswahl und die Ansprache möglicher Kandidaten geht.
Wer sind denn Ihre Auftraggeber?
Die meisten Headhunter sind auf bestimmte Branchen oder Berufsgruppen spezialisiert. Ich bin für den Bereich Technologie zuständig, vor allem für sogenannte "Hidden Champions". Das sind oft wenig bekannte Firmen aus dem industriellen Mittelstand, die in ihrem Bereich marktführend sind und spezielle Leute brauchen.
Und nach was für Köpfen jagen Sie?
Wir sind auf das Top-Management spezialisiert. Im Headhunterjargon heißt das C-Level, also CEO, CFO, COO. Wir suchen also auf der Ebene der Geschäftsführer und ein bis maximal zwei Etagen darunter.
Das ist ein sehr exklusives Feld. Wie läuft so eine Suche konkret ab?
Ein konkretes Beispiel: Neulich kam ein S-Dax-Unternehmen auf mich zu, die suchten einen Leiter Operations unterhalb der Geschäftsführungsebene. Die Aufgabe war es, jemanden zu finden, der in einem ähnlichen Branchenumfeld unterwegs ist und die Prozesse kennt. Zunächst einmal definieren wir gemeinsam mit dem Kunden ein Profil, überlegen, was realistisch ist, auf welche Anforderungen man zur Not verzichten könnte. Dann geht unser Research-Team im ersten Schritt auf die Suche nach Zielfirmen. Und erst im zweiten Schritt auf die Suche nach Kandidaten innerhalb dieser Unternehmen.
Was unterscheidet das Xing- oder LinkedIn-Profil eines Top-Managers von dem eines Normalos? Kann man sich da was abgucken?
Eher im Gegenteil. Ich habe den Eindruck, dass junge akademische Fachkräfte sich auf Xing und LinkedIn oft besser positionieren als die Top-Ebene. Manager versuchen da teilweise so eine Art Influencerstatus einzunehmen, statt konkrete Informationen zur Person zu liefern. Da steht dann ein Profilslogan wie "Make the world a better place". Das hilft mir nicht weiter, um die Person einzuschätzen und ist nicht besonders förderlich, um angesprochen zu werden.
Was ist denn generell förderlich, um im Meer der Xing- und LinkedIn-Profile herauszustechen und von Talentsuchern entdeckt zu werden?
Das Wichtigste ist die Auffindbarkeit. Die meisten denken, man findet mich schon irgendwie, aber wie denn? Wenn wir Headhunter mit der Kandidatensuche über Firmen nicht weiterkommen, setzen wir auf die sogenannte Boolesche Suche. Das heißt, wir nutzen die Freitextsuche bei Xing oder LinkedIn, um nach bestimmten Schlagworten zu suchen. Wer von einem Headhunter gefunden werden will, muss daher auch diese Schlagworte in seinem Profil stehen haben.
Welche Zauberworte sind das und wo schreibt man sie hin?
Wichtig sind Funktionstitel, aber auch branchenspezifische Schlüsselwörter. Bei Xing und LinkedIn gibt es Felder für Fähigkeiten und Kenntnisse, wo ich freie Schlagworte angeben kann. Da müssen wichtige Fachbegriffe auftauchen. Für einen Controller kann das "Forecasting" sein, für den Head of Operations "Supply Chain", für einen ITler "SAP". So kann man direkt über die Fähigkeiten, die man mitbringt, gefunden werden. Der größte Fehler besteht darin, einfach nur den Lebenslauf hochzuladen und zu denken, jetzt passiert irgendwas.
Worauf achten Sie, wenn Sie einmal auf einem Profil gelandet sind?
Die beruflichen Stationen sollten vollständig und aussagekräftig beschrieben sein. Dazu gehört nicht nur die Position, sondern auch, welche Verantwortung man hatte und was man da gemacht hat. Was viele vernachlässigen ist: über Erfolge sprechen. Dieses Projekt gemanagt, jene Kunden akquiriert. So weit es geht, Zahlen, Daten, Fakten transparent machen. So hebt man sich von anderen ab.
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Und welche Informationen kann man getrost weglassen?
Bitte keine Soft Skills. Erstens sucht danach niemand über die Schlagwortsuche. Zweitens: Jeder attestiert sich gerne, dass er empathisch und teamorientiert ist oder unternehmerisch denkt. Das hilft mir nicht weiter, so was ist Platzverschwendung.
Ist es wichtig, anzugeben, dass ich offen für Angebote bin?
Das ist mir persönlich egal. Ich spreche jeden an, der für mich interessant ist. Auch wenn jemand nicht auf der Suche ist, versuche ich ihn für die Aufgabe zu gewinnen. Ein guter Headhunter greift da nicht nach den "Low Hanging Fruits".
Sie suchen ja aber nicht nur in Business-Netzwerken im Internet, oder?
Richtig. Auf Xing und LinkedIn findet man zwar sehr viele Menschen, aber doch nicht jeden. Und manche antworten dort auch nicht auf Anfragen. Unser Job ist es daher schon auch, in Unternehmen reinzutelefonieren, um Kandidaten direkt an den Hörer zu bekommen. Das passiert meistens unter einem Vorwand, die Taktik nennt sich Cover Story Ident.

Sie sind in einer Business-Top-Liga unterwegs. Wieviele Kandidaten casten Sie für einen Job?
Im ersten Aufschlag nehmen wir 100 bis 200 Leute ins Visier. Je höher die Position, desto dünner kann das natürlich werden. Daraus machen wir eine Long List von acht bis zwölf Kandidaten, die wir ansprechen, ob sie sich das vorstellen können. In Rücksprache mit den Kunden wird daraus dann eine Short List von Leuten, die ins eigentliche Bewerbungsgespräch kommen. Häufig unterziehen wir diese Kandidaten auch einer speziellen Management-Diagnostik mit Persönlichkeitstest, kognitivem Leistungstest und Tiefeninterview.
Klingt nach einem aufwendigen Procedere. Wie reagiert jemand, der schon irgendwo Chef ist, wenn Sie dem sagen, er muss jetzt noch verschiedene Bewerbungsrunden drehen und mit Ihnen einen Psychotest machen?
Es gibt tatsächlich Top-Manager, die sich nicht bewusst machen, dass sie nur einer von mehreren Kandidaten sind, obwohl gerade sie es eigentlich besser wissen müssten. Aber die meisten Kandidaten stört es weniger, mit uns ein Assessment zu machen. Die finden das eher gut, dass da jemand ist, der den Prozess strukturiert und moderiert. Was die Bewerber weniger einsehen ist, wenn sie im Ziel-Unternehmen noch zig Gesprächsrunden mit zig Leuten machen müssen, nur weil dort aus internen politischen Gründen jeder involviert sein will. Idealerweise gibt es ein Entscheidungsgremium, zwei bis drei Gespräche und das war's.
Mit welchen Argumenten lockt man eine Person, die schon in einem Top-Job ist? Noch mehr Gehalt, noch dickerer Dienstwagen oder sind das andere Dinge?
Es ist gar nicht mal so oft der Aufstieg in eine noch prestigeträchtigere Position, der meine Kandidaten triggert. Das läuft eher über die Inhalte der Aufgabe, über Gestaltungsspielraum oder über eine Mission, die es gilt als Führungskraft umzusetzen.