Wenn ich mich in meiner Abteilung umschaue, die Leute und ihre Arbeitsergebnisse betrachte, dann frage ich mich wirklich, wie die es eigentlich hierher geschafft haben. Am Fachkräftemangel liegen diese Fehleinstellungen nicht, es gibt wirklich genug Bewerbungen. Wie kann es sein, dass Personaler so häufig danebenliegen?
Die ehrliche Antwort lautet: Weil Personalentscheidungen manchmal mehr mit dem Personaler als dem Bewerber zu tun haben. Aber das ist natürlich sehr verkürzt und in der Praxis etwas komplizierter. Denn zwischen der Erkenntnis, dass Verstärkung benötigt wird, und der Einstellung eines neuen Kollegen liegt ein Prozess mit drei entscheidenden Fragen: Wen suchen wir überhaupt? Wie stellen wir die Eignung fest, und wer entscheidet am Ende? Bei jeder einzelnen gibt es Fallstricke und Tricks, um eine Stelle erfolgreich zu besetzen. Und auch für Sie die Möglichkeit, sich als Kollege aktiv einzubringen.

Wen suchen wir überhaupt?
Am Anfang steht die Stellenausschreibung, und damit oft ein "Geister, die ich rief"-Effekt. Denn viele Unternehmen verwenden eine Vorlage für alle Einsatzbereiche: ein Absatz zur Firma, Bulletpoints zur Stelle und zu den Anforderungen, fertig. Aber wer nach Schema F sucht, wird selten die richtigen Bewerber ansprechen. Ein PHP-Programmierer braucht andere Anker als ein Marketing Manager – auch wenn sie für dasselbe Unternehmen tätig werden. Für den einen zählen harte Fakten, für den anderen vielleicht eine überzeugende Story zum Produkt.
Deswegen ist es für Personaler unbedingt ratsam, Stellenausschreibung zusammen mit dem Vorgesetzten oder den Kollegen in spe zu entwickeln. Niemand weiß besser, worauf es wirklich ankommt bei dem Job und welche Eigenschaften gefragt sind – Ihr Stichwort, um eigene Anregungen beizusteuern. Und noch etwas können Sie an die HR-Kollegen weiterleiten: den "Spirit", den Sie brauchen. Ob geduzt oder gesiezt, mit einem Kühlschrank voller Bier oder vermögenswirksamen Leistungen, einem dynamischen Umfeld oder sicheren Job geworben wird, bestimmt automatisch darüber, wer sich adressiert fühlt und bewirbt.
Wie stellen wir die Eignung fest?
Wenn sich aussichtsreiche Kandidaten beworben haben, steht die Auswahl an. Hier schnappt das zweite Mal die Standard-Falle zu. Denn häufig setzen Unternehmen auf ein einziges Recruiting-Tool. Dabei eignet sich kaum ein Auswahlverfahren für alle offenen Stellen. In Verfahren, die z.B. rein auf Gespräche setzen, haben extravertierte Menschen einen Vorteil, weil ihnen der offene Kontakt und das Improvisieren leichter fallen. Introvertierte Menschen neigen hingegen dazu, zu tief zu stapeln bzw. zu wenige ihrer Kenntnisse und Stärken zu benennen. Dabei ist ihre Gabe, sich zu vertiefen, mancherorts mehr gefragt als Schlagfertigkeit.
Statt one size Lösungen sollte für jede Stelle neu überlegt werden. Oft ist es sinnvoll, gezielte Skills abzuprüfen. Wer sich als Pressereferent bewirbt, sollte zum Bespiel in der Lage sein, in kurzer Zeit ein prägnantes Statement oder eine Pressemitteilung zu verfassen. Von der konkreten Aufgabe aus dem Arbeitsalltag bis zum Assessment Center, vom Intelligenz- bis zum Sprachtest: Es gibt unendliche viele Tools, um Bewerber auf ihre fachliche Eignung zu überprüfen. Man muss sie nur nutzen.
Wer entscheidet am Ende?
Das richtige Recruiting-Tool ist die halbe Miete. Aber eben nur die halbe… Denn schließlich kommt es auch auf die persönliche Passung an. Recruiting ist nichts anderes als ein "People-to-People Business": Es geht immer um den Kontakt zwischen Bewerbern und Auswählenden – mit allen Vorurteilen und Verzerrungen. Die Frage, welche Gefühle das Gegenüber im Personaler auslöst, welche Parallelen im Lebensweg bestehen oder Vergleiche geweckt werden, spielt eine größere Rolle im Entscheidungsverhalten, als es ihm selbst vielleicht recht wäre.
Deswegen ist es mit der Intuition so eine Sache. Sie zahlt sich nur dann aus, wenn sich der Personaler ehrlich reflektiert und selbst hinterfragt: Warum triggert mich der Bewerber? Was stört mich genau? Warum ist er mir sympathisch? Ansonsten läuft er Gefahr, sich selbst zur Entscheidungsgrundlage für Ihren nächsten Kollegen zu machen.
Tipps fürs erfolgreiche Recruiting
Lösen lässt sich das Problem, indem mehrere Personen in die Entscheidung eingebunden werden. Es müssen nicht immer ein "good cop" und ein "bad cop" im Interview sein, zumindest aber zwei Personen mit unterschiedlichen Perspektiven und einem Blick für die blinden Flecken des jeweils anderen. Vor allem, wenn es darum geht, die Lücke in einem Team zu schließen, bietet sich außerdem ein Probetag an. Das ist Ihre Chance, den Kandidaten genauer unter die Lupe zu nehmen und festzustellen, ob er in der ersten Runde nur geblendet oder wirklich etwas auf dem Kasten hat.
Jemanden kennen, der jemanden kennt
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie Sie sich in Personalentscheidungen einbringen können: Indem Sie jemanden vorschlagen. Jede dritte Stelle wird in Deutschland inzwischen über Kontakte vergeben. Meist sind das interne. Unternehmen profitieren vom Netzwerk ihrer Mitarbeiter und zahlen oftmals sogar einen Bonus, wenn ein Vertrag zustande kommt. Aber Vorsicht: Nicht, dass Sie nur noch "unter Ihres Gleichen" arbeiten oder Ihre privaten Auseinandersetzungen ins Berufsleben transportieren.
Den Bewerberpool beeinflussen kann Ihr Arbeitgeber außerdem, indem er online bei XING oder LinkedIn selbst auf die Suche nach geeigneten Kandidaten geht. Je spitzer die Anforderungen an einen Job sind, umso ergiebiger kann das sein.
Die verschiedenen Hürden und Ansätze zeigen: Personalentscheidungen hängen von vielen Faktoren ab. Erfolgreich fallen Sie immer dann aus, wenn Form und Feeling zusammenkommen. Strukturen, die dafür sorgen, dass Sie als Kollege sich von der Ausschreibung bis zur Auswahl einbringen können, schaffen gute Voraussetzungen. Wo die Einstellung nicht vom persönlichen Eindruck des Einzelnen abhängig ist, sondern im Team und im Hinblick auf die menschliche Passung entschieden wird, haben Sie Aussicht auf passende Kollegen.
