Das globale Warenhaus, in dem sich beinahe alles von heute auf morgen bestellen ließ, findet nicht mehr in den Normalbetrieb zurück. Teile Chinas werden immer wieder von strengen Corona-Lockdowns lahmgelegt. In der Nordsee stauen sich die Containerschiffe, die nicht entladen werden können. Dazu kommt Russlands Krieg, Rohstoffknappheiten, teure Energie und ein allgemeiner Trend zu weniger Globalisierung. Das Resultat sind anhaltende Lieferengpässe in vielen Bereichen.
Das werden auch die Verbraucher in der nächsten Zeit zu spüren bekommen. Der Einzelhandel rechnet noch bis weit ins kommende Jahr hinein mit Lieferproblemen, wie das Münchner ifo-Institut berichtet. Laut einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftsforscher klagten mehr als drei Viertel (75,7 Prozent) der Einzelhändler im Juni, dass nicht alle bestellten Waren geliefert werden konnten. Das sind zwar etwas weniger als noch im Mai (damals 80,1 Prozent), die Umfrage zeigt aber auch, dass sich die Probleme verfestigen.
"Weihnachten wird es Lücken in den Regalen geben"
Denn im Schnitt rechnen die befragten Einzelhändler damit, dass die Lieferprobleme noch ein Jahr – bis Mitte 2023 – andauern werden. "Auch in diesem Jahr wird es zu Weihnachten wieder Lücken in den Regalen geben", kommentiert ifo-Forscher Klaus Wohlrabe die Ergebnisse der Umfrage. "Die Lieferprobleme sind zu einem Dauerproblem für den Einzelhandel geworden."
In einigen Branchen ist die Lage dabei besonders angespannt. So berichten ausnahmslos alle befragten Fahrradhändler, dass sie aktuell Lieferprobleme haben. Auf die Frage, wie lange diese wohl noch anhalten werden, antworten die Fahrradhändler mit 18 Monaten. Das wäre dann erst nach dem Weihnachtsgeschäft 2023, sofern bis dahin nicht wieder neue Probleme auftauchen.
Auch bei elektrischen Haushaltsgeräten berichten fast alle Händler von Lieferengpässen, die sich bis weit ins nächste Jahr hinein fortsetzen dürften. Ebenfalls stark betroffen: Autohändler, Baumärkte, Möbelhäuser und Unterhaltungselektronik, bei denen etwa neun von zehn Unternehmen über Lieferprobleme klagen.
Spielwaren, Computer und Software sowie bestimmte Nahrungs- und Genussmittel bleiben ebenfalls knapp. Bei den Lebensmittelhändlern hat sich die Lage aber zuletzt etwas entspannt. Während im Mai noch fast alle von Lieferproblemen berichteten, sind es jetzt "nur" noch 77 Prozent. Von den Bekleidungsgeschäften ist nur etwas mehr als jedes zweite betroffen. Zudem rechnen die Supermärkte und die Modehändler auch mit einem vergleichsweise schnellen Ende der Lieferlücken (siehe Tabelle).
Nicht erfasst ist in der Auswertung, wie viele Produkte aus ihrem Sortiment die Unternehmen nicht nachbestellen können – und inwiefern sie diese durch Alternativen ersetzen können. Ob ein Händler nur einzelne Waren nicht anbieten kann oder ob es zu sichtbaren Lücken im Regal kommt, geben die Daten daher nicht her. Klar ist nur: Das Angebot wird knapper.
Tabelle: Lieferprobleme im Einzelhandel
Branche | Betroffene Unternehmen | Geschätzte Dauer |
Fahrräder | 100% | 18 Monate |
Elektrische Haushaltsgeräte | 98,1% | 13,7 Monate |
Kfz | 90,3% | 12,5 Monate |
Baumärkte | 90,1% | 10,4 Monate |
Unterhaltungselektronik | 88,4% | 12,3 Monate |
Möbel | 88,3% | 11,4 Monate |
Spielwaren | 80,0% | 14 Monate |
Computer und Software | 78,5% | 10,1 Monate |
Nahrungs- und Genussmittel | 77,2% | 8,2 Monate |
Bekleidung | 54,4% | 9 Monate |
Einzelhandel gesamt | 75,7% | 11,5 Monate |
Quelle: ifo Institut