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Nachrüstung von Dieselautos "Ändern die Autobosse ihren Kurs nicht, halten sie am Ende den Sargnagel an die eigene Industrie fest"

In der Dieselkrise bleiben die Fronten verhärtet. Kaum legt der Verkehrsminister technische Vorschriften für Hardware-Nachrüstungen vor, grätscht Volkswagen rein. Die Presse kritisiert dieses Taktieren scharf.

Dieselbesitzer haben auch kurz vor dem Start ins neue Jahr keine Gewissheit über Hardware-Nachrüstungen bei älteren Dieselautos. Zwar legte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Freitag technische Vorschriften für die Umbauten vor. Volkswagen aber reagierte umgehend: Der Branchenführer warnte vor einem höheren Verbrauch nach einer Umrüstung und vor negativen Folgen bei der Zuverlässigkeit der Autos: "Dies können wir als Automobilhersteller im Sinne unsere Kunden weder befürworten noch dafür haften. Deshalb raten wir von Hardware-Nachrüstungen ab."

Rückendeckung gab es sogleich vom Branchenverband VDA. Für die deutsche Presse ist das Fiasko perfekt, nachdem sich Konzerne und Bundesregierung von Dieselgipfel zu Dieselgipfel gehangelt haben. Der Dumme ist und bleibt der Verbraucher, heißt es unisono. Die Kommentare im Überblick.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Deutlicher kann man die Anfang November gefundene Einigung zwischen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und den deutschen Autoherstellern nicht torpedieren. So bleibt diese nach langem Hin und Her getroffene Vereinbarung das, was sie von Anfang an war: ein für Politik wie Branche gesichtswahrender Kompromiss. Betroffenen Diesel-Eigentümern hilft das kein bisschen aus ihrer unverschuldeten Unsicherheit. Die Frage, ob sie nachrüsten können oder sollten oder eben nicht, wird damit zu einer Glaubens- und Vertrauensfrage.

"Westfälische Nachrichten": Die Erfolgsmeldung wurde zum Rohrkrepierer. Der Minister hatte noch nicht ausgeredet, da grätschte VW dazwischen: "Volkswagen sieht die Umrüstung kritisch und rät seinen Kunden von einer Hardware-Nachrüstung ab." Andere Hersteller und der mächtige Verband VDA sprangen dem Weltkonzern sofort zur Seite. Damit hat der Urheber der Schummel-Software und Auslöser der Dieselkrise die Verhältnisse schnell wieder gerade gerückt: Die Autobauer sind zwar das Zentrum des Problems, Teil der Lösung wollen sie nicht sein. Die Politik in ihrer Inkonsequenz steht tatenlos daneben.

"Den Zeitverzug haben Verkehrsminister und Automobilindustrie zu verantworten"

"Mitteldeutsche Zeitung": Geht es im gleichen Tempo voran wie bisher, werden ihre Diesel kaum bis zum Inkrafttreten der Verkehrsbeschränkungen umgerüstet sein. Es stimmt schon: Ohne technische Vorgaben lassen sich keine Umrüstungspakete entwickeln. Und ohne fertige Technik lässt sich keine Genehmigung erteilen. Nur: Den Zeitverzug haben Verkehrsminister und Automobilindustrie zu verantworten. Sie haben blockiert. Viel zu lange ist versucht worden, Hardware-Nachrüstungen zu verhindern. Das Nachsehen haben die Autofahrer. Man lavierte sich von Diesel-Gipfel zu Diesel-Gipfel, immer in der Hoffnung, mit Luftreinhalteplänen und Fördertöpfen für Nahverkehr und Elektromobilität Verbote abwenden zu können.

"Kölner Stadt-Anzeiger": Viel zu lange ist versucht worden, Hardware-Nachrüstungen zu verhindern. Wenn die große Koalition 2019 die Wut Hunderttausender Diesel-Besitzer, die sich hinters Licht geführt fühlen, zu spüren bekommt - dann zu Recht. Mag Verkehrsminister Scheuer nun endlich Standards für die Technik vorgelegt haben: Die entscheidenden Fragen sind damit keinesfalls gelöst. Die Finanzierung ist ungeklärt. Und es gibt auch noch keine Lösung, wer am Ende haftet, wenn sich nach einer Umrüstung die Leistung des Fahrzeugs verringert, der Verbrauch steigt oder technische Probleme auftreten sollten.

"Frankfurter Rundschau": Die Bundesregierung verkauft es als einen Erfolg. Verkehrsminister Andreas Scheuer hat Vorgaben für die technische Umrüstung von Dieselfahrzeugen vorgelegt. Bei näherem Hinsehen ist die Nachricht aber nichts, was Autofahrer, denen 2019 in Städten und Ballungsräumen Fahrverbote bevorstehen, hoffen lässt. Geht es in diesem Tempo voran wie bisher, werden ihre Diesel kaum bis zum Inkrafttreten der nächsten Verkehrsbeschränkungen umgerüstet sein. Den Zeitverzug haben Minister und Automobilindustrie zu verantworten. Viel zu lange ist versucht worden, Hardwarenachrüstungen zu verhindern - das Nachsehen haben nun die Autofahrer.

"Stuttgarter Nachrichten": Endlich hat das Bundesverkehrsministerium die technischen Richtlinien für die Nachrüstung von Dieselautos veröffentlicht. Zugleich jedoch schüren die deutschen Autohersteller erneut die Verunsicherung. Bernhard Mattes, der Präsident des Branchenverbands VDA, warnt davor, dass die Hersteller keine Garantie übernehmen, falls es Probleme geben sollte, und VW rät von einer Nachrüstung ab. Dies erweckt den Eindruck, dass die Branche alles tut, um den Umbau der Autos zu torpedieren. Gerade VW hätte allen Grund, den vom Abgasskandal ausgelösten Vertrauensschaden wiedergutzumachen und dafür zu sorgen, dass die Luft in den Städten verbessert wird und Fahrverbote vermieden werden.

"Nur Handwerker oder Lieferanten können aufatmen"

"Rhein-Neckar-Zeitung": Denkbar wären Alternativangebote: Umrüsten oder deutlich billiger neukaufen. Beides aber auf Kosten der Hersteller und nicht der Steuerzahler oder der ohnehin schon geprellten Kunden. Im Übrigen liegt auch ein Interesse der Industrie darin, auf die Kunden zuzugehen. Die bisherige Mischung aus Schummelsoftware und Verweigerungshaltung führt direkt in die Innenstadtfahrverbote ab nächstem Jahr. Ändern die Autobosse ihren Kurs nicht, dann halten sie am Ende den Sargnagel an die eigene Industrie auch noch fest.

"Schwäbische Zeitung": Rechtzeitig vor dem Jahresende hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die technischen Vorgaben für die Nachrüstung älterer Diesel mit modernen Abgasreinigern vorgelegt. Damit sieht der Minister seine Aufgabe im Kampf gegen Fahrverbote als erledigt an. Doch das ist glatte Augenwischerei und wird in der unendlichen Geschichte um Abgasbetrug, Stickoxide und Fahrverbote nicht wirklich etwas nützen - weder der Umwelt noch den Autofahrern. Nur Handwerker oder Lieferanten können aufatmen, sollte es tatsächlich Mitte 2019 erste genehmigte Nachrüstsysteme geben. Denn für sie übernimmt der Bund die damit verbundenen Kosten. Millionen privater Besitzer älterer Diesel-Modelle lässt die Bundesregierung weiterhin im Regen stehen. Sie müssten nach heutigem Stand der Dinge selbst für einen modernen Kat aufkommen.

sos AFP DPA

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