Lerntipps vom Profi
Nachhilfe-Experte erklärt, wie Sie Ihre Kinder zu besseren Schülern machen
Sehen Sie im Video: Nachhilfe-Experte erklärt, wie Sie Ihre Kinder zu besseren Schülern machen.
Hi, ich bin Florian Saul, Video-Redakteur beim stern und ich unterhalte mich heute mit Fredrik Harkort. Er ist Nachhilfe-Experte und Mitbegründer des Nachhilfe Unternehmens Cleverly. Und er erzählt uns heute, was aus seiner Perspektive Kindern dabei hilft, bessere Schüler zu werden. Hallo Frederik.
Hallo. Ich grüße Sie, Florian.
Ja, fangen wir doch an. Die erste Frage: Man lernt ja häufig am Schreibtisch, im Kinderzimmer. Und worauf sollte man beim Schreibtisch besonders achten, damit ein Kind gut lernen kann?
Ich glaube generell, und das merken wir immer wieder, wir müssen uns darüber bewusstwerden, dass Kinder genauso wie wir Erwachsenen einen eigenen Raum zum Arbeiten oder im Fall der Kinder zum Lernen brauchen. Also wir müssen den Kindern einen Lern-Raum schaffen. Das ist eben ein abgeschlossener Raum, der zum Lernen betreten werden kann und wo sonst wenig anderes passiert, also kein Mittag gegessen wird oder Hunde durcheilen oder laute Musik oder Diskothek passiert. Also einen eigenen Raum. Das war der erste Punkt. Und der zweite Punkt ist, ein dezidierter Schreibtisch für mein Kind, für meine Tochter, mein Sohn, der dann auch idealerweise zum Lernen befreit ist, von allen anderen Dingen, die vielleicht vor oder nach dem Lernen auch auf diesem Schreibtisch passieren. Und wenn uns das gelingt, ein Lern-Raum und ein freier Schreibtisch und keine Ablenkungens-Quellen, dann ist das eigentlich die ideale Basis, um gut vorbereitet in den Lernprozess zu gehen.
Mit Raum meinst du nicht ein Raum wie ein Büro, mit vier Wänden, sondern einen einen bestimmten Bereich?
Idealerweise einen echten eigenen Raum, wo man tatsächlich eine Tür zu machen kann, also einen echten physischen Lern-Raum. Und wenn das nicht möglich ist, was ja manchmal der Fall ist, dann zumindest eine ruhige Ecke in einem Zimmer.
Gehen wir mal davon aus, der Schreibtisch steht im Kinderzimmer. Was sollte man dann, etwas böse formuliert, auf jeden Fall da verbannen, damit es mit dem Lernen besser klappt?
Ja, lernen hat ja auch ganz viel mit dem sich auf etwas konzentrieren zu tun. Das heißt, was wir als Eltern versuchen sollten zu eliminieren, sind alle Formen von Ablenkungsquellen. Das können logischerweise Audio-Ablenkungsquellen sein. Das können aber auch Themen sein, dass auf dem Schreibtisch noch das Comic oder das Lieblingsbuch oder gar das Handy oder ein Computer liegt. Also Dinge, die im Grunde unsere Kinder davon abhalten, sich auf das zu fokussieren um was es jetzt dann in dieser Zeitspanne, begrenzten Zeitspanne geht, nämlich das Lernen, das Lösen einer Aufgabe oder das Lernen eines gewissen Stoffes. Und alles andere sollte wirklich weg sein.
Nun lenken ja nicht nur Gegenstände und Hefte ab. Es können auch emotionale oder andere Faktoren das Kind irgendwie daran hindern, vollständig bei der Sache zu sein oder gut zu lernen. Welche Faktoren sind das denn? Also was kann ein Kind da am Lernen hindern und was für Hilfsmittel kann man dem Kind an die Hand geben, um damit fertig zu werden beziehungsweise sich richtig zu konzentrieren?
Ja, wenn wir im ersten Schritt so ein bisschen über den Lern-Raum gesprochen haben, also etwas Physisches, ist das zweite eigentlich etwas Mentales. Also wir müssen schauen, dass unser Kind in der Lage ist, dass wir es in den Zustand versetzen, einen freien Kopf zu haben. Ich arbeite da ganz gerne mit der sogenannten „Gedankenkiste“, das heißt, wir setzen uns mit dem Kind hin und sagen: „Lass uns doch jetzt mal auf einem Zettel all das zu aufschreiben, was dir momentan im Kopf rumschwirrt.“ Und das ist eine Menge – von „Wann darf ich heute Fernsehen schauen?“ bis „Wann darf ich mal wieder meinen besten Freund besuchen?“ Bis hin zu emotionalen Sachen wie: Heute in der Schule hatte ich folgenden Konflikt mit einer Mitschülerin. Und diese ganzen Sachen aufzuschreiben, bevor wir in den Lernprozess gehen und die in die sogenannte Kiste zu tun. Eine echte Kiste, die wir dann verschließen, um sie nach dem Lernprozess auch wieder öffnen zu können und dann damit zu arbeiten. Dadurch erlauben wir es eigentlich dem Kind, sich wirklich zu fokussieren, zu konzentrieren. Und das Schöne ist: Konzentration ist wie ein Muskel. Wenn wir dem den Raum geben und das immer wieder machen, dann wird er auch besser. Und deswegen ist diese „Gedankenkiste“ eigentlich ein ganz gutes Hilfsmittel. Wir merken in der Arbeit mit den Kindern, dass das Thema Gefühle und Emotionen ganz oft viel zu kurz kommt. In der Schule wird das nicht thematisiert. Wie geht es dir? Fühlst du dich gerade sicher? Hast du vielleicht Prüfungsangst? Also das Thema Gefühle findet da keinen Platz. Und wenn jetzt die Kinder zu uns nach Hause kommen, ins Elternhaus und das findet wieder keinen Platz und es geht nur um: „Konzentrier dich jetzt, mach deine Hausaufgaben, lerne jetzt bitte!“ Dann finden diese großen Emotionen, die Kinder haben, überhaupt keinen Raum. Was wir stark empfehlen würden, ist auch vor dem Lernen, vor den Hausaufgaben, dass die Bezugspersonen, der Vater, die Mutter, wie auch immer, sich wirklich 15 Minuten Zeit zu nehmen, um einfach nur über Gefühle zu sprechen. Und wenn wir das gemacht haben, dann ist das aus der Welt für den Moment. Und dann können wir reingehen ins Lernen. Und das ist, glaube ich, ganz, ganz entscheidend. Wir sollten alle uns mehr Zeit nehmen, um mit unseren Kindern über ihre Gefühle zu sprechen, weil die sind so groß und mächtig und so wichtig und finden so wenig Platz im Leben. Und dann kann auch ein Lernen nicht funktionieren.
Man kann, wenn man eine gute Note unbedingt will, natürlich auch sehr, sehr viel lernen. Sagst du, es gibt eine Obergrenze an Zeit pro Tag, die man investieren sollte?
Ich glaube generell diese Druck-Betankung im Lernen ist eine ganz schlechte Lösung. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass wir 80 % dessen, wenn wir unter Druck-Betankung lernen, also in kurzer Zeit unglaublich viel, wieder verlieren. Nach sieben Tagen haben wir es schon wieder vergessen. Und das kann natürlich nicht sinnvoll sein. Deswegen der Tipp, den ich an der Stelle eigentlich immer gebe: Es länger vorausplanen. Und wenn ich jetzt zum Beispiel weiß, ich habe eine Prüfung in einem Monat, dann reden wir da von der „viermal Wiederholung“. Das bedeutet den Stoff, den ich in einem Monat können muss, damit fange ich jetzt an und lerne den heute zum ersten Mal. Morgen wiederhole ich den dann nochmal nach einer Woche und dann noch mal kurz vor der Klausur. Und das ist der perfekte Lernplan, um dann tatsächlich alles für die Prüfung zu wissen. Es aber auch nicht gleich wieder am nächsten Tag zu vergessen.
Ich erinnere mich aus meiner Schulzeit noch dran, dass bestimmte Klassenkameraden eine Belohnung bekommen haben, bei guten Noten und eventuell eine Bestrafung bei schlechten Noten. Fördern die das Lernen oder macht das die Sache eher noch schwieriger?
Macht die Sache eindeutig schwieriger. Ich glaube, wenn wir über das Lernen sprechen, und das hören wir immer wieder, auch von den Eltern, mit denen wir zusammenarbeiten, die sagen: „Ach, mein und meinem Kind fehlt es an Lernmotivation, wäre er nur motivierter.“ Das ist natürlich ein großes Thema, weil wie motiviert man einen 14-Jährigen dazu, zu lernen und nicht zu zocken? Und da ist es natürlich das Naheliegende zu sagen, über Belohnung oder Bestrafung. Das Problem ist aber mit Belohnung oder Bestrafung, das ist etwas, was von extern kommt. Das heißt, das wird aufgestülpt aufs Kind und hat daher nur eine sehr kurze und nicht sehr durchgreifende Wirkung. Was wir eigentlich schaffen müssen, ist, im Bereich der Lernmotivation, unsere Kinder intrinsisch zu motivieren. Wie motivieren wir unsere Kinder intrinsisch? Zum einen, indem wir tatsächlich ihnen versuchen näherzubringen, was der Sinn dessen ist, was wir machen. Schwierig aber sollte man probieren. Und das Zweite ist, wenn wir über Belohnung nachdenken, dann eher eine Belohnung, die dann ein gemeinsames Erlebnis beinhaltet. Das heißt, wenn wir jetzt das Fahrrad als Belohnung nehmen, lieber nicht ein Fahrrad schenken, wenn er eine gute Note schreibt, sondern lieber eine gemeinsame Fahrradtour machen, wenn die Note gut ist. Und dann wird dieses gemeinsame Erlebnis, und das ist das Wichtige, dann so viel stärker verbunden mit dem Lernerfolg als ein kurzfristig haltendes Geschenk. Und generell noch mal zum Thema der Lernmotivation, die intrinsisch kommen sollte. Über kleine Etappen-Erfolge, die sozusagen die Schülerin oder der Schüler sich selbst aufbaut, kommen wir dann dahin, dass es tatsächlich eine Motivation ist, die von Innen heraus kommt. Und genau das wollen wir ja.
Jeder kennt aus seiner Schulzeit den berühmten Rotstift und dass Fehler aufgezählt und nummeriert werden. Müssen Kinder nicht Fehler machen, um auch anständig lernen zu können und aus den Fehlern zu lernen?
Fehler sind großartig! Fehler sind die großartigste und beste Chance, um etwas zu lernen. Ohne Fehler haben wir nie die Chance, was dazuzulernen. Und insofern versuchen wir im Umgang mit unseren Kindern eben weg von dem Rotstift und von dem „falsch“ zu kommen, sondern zu sagen: „Oh wow, du hast einen Fehler gemacht, super, lasst uns mal zusammen draufschauen und gucken, wie wir da noch dran arbeiten können, um daraus jetzt was zu lernen.“ Deswegen würde ich auch Eltern empfehlen kein Rot zu nutzen oder „F“ zu machen. Was wir da machen ist so ein Kringel mit dem Grünstift, ein Kreis, und dann hat man gemeinsam eine Chance diesen Kreis zu schließen – mit einem grünen Kreuz. Und dann hat man sozusagen da wieder was gelernt. Und das unterstützt dann im Grunde auch die Kinder, dass sie sich nicht grämen und ihr Handeln immer nur auf so wenig Fehler wie möglich zu optimieren. Wenn ich Fehler mache, lerne ich was. Und ich will ja lernen. Und damit ist ein Fehler eigentlich was richtig Gutes. Und da müssen wir eigentlich hinkommen.