Es waren die Leser. Immer wieder riefen sie an, schrieben, mailten. Nach Reportagen über durch Fluten zerstörte Dörfer, vergewaltigte Frauen im Krieg oder arme Kinder im reichen Deutschland, die nicht wussten, woher sie ein warmes Essen nehmen sollten. Es waren die Leser, die nach den großen Reportagen und den kleinen Geschichten, nach Bildern, die sie nicht vergessen konnten, von den Journalisten wissen wollten, wie es nun weitergehe, und sagten, dass man doch nicht nur lesen und schauen dürfe, sondern auch etwas machen müsse. Es waren die Leser, die die „Stiftung stern – Hilfe für Menschen“ auf diese Wei se initiiert haben. Weil sie immer wieder nachfragten und weil sie wollten, dass wir, die stern-Reporter, Hilfe dahin bringen, wo wir selbst gewesen waren und gesehen hatten, dass diese Hilfe nötig ist und wie sie sorgfältig verwendet werden kann.
Aber was machen Sie mit 1000 Lesern, die das Milchgeld für den kleinen Paul bezahlen wollen, der mit seiner Familie auf die Obdachlosenspeisung angewiesen ist? 999 Leser anrufen und sagen, dass Paul sein Milchgeld jetzt hat? 999 andere Pauls suchen, die in einer ähnlichen Situation leben? Wie bringen Sie Geld für misshandelte Frauen in ein umkämpftes Gebiet, aus dem Sie gerade wieder ausgereist sind, um über misshandelte Frauen zu berichten? Wir sind Journalisten, keine Sozialarbeiter, keine Entwicklungshelfer, wir betreiben keine Krisenintervention. Aber welchen Sinn hat Berichterstattung über Hunger, Not, über Kriege und Katastrophen, wenn sich danach nichts ändert? Warum erzählen wir Geschichten?
Es war ein Team um die beiden damaligen stern-Chefredakteure Thomas Oster korn und Andreas Petzold, das 2004 den Verein „Stiftung stern – Hilfe für Menschen“ ins Leben rief. Osterkorn, heute Chefredakteur der Zeitschrift „viva!“ und immer noch Mitglied der Stiftung, wollte sich auf das besinnen, was der stern kann: „Wir wollten den Lesern Antworten geben können. Wir wollten ihnen ermöglichen, auch kleine Projekte direkt zu unterstützen, wir wollten ihnen konkret erzählen, wie Hilfe organisiert ist und wie sie funktionieren kann. Und wir wollten den Umgang mit Spendengeldern der Leser professionalisieren: inhaltlich, juristisch, steuerrechtlich.“ Und es war ein Pastor aus HamburgJen feld, der vor zehn Jahren das Mädchen Jes sica zu Grabe trug. Jessica, 7, verhungert in einem abgedunkelten Zimmer in Hamburg, in dem sie ihr kurzes Leben verbringen musste, vernachlässigt und misshandelt von ihren Eltern, die selbst nie gelernt hatten, was ein Kind zum Leben braucht.
Pastor Thies Hagge wollte etwas ändern. Er eröffnete gemeinsam mit Bernd Siggel kow, dem Gründer des Kinderhilfswerks „Arche“ in Berlin, und dem Sozialarbeiter Tobias Lucht die „Arche“ in Hamburg. Die Stiftung stern unterstützte das Projekt mit Spenden. Seit dem Jahr 2005 kamen fast eine halbe Million Euro zusammen. Tausende Kinder und Jugendliche haben seit dem in der Arche Zuflucht gefunden und Ermutigung, Ansporn und Trost. Am Sonntag feierten fast 1000 Gäste in der Hamburger Markthalle den zehnten Geburtstag der Hamburger Arche. Von dem Satz, dass sich ein Journalist mit keiner Sache gemein machen darf, auch nicht mit einer guten, hielt Stiftungsvorstand Osterkorn schon zu aktiven Reporterzeiten nicht besonders viel. „Es gibt eine stern-Tradition, die Henri Nannen in den 70er Jahren begründet hat, tief erschüttert von dem Leid hungernder Kinder in Äthiopien“, sagt Osterkorn.
Für die Aktion „Rettet die Hungernden“ spendeten Verlag, Firmen und Leser damals 18 Millionen Mark. „Wir machen keine Reportagen mit dem Ziel, Spenden zu sammeln“, sagt Osterkorn. „Aber wir ermuntern unsere Reporter, wenn sie vor Ort sind, sich nach geeigneten Pro jekten umzusehen, bei denen das Spenden geld unserer Leser sinnvoll angelegt ist. Es gibt viele Menschen, die möchten einzelne Projekte fördern und wissen, was daraus geworden ist.“ Insgesamt unterstützte die Stiftung stern Hilfsprojekte in aller Welt mit fast 7 Millio nen Euro, davon 2,8 Millionen für Familien und Kinder in Not. Es sind die Leser, die das möglich machen. Immer wieder rufen sie an, schreiben, mailen: dass man nicht nur lesen und schauen darf, sondern etwas ändern muss.