KOLUMNE: SEXGEFLÜSTER Den Geheimnissen der Pornoecke auf der Spur

Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstadtmänner in den Pornoabteilungen der Videotheken. Erotik-Kolumnistin Hannah Garbaty untersucht ein Mysterium der besonderen Art.

Es sind Binsenwahrheiten und doch ist es mir ein Bedürfnis, sie an den Beginn meiner Kolumne zu setzen: 1. Auch Frauen sind durch optische Reize erregbar. 2. Frauen wissen, dass es Pornos gibt und wo man sie bekommt. 3. Frauen leihen sich manchmal Pornofilme aus und genießen sie ? wenn auch nicht unbedingt die gleichen wie die Männer.

»Ja und?!«, werden Sie sich jetzt verständnislos fragen. »Was will uns die Garbaty damit sagen?« Ganz einfach: Ich habe ein Mysterium entdeckt, das in mir den Verdacht schürt, viele Herren der Schöpfung können mit diesen Tatsachen ganz, ganz schlecht umgehen.

Alles begann, als ich gemeinsam mit meiner besten Freundin die Pornoabteilung einer Videothek heimsuchen wollte, um ihr einige wirklich megaheiße Filmchen zu empfehlen. Ihr Liebster war im Urlaub und sie hatte schlichtweg Lust, sich bei einem anheizenden Film einige schöne Stunden zu machen. Allein. Leider hatte sie keine Ahnung, welche Streifen auch für Frauen aufregend sind. Ich schon.

Natürlich sind wir Weiber genauso neugierig auf Pornografisches wie die Vertreter des starken Geschlechtes und wir lieben es auch genauso, aus dem Zuschauen Erregung zu ziehen. So habe ich mir schon vor geraumer Zeit diverse Filmchen ausgeliehen, um auszuprobieren, inwieweit sie mich inspirieren. Allerdings griff ich ziemlich blindlings in die Regale und musste feststellen, dass die meisten Werke nicht unbedingt mit phantasievollen Inhalten glänzen: Blasen - Ficken von vorn - Ficken von hinten - Ficken von oben - Ficken von unten ? Ficken von der Seite ? Sperma auf die Brust ? Lesbenspielchen ? Gruppensex ? Sperma ins Gesicht.... Schnarchgähn! Die fortwährende großformatige Genitalparade rief in mir jedenfalls nicht mehr als ein gewisses pathologisches Interesse hervor und so war klar: Blindlings ist nicht. Ich muss schon etwas genauer suchen, wenn ich auf meine voyeuristischen Kosten kommen will. Ich schaute also aufmerksamer hin und entdeckte wirklich einige Streifen, die auf das wunderbarste mein Höschen nässten.

Nun betrat ich gemeinsam mit meiner Freundin die entsprechende Abteilung. Sechs Männer tummelten sich hier bereits, doch wir hatten kein Problem damit, die einzigen Frauen zu sein. Allerdings peitschte uns angesichts der findigen Filmtitel schnell die pure Freude und wir machten uns gegenseitig leise auf Perlen wie »Der Fickaro ? Schneiden, Scheren, Ficken«, »Die vollgeschleimte Busenspalte«, »Fick ahoi« oder »Frau Dr. M.Öse ? Ärztin für Fickologie« aufmerksam.

Plötzlich stellten wir fest, dass wir ganz allein waren. Die anwesenden Herren hatten sich in Windeseile verdrückt.

Wir waren irritiert. Sollte das ein Zufall gewesen sein? Oder gelten in Pornoabteilungen ungeschriebene Gesetze, z.B. ein Schweigegebot und dass man den Organen, die sich einem von den Covern her entgegenstrecken, in Ehrfurcht und stiller Demut gegenüberzutreten habe? Hatten wir mit unseren Freudenbekundungen versehentlich zartbesaitete Männerseelen verletzt? Oder lag es vielleicht einfach nur daran, dass wir Frauen waren? Wir beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Zunächst gestaltete sich unsere Forschungsarbeit jedoch schwierig, denn obwohl wir nun nicht mehr kicherten, blieben wir in der Abteilung auch weiterhin allein. Natürlich strömten nach wie vor Herren durch die Pforte, doch sobald sie uns erblickten, stoppten sie vor dem erstbesten Regal, schauten möglichst desinteressiert drein und drehten schnell wieder ab. Dieses Spielchen beobachteten wir eine halbe Stunde, dann verließen wir die sündige Stätte. Wer beschreibe unser Erstaunen, als wir sahen, dass sich die »desinteressierten« Herren alle noch in der Videothek aufhielten und sehnsuchtsgepeinigt vor Regalen in unmittelbarer Nähe der Pornoabteilung herumlungerten! Nun kannte unsere Neugierde natürlich keine Grenze mehr. Wir brachten die ausgeborgen Filme schnell ins Auto, machten auf dem Absatz kehrt und betraten wieder das Allerheiligste. Und wirklich! Es herrschte emsiges Treiben!

Keine 5 Minuten später waren wir wieder allein. Aha! Fluchtgrund war also eindeutig unser Frausein.

Ungläubig wiederholten wir die Aktion auch in anderen Videotheken ? immer mit dem gleichen Ergebnis.

Was war passiert? Ich hatte eine Idee: Die schüchternen Geschöpfe fühlten sich durch unsere geballte Weiblichkeit schlichtweg gehemmt ? schließlich waren wir zu zweit. Und wer kann schon in wonniglicher Masturbationsvorfreude schwelgen und die schwere Entscheidung zwischen »Betty im Spermaglück« und »Der mit dem Sperma tanzt« treffen, wenn gleich zwei attraktive Frauen aus Fleisch und Blut daneben stehen?

Natürlich musste ich noch herausbekommen, ob ich Recht hatte. Also tobte ich anschließend auch ganz allein durch die Pornoabteilungen. Ich probierte einige Variationen aus: weiblich im Kleid und burschikos in Jeans, jede Menge Abstand lassend und ganz nah, den Herren vertrauenheischend ins Gesicht sehend und jeden Blickkontakt vermeidend...

Das Ergebnis? Wollen Sie es wirklich wissen? Na gut: Ich war auch solo Fluchtmittel genug.

Nun weiß ich natürlich nicht, ob die Herren nur entschwinden, wenn gutaussehende Frauen in »ihre« Domäne einbrechen oder ob sie sich auch bei Oma Kaluschke und Helga Feddersen eilig zurückziehen würden.

Und ich habe noch kurz daran herumüberlegt, ob vielleicht jeder Vater seinen Sohn anlässlich des 18. Geburtstages zur Seite nimmt und ihm ernst erklärt, dass ein aufmerksamer, rücksichtsvoller Kavalier eine Dame immer allein und ungestört in der Pornoabteilung stöbern lassen muss (nur so könnte ich mir das Phänomen des geschlossenen Rückzugs erklären). Aber ich glaube nicht.

Was also ist los? Halten Männer uns Weiber immer noch für ausschließlich romantikorientiert? Schämen sie sich für ihr Bedürfnis nach handgreiflicher Eigenliebe und ihre Phantasien? Allerdings wissen wir doch längst, dass die verfilmten Träume wie »Gigantische Besamung 1-13« nichts mit dem zu tun haben, was ein verliebter Mann der Frau seines Herzens angedeihen lässt. Es ist auch kein Geheimnis, dass Frauen sich von Pornos angesprochen fühlen ? einige sogar von den ganz harten. Und dass sie sich beim Zuschauen nicht immer nur mit dem Geliebten, sondern oft auch ganz allein mit sich vergnügen. Ist doch eigentlich ganz normal, oder?

Bevor nun einige Videothekenbetreiber auf die Idee kommen, getrennte Aufenthaltszeiten für Männer und Frauen einzuführen, möchte ich das starke Geschlecht ermutigen: Wenn wir in der Pornoabteilung auftauchen, nehmt uns einfach als das hin, was wir sind: Menschen mit Sexualtrieb. So wie Ihr. Also gibt es keinen Grund davonzulaufen!

In freudiger Erwartung auf Ihre Meinungen und Abenteuer verbleibt bis zur nächsten Woche

Hannah Garbaty

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