SEXGEFLÜSTER Interruptives...

...oder: Was so alles Schuld daran sein kann, dass sich die Lust in Luft auflöst. Erotik-Kolumnistin Hannah Garbaty verbreitet sich über diverse Unsäglichkeiten, die der Lust in Windeseile den Todesstoß versetzen.

Die Lust ist ein Sensibelchen. Wahrscheinlich kann jeder sinnliche Mensch manch Liedlein darüber schmettern, wie eine unangebrachte Bemerkung/ eine falsche Bewegung/ eine ausgeleierte Unterhose und ähnliche Interruptiva den Lustpegel von vielversprechenden 97 auf ernüchternde minus 20 heruntertrieben.

Ich erinnere mich an ein Erlebnis, mit dem sich das Thema One-Night-Stand für mich endgültig erledigt hatte und das mir bis heute die Lachtränen in die Augen treibt:

Ziemlich heiß, tobte ich mit meiner besten Freundin in eine einschlägige Diskothek und hatte den festen Vorsatz, mir ein Objekt der Begierde zu greifen. Schon monatelang war ich gezwungen, mich ausschließlich mit mir selbst zu vergnügen und obwohl Onanie je bekanntlich Sex mit dem Menschen ist, den man am meisten liebt, dürstete es mich mittlerweile wie wild und verrückt nach einem Fremdmenschen ? männlich, appetitlich und geil.

Jedenfalls dauerte es nicht lange und ich fand mich hoffnungsfroh in der schönsten Knutscherei wieder. Der Kerl roch unverschämt gut, konnte noch besser küssen und ich war also wild entschlossen, ihn mir zu gönnen. Ich dachte nur so könne ich verhindern, dass ich in der nächsten Zeit zur Jungfrau mutierte, weil ich langsam aber sicher wieder zuwuchs.

Gedacht, getan. Die Fahrt im Taxi war schon sehr vielversprechend und steigerte meine Vorfreude ins Unermessliche.

Doch kaum hatten wir meine Wohnung betreten, ließ der junge Mann abrupt von mir ab. Er stellte sich einfach mitten im Zimmer auf und entkleidete sich - kommentarlos, konzentriert, schnell und äußerst unerotisch. Ich schaute mir sein Treiben an und gab in meiner Verwirrung nur ein ironisches »Zieh Dich ruhig aus« von mir. Leider verstand er diese Ironie nicht. Als die Hüllen gefallen waren, sah er mich triumphierend an und wollte offensichtlich bewundert werden. Ich konnte allerdings keinen rechten Grund dafür entdecken und flüchtete mich ins Bad. Dort saß ich einige Zeit auf dem Klo und überlegte, ob ich eigentlich noch wollte. Na gut, rang ich mich durch, man darf nicht kleinlich sein. Er fühlt sich eben bei mir wie zu Hause und in seinem Körper wohl. Ist ja was Schönes, eigentlich.

Also verließ ich das Bad und suchte ihn. In der Küche wurde ich fündig. Herzchen hatte sich seine Zeit inzwischen an meinem Kühlschrank vertrieben. Da stand er splitterfasernackt, mampfte eine Wiener, die genauso aussah wie das Teil zwischen seinen Beinen und trank dazu Milch ? den Mund noch voll Wurst und direkt aus der Flasche. Klasse! So hatte ich mir das mit der Appetitlichkeit eigentlich nicht vorgestellt. Als er mich musterte und mir mit vollem Mund ein frustriertes »Du bist ja immer noch angezogen!« zuwarf, was es endgültig vorbei. Ich konnte nur noch ein halbwegs freundliches »Haselocke, ich finde, Du solltest Dich jetzt anziehen und gehen!« hervorstoßen, bevor ich ihm seine Sachen in die Küche warf und die Wohnzimmertür von innen zumachte. Haselocke verstand die Welt nicht mehr, beschimpfte mich mit »dummer Kuh« und ähnlichen Nettigkeiten und zog von dannen. Kaum war ich allein, bekam ich einen Lachkrampf. Am nächsten Tag kaufte ich mir meinen ersten Vibrator.

Dann war da noch Gerd. Wir hatten erst einmal miteinander geschlafen, sehr vorsichtig, aber auch irgendwie schön. Ich begann gerade, mich seelisch-moralisch auf eine festere Kiste einzustellen, da erstickte er das zarte Pflänzchen meines Triebes mit einer einzigen Äußerung. Wir lagen also im Bett und schmusten herum. Da er anscheinend zu den Männern gehörte, die mich dem einen Drittel Frauen zuordnete, das allein durch Penetration einen Orgasmus bekam, wollte ich ihn in dieser Nacht aufklären und ihm zeigen, wie er mir wirklich Wonnen verschaffen konnte. Doch dazu kam es nicht, denn plötzlich, unerwartet und für alle Beteiligten viel zu früh stieß er hervor: »Du willst doch, dass ich Dich jetzt in den Arsch ficke, oder? Los, sag es. Ich soll Dich jetzt in Deinen schönen, breiten Arsch ficken.«

Zuerst hoffte ich, ich hätte mich verhört. Vergebens. So habe ich nie erfahren, ob sein Anliegen ernst gemeint war oder ob er sich nur verbalerotisch aufheizen wollte. Ich hatte zwar noch kurz überlegt, ob ich seinen Allerwertesten vielleicht mit einem Besenstiel verwöhnen sollte, verwarf diesen Gedanken jedoch schnell wieder und erdete die Angelegenheit. Kurz und schmerzlos.

Freunde erzählten mir von anderen Interruptiva. Von Damen, die ihr Körperchen zwar äußerlich in nette Kleider gehüllt hatten, doch darunter ihren Lieblingsslip von 1980 trugen. Von Herren, die der festen Überzeugung waren, dass sich der Säureschutzmantel ihrer Haut in Wohlgefallen auflöst, wenn sie sich öfter als alle drei Tage waschen. Von Mädels, die ihre Leidenschaft für 50er-Jahre-Filme outeten, indem sie kurz vor dem Orgasmus fortwährend und sehr laut »Du Schuft!« riefen. Und so weiter und so fort.

Wenn wir also zur Erfüllung kommen möchten, egal ob wir uns gerade in der Disco ein verheißungsvolles Geschöpf eingefangen haben, in einer fester Beziehung leben oder auf dem Weg von der Arbeit spontan in zwei Augen blicken, die freudvoll mit »Nimm mich! Jetzt!« drohen, dann sollten wir all unsere Sinne ausfahren und uns sehr, sehr feinfühlig der Sache selbst nähern. Manchmal ist eben Schweigen wirklich Gold. Und die neue Eroberung muss nicht unbedingt sofort in die tiefsten Abgründe blicken oder mit Verhaltensmustern konfrontiert werden, die Mama ihm zwar beigebracht hat, das Mäuschen jedoch eher weniger würdigen kann.

Apropros Mäuschen: So viel Toleranz ich auch für Paare aufbringe, die sich gegenseitig mit »Mausebärchen« und »Schmatzipuffer« benamsen ? meinen die wirklich, dass diese debilen Verniedlichungen der Erotik zwischen Mann und Frau zuträglich sind? Na ich weiß ja nicht... Mich jedenfalls törnt es gnadenlos ab, wenn ich gleich nach dem ersten Kuss »Du kleines Schmusibusilein« ins Ohr geflüstert bekomme, und sei es noch so lieb gemeint.

Außerdem finde ich, wir sollten so leben, dass wir ständig auf das Schönste vorbereitet sind, schließlich kann die Gelegenheit zu einem lustvollen Ereignis überall und immerzu lauern. Wehe, wenn dann der ehemals orange Frottéslip zum Vorschein kommt, den wir uns von unserem ersten Taschengeld gekauft haben...

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin glühende Verfechterin des Spruches »Erlaubt ist, was beiden gefällt«. Und wen weder eine graumeliert-geblümte Unterwäsche noch ein »Eierschnuckilein«, weder eine rasant-sachliche Entkleidung noch männlich-herber Schweißgeruch stört, der solle damit glücklich werden. Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen Dirty Talking, anale Freuden oder sonst welche Spielerchen. Doch es gehört zu meiner festen Überzeugung, dass man sich im Vorfeld sehr aufmerksam und sehr vorsichtig aneinander herantasten und sich vergewissern sollte, ob man wirklich die Freude hervorruft, die man erhofft.

Jedenfalls hab ich noch nie gehört, dass jemand, der derart ins Fettnäpfchen gegriffen und die Lust seines Gegenübers abgewürgt hat, eine zweite Chance bekam. Und warum schon die erste im Keim ersticken?

In freudiger Erwartung auf Ihre Meinungen und Abenteuer verbleibt

Hannah Grabaty

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