SEXGEFLÜSTER Reden ist Silber - machen ist Gold!

Kolumnistin Hannah Garbaty über die Schwierigkeiten, einem neuen Objekt der Begierde geschickt klarzumachen, was man sich im Bett wirklich wünscht.

Wir sind frisch verliebt. Da sitzen wir uns gegenüber und lernen uns kennen. Erzählen, erzählen und erzählen. Reden über alles: Wie wir damals in der 5. Klasse den dicken Bernd davon abgehalten haben, einen Frosch aufzublasen, dass wir schon im zarten Alter von 15 Jahren zum ersten und einzigen Mal verlobt waren und wie wir 1982 bei einem Tramp-Umfall beinahe gestorben wären... Kein Thema ist zu uninteressant, kein Wort ist zuviel. Dabei schauen wir dem Objekt unserer Begierde innig in die Augen und schwelgen in aufgeregter Vorfreude auf das, was nach dem Reden kommt: der erste Sex. Wir stellen uns vor, dass wir im Bett wie von Zauberhand im völligen Gleichklang der lustvollen Empfindungen miteinander verschmelzen, dass uns das geliebte Wesen instinktiv mit all unseren Vorlieben und Abneigungen erkennt und wir einfach nur phantasmagorisch glücklich miteinander sind... Haha.

Das Erwachen kann grausam sein, denn wir können eben nicht erahnen, wie wir den Menschen, der unser Herz zum Hüpfen bringt, zu orgiastischen Freudensprüngen bringen können. Wir wissen nicht, wann, wo, wie lange, wie fest und in welcher Stellung er angefasst/geküsst/geleckt/massiert/geliebt werden möchte. Und im Gegensatz zu den ersten sexuellen Erkundungstouren der Jugendzeit, in der wir uns selbst ja noch nicht allzu gut kannten, ist uns nach all den Jahren genussträchtigen Liebeslebens nur allzu klar, was unser eigenes Körperchen braucht. Also hilft nur Kommunikation ? theoretisch ist das keine Frage. Doch praktisch ist es für die meisten Leute leichter, bunte Muster in eine Treppe zu beißen, als beim Sex geschickt rüberzubringen, was sie sich wirklich wünschen. Und die Betonung liegt auf dem Wörtchen »geschickt«.

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Ich selbst kommuniziere am liebsten ohne Worte. Ich versuche, Mund und Hände des Liebsten dorthin führen, wo ich sie haben möchte. Ich entwinde mich zärtlich-unauffällig, wenn mir etwas nicht gefällt. Ich zeige durch Lautvariationen, wie sehr mir bestimmte Spielchen wohl tun. Doch diese Art der Verständigung hat auch ihre Tücken.

Da war zum Beispiel Robert. Robert gehörte überraschenderweise zur Fraktion derer, die Sex als Hochleistungssport betreibt. Und so wurde ich gedreht und gewendet und gerollt und gestülpt und dachte immer nur »Wo ist es denn jetzt?« Als er auch noch begann, mir mit heiserer Stimme knappe Befehle zu erteilen, wo ich mein Bein hinzulegen hätte und wann ich mich wie auf ihn setzen sollte, erwachte ich aus meinem Schock. Nicht mit mir ? ich wollte eigentlich etwas anderes empfinden als Muskelreißen. Also versuchte ich, ihn nonverbal etwas auszubremsen, um mal die Chance zu bekommen, zu fühlen. Vergeblich, er ignorierte mich und meine Befindlichkeit stoisch. Also war auch ich gezwungen, zu reden. Es war nur ein einziges Wort, allerdings ein eindeutiges: Stop.

Dann gab es noch Jochen. Mit ihm konnte ich mich phantastisch unterhalten, er war gebildet, charmant, aufmerksam, witzig und geistreich. Bis es ans Eingemachte ? sprich ins Bett ging. Auf einmal mutierte mein niveauvoller Gesprächspartner zu einem Pornodarsteller der schlimmsten Kategorie, jedenfalls verbal. Wer beschreibe mein Erstaunen, als er mich mit »dummer geiler Sau« betitelte, die »endlich die Beine breit machen und ihm die Votze zeigen sollte«! Da konnte er noch so gekonnt und intuitiv die schönsten Dinge mit mir anstellen ? solange ich hören musste, konnte ich nicht fühlen. Und Jochen hörte nicht auf, zu reden...

Gut, das waren extreme Beispiele und ich war nach diesen Erlebnissen auch restlos entliebt. Zum Glück ist es mir viel öfter passiert, dass eine erste Nacht wirklich schön war, weil man sich vorsichtig und sensibel aneinander herangetastet und miteinander gespielt hatte, so dass die Beziehung weiterhin wachsen und gedeihen kann. Doch auch dann muss man sich noch aufeinander einstellen, denn automatisch gehen wir mit einem neuen Bettgespielen so um wie mit dem letzten ? schließlich hat es sich schon mal bewährt. Aber das muss noch lange nicht heißen, dass der jetzige Liebste die harten/weichen/langsamen/schnellen/raffinierten/schlichten Berührungen ebenso genießt wie der Ex-Bettgefährte.

Also hilft es nix. Will man nicht wie die Leute enden, die erst Orgasmen vortäuschen und sich anschließend im Bad selbst befriedigen, dann muss man sich irgendwie verständigen. Doch wie stellt man das am besten an, ohne das neue, noch fremdartige Wesen zu verschrecken? Redet man oder lässt man Taten sprechen? Äußert man sich noch während des Aktes oder geht man beim Frühstück die Mängelliste der vergangenen Nacht durch? Platzt man mit eindeutigen Anweisungen heraus, überreicht man feierlich eine Landkarte der erogenen Zonen oder wie? Ganz schlimm wird es, wenn sich das Objekt der Begierde als Nichtsmerker der Nation entpuppt. Soll man dann mit festem Griff alle Kraft aufwenden, um seinen Kopf zielgerichtet nach unten zu drücken? Oder diverse Presslufthammerattacken tapfer ertragen? Nix da!

Ich plädiere dafür, zuerst das Körperchen sprechen zu lassen. Schließlich gehen wir ja mit einem Menschen ins Bett, der sich schon im Vorfeld als sensibel, einfühlsam und vielversprechend erwiesen hat. Mit dem Menschen, in den wir uns verliebt haben und der genauso bereit ist wie wir, alles zu geben, damit der erste Sex auch ein schönes Erlebnis wird. Natürlich ist man vor unliebsamen Überraschungen nie gefeit, doch grundsätzlich können wir schon davon ausgehen, dass unsere Signale interessieren.

Sollte die Körpersprache nicht ausreichen, sind auch Worte kein Problem ? wenn die Ausdrucksweise lieb ist und sie möglichst in Vorschläge oder Bitten verpackt sind und nicht in Forderungen. Entscheidend ist das Timing. Natürlich schauen wir in den ersten Nächten erst mal, was so alles passiert... Doch dann müssen Scham, Rücksicht und was uns sonst noch so an der Offenheit hindert, überwunden werden. Es geht überhaupt nicht, das unbefriedigende Treiben des Liebsten monatelang schweigend zu ertragen, und erst dann damit herauszurücken, dass wir während der Sache selbst immer über die Hungersnöte in Afrika und die Ausweitung des Ozonlochs nachdenken müssen...

Am allerbesten, wir erinnern uns wieder daran, dass wir uns mit Liebesspiel vergnügen und nicht mit Liebesernst. Findet die Erkundung des neuen, noch fremden Körpers spielerisch statt, dann macht das nicht nur viel mehr Spaß, sondern nimmt auch den Druck, unbedingt gleich perfekt sein zu müssen. Im Spiel lernen wir den anderen viel intensiver kennen ? und letztendlich gibt es nichts schöneres, als beim Sex auch mal herzhaft miteinander lachen zu können, oder?

In freudiger Erwartung auf Ihre Meinungen und Abenteuer verbleibt bis zur nächsten Woche

Ihre Hannah Garbaty

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