65-Jährige erwartet Vierlinge Das ist unverantwortlich, Frau Raunigk

Von Johanna Braun
Mit 65 nochmal Mutter werden? Annegret Raunigk hat bereits 13 Kinder und sieben Enkelkinder, will aber mehr. Das ist traurig. Ein Brief an die werdende Mama.

Liebe Frau Raunigk,

mein Name ist Johanna, ich bin 26 Jahre alt und habe das Thema Familienplanung noch vor mir. Mein erster Gedanke zu einer 65-jährigen werdenden Mutter war: Sie tut mir leid. Sind Sie mit 13 Kindern und sieben Enkelkindern, kurz vor der Pensionierung noch nicht zufrieden? Könnten Sie nicht auf ein erfülltes Leben blicken? Sie wollen mehr. Und ich finde: Sie wollen zu viel.

Sie sagen, ihr jüngstes Kind habe sich ein Geschwisterchen gewünscht. Also ließen Sie sich im Ausland künstlich befruchten. Nun sind Sie schwanger mit Vierlingen. Eine Risikoschwangerschaft im Risiko-Alter. Sie wären dann eine der ältesten Mütter der Welt. Kein Titel, mit dem man sich gern schmücken sollte, denke ich.

Wären Sie meine Mutter, wären sie vielleicht schon tot

Wären Sie meine Mutter, wären sie 91. Oder tot. Eine grausame Vorstellung in jungen Jahren, ohne die Mutter sein zu müssen. Aber diese Perspektive geben Sie Ihren ungeborenen Kindern. Eine Oma zur Mutter. Keine Mutter.

Mit 70 Jahren müssten Sie sich um vier Kleinkinder kümmern. Allein. In meinem Freundeskreis gibt es viele Kinder. Ich sehe täglich, dass gerade die ersten Jahre verdammt anstrengend sind. Und Sie wollen das in Ihrem Alter bewältigen? Dabei äußern Sie keinerlei Sorgen oder Bedenken. Das wird schon, oder wie? In einem Interview wurden Sie gefragt, ob Sie Respekt oder gar Angst vor dieser Aufgabe hätten. Sie antworteten: "Angst habe ich eigentlich nicht. Bis jetzt bin ich ausgesprochen fit, und ich denke, warum sollte sich das jetzt ändern?" Warum? Weil Sie, liebe Frau Raunigk, 65 Jahre alt sind.

Reine Selbstüberschätzung

Sie mögen sich nicht so fühlen, sprechen von Klischees, die Sie nicht erfüllen. Aber der Körper einer Frau Ihres Alters ist nicht für eine Schwangerschaft gemacht. Erst recht nicht für eine mit Vierlingen. Das wissen Sie doch sicher selbst. Die Risiken sind vielfältig. Als eine Risiko-Schwangerschaft gilt die einer über 35-Jährigen. Sie sind nochmal 30 Jahre älter. Was macht das aus Ihnen?

Was mir zu Ihrem Fall einfällt ist: Selbstüberschätzung. Sie muten sich und Ihrem Körper eine fast unmögliche Aufgabe zu und entschuldigen Ihre Leichtsinnigkeit damit, ständig von Ärzten überwacht zu werden. Gut. Nehmen wir an, dass alle vier Kinder gesund auf die Welt kommen und sich normal entwickeln. Und dass Sie diese Mammut-Aufgabe meistern können. Aber wie lange? Auch Sie werden nicht ewig leben.

Würde ich jetzt mit Vierlingen schwanger sein, hätte ich Angst. Vor Überforderung, den gesundheitlichen Risiken und fehlender Hilfe mit den Neugeborenen. Ich hätte Angst, an dieser Aufgabe zu zerbrechen. Ganz allein. Obwohl ich biologisch bessere Voraussetzungen hätte als Sie. Als 13-fache Mutter mögen Sie zwar ein Profi in Schwangerschaften und Kindererziehung sein, aber haben Sie sich mal gefragt, wie es später für Ihre Kinder weitergeht? Wenn Sie gebrechlich werden oder pflegebedürftig sind oder wenn Sie sterben? Haben sie vorgesorgt? Im Interview antworten Sie auf diese Frage: "Ja das werde ich tun… denke ich mal." Das haben Sie also noch nicht getan. Unglaublich! Warum nicht? Trotz Ihrer Erfahrung wirken Sie geradezu naiv.

Sie handeln unverantwortlich

Würde sich meine Mutter, 53, in zwölf Jahren künstlich befruchten lassen und Vierlinge erwarten, stünde ich ihr zur Seite. So gut das eben ginge. Aber Sie haben noch nicht mal all Ihren Kindern von der Schwangerschaft erzählt, sagen Sie. Hoffen Sie denn nicht auf deren Hilfe? Denken Sie, dass Sie die nicht brauchen? Sind Sie so von sich selbst überzeugt?

Sie scheinen sorgenfrei. Ich verstehe Sie nicht und finde, Sie handeln unverantwortlich. Reicht Ihnen denn nicht, was Sie bereits haben? Ihrer neunjährigen Tochter können Sie doch all Ihre Liebe schenken. Und: Wer kümmert sich eigentlich um die, wenn Sie vorzeitig ins Krankenhaus müssen oder Komplikationen bei der Geburt auftreten?

Wenn ich 65 Jahre alt bin, hoffe ich, dass ich auf ein bis dahin schönes und erfülltes Leben blicken kann. Ich hoffe, dass ich nicht mehr arbeiten muss und Zeit habe, für die Menschen um mich herum. Für meine Familie und Freunde. Ich hätte gern eigene Kinder und Enkelkinder. Aber vor allem wünsche ich mir, dass ich zufrieden bin. Das wünschte ich Ihnen auch.