Der ehemalige bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) lobte sich selbst in einer einstündigen Einlassung im NSU-Untersuchungsausschuss als entschiedenen Gegner gegen Rechtsextremismus. Doch anscheinend hatte das für die bayerischen Behörden, die mit der Aufklärung von fünf Taten der Mordserie an neun Migranten betraut waren, keine Bedeutung. „Die Beamten haben offensichtlich auf die persönliche Meinung des Ministers nicht viel Wert gelegt“, sagt der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) nach Abschluss der Befragungen am Donnerstag zum stern.
Die Akten zeigen, dass Beckstein schon 2000 die Möglichkeit eines „fremdenfeindlichen“ Motivs der Morde in Betracht zog, aber es dauerte bis 2006 bis auch die leitende „BAO Bosporus“ in diese Richtung ermittelte.
Lediglich der bayerische Verfassungsschutz sei eigeninitiativ der „Hypothese Rechtsextremismus“ nachgegangen, behaupteten Edgar Hegler, leitender Regierungsdirektor, und der ehemalige Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Wolfgang Weber, die ebenfalls am Donnerstag als Zeugen geladen waren: Man habe schon nach dem ersten Mord an Enver Şimşek 2000 oder spätestens nach dem zweiten Mord an Abdurrahim Özüdoğru 2001 (beide in Nürnberg) eine sogenannte „Quellenabfrage“ im rechtsextremen Milieu vorgenommen. Die V-Leute in der Szene hätten allerdings berichtet, dass es keine Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund der Taten gegeben habe und so habe man die Hypothese nicht weiter verfolgt.
Nur seltsam, dass es über diesen Vorgang keinerlei Dokumentation in den Akten gibt, weder beim Verfassungsschutz, noch in den Unterlagen der Polizei. Sebastian Edathy bezweifelt stark, dass diese Quellenabfrage stattgefunden hat: „Ich unterstelle den Zeugen nicht, dass sie lügen, aber es gibt keinerlei Beleg dafür“.
Alles ganz normal, behauptet hingegen Edgar Hegler: Eine Recherche, die keine Erkenntnisse ergebe, würde auch nicht dokumentiert, sagt er. Man habe diese Information mündlich an die Polizei weitergeben, Protokolle davon habe man standardmäßig nach fünf Jahren vernichtet.
Pikantes Detail: Offensichtlich hat es zwischen den beiden Zeugen des Bayerischen Verfassungsschutzes Absprachen gegeben. Wolfgang Weber überraschte am späten Donnerstagabend noch mit der Aussage, er habe sich zur Vorbereitung auf seine Zeugenaussage mit Edgar Hegler und Burkhard Körner, dem amtierenden Präsidenten des Bayrischen Landesamt für Verfassungsschutz, zweimal getroffen, um „seine Erinnerung aufzufrischen“.
Das ist nicht rechtswidrig, es schmälert allerdings den Wert der Aussagen der beiden Verfassungsschützer erheblich. „Die Berichte der beiden Zeugen haben sich auffällig gedeckt“, sagt auch Sebastian Edathy.
An die „Quellenabfrage“ aus den Jahren 2000 oder 2001 schien sich Wolfgang Weber besonders gut zu erinnern – dass diese Ermittlungen lange vor seiner Amtszeit geschehen sein sollen, konnte diese nicht trüben.
von: Lena Kampf
Foto: Michael Kappeler/dpa/lbn