Unsere Enthüllung des mutmaßlichen NSU-Helfers Thomas S. als langjähriger V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) war der Auftakt. Jetzt beginnt das politische Nachspiel.
Die Frage: Wer trug die Verantwortung für das Bunkern von Informationen, deren Weitergabe womöglich die monströse Mordserie des Terrortrios verhindert oder abgekürzt hätte?
Das erste Opfer brachte heute ein Politpensionär, ein prominenter allerdings. Wie der Tagesspiegel meldet, verlässt der ehemalige Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“. Sie wurde im Februar der Öffentlichkeit präsentiert, aus dieser Zeit stammt auch das Gruppenbild oben. Körting steht darauf als zweiter von rechts zwischen Eckhart Müller (Rechtsanwalt, von links), Bruno Jost (Ex-Bundesanwalt) und Heino Vahldieck (Ex-Innensenator Hamburg).
Der Rückzug ist auch angebracht, denn Körtings Amtszeit als Innensenator verlief von 2001 bis 2011 fast parallel mit der V-Mann-Tätigkeit von Thomas S. für das LKA Berlin. Körting trug also die politische Verantwortung. Er wolle "nicht den Anschein von Befangenheit erwecken", sagte Körting laut Tagesspiegel. Fünfmal hat Thomas S. zwischen 2002 und 2005 der Berliner Polizei Hinweise auf das Terrortrio gegeben. Der erste Reflex hätte sein müssen, diese Informationen an Polizisten in Thüringen oder Sachsen weiterzugeben. Das geschah offenbar nicht. Und die dortigen Ermittler rätselten weiter über den Verbleib der untergetauchten Bombenbauer. Alleine in dieser Zeit brachten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos drei Menschen um.
Stolpert der amtierende Innensenator, Frank Henkel (CDU), als erster aktiver Politiker über diesen Skandal? Geht es nach ihm, soll ein Sonderermittler aufklären, ob das LKA nach den ersten Hinweisen auf den möglichen Aufenthaltsort der späteren Zwickauer Zelle im Jahr 2002 Ermittlungen behinderte. Doch dieses Manöver dürfte nicht genügen.
Henkel steht unter steigendem Druck, weil er einen eigenen Bock geschossen hat: Seit März wusste er bereits von der V-Mann-Tätigkeit von Thomas S.. Der NSU-Ausschuss im Bundestag erfuhr aber erst am Donnerstag über den Umweg der Bundesanwaltschaft von der dubiosen Doppelrolle von S. als langjähriger V-Mann und mutmaßlicher Terrorhelfer. Demnächst hat Henkel die verdiente Ehre, auf dem heißen Stuhl des Bundestagsausschusses Platz zu nehmen. Ob als amtierender Innensenator oder a.D., wird sich zeigen.
von Dirk Liedtke
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Foto: dapd