IM SEX-SHOP Zwischen Gummi-Lümmeln und Seemannsbräuten

Fortsetzung des Baumarktes mit anderen Mitteln: In Sex-Shops finden Heim- und Handwerker alles, was sie brauchen. Ein Rundgang durch einen Beate-Uhse-Laden.

Am schlimmsten, sagt sie und verzieht das Gesicht, am schlimmsten ist der Geruch. Es sei ja nicht so, dass Sperma immer gleich röche. Frau Rudy macht eine Pause. Sie sucht nach einem Wort, das beschreiben könnte, wie das in Tempotaschentücher hineinapplizierte Sperma riecht, das sie ab und zu in kleinen Eimern aus den Videokabinen holt. »Nach Knoblauch zum Beispiel«, sagt sie dann. »Ja, klar. Wenn der Mann vorher Knoblauch gegessen hat, rieche ich das an seinem Sperma.« Und wenn er viel Bier getrunken habe, dann könne sie das auch »rausriechen«. »Eigentlich«, sagt sie, »eigentlich sollte ich damit mal zu ?Wetten, dass ..?? gehen.«

»Ich nenne diese Dinger Seemannsbräute«

Seit sechs Jahren arbeitet Bianca Rudy in diesem Hamburger Beate-Uhse-Sex-Shop. Als Filialleiterin, das ist ihr wichtig. Seit sechs Jahren steht sie in dem 70 Quadratmeter kleinen Laden, umgeben von einschlägigen Magazinen, Dildos und Gummiwaren aller Art. »Das hier ist ein ganz neues Produkt aus extrem dehnbarem Material«, sagt die 37-Jährige und legt einen Silikon-Frauen-Unterleib mit zwei Löchern auf den Tresen. »Ich nenne diese Dinger Seemannsbräute«, sagt sie und macht eine Produktberatung, als würde sie einen neuen Hobel im Baumarkt vorführen.

Geschlechtsteile aller Formate

Sie steckt ihre beiden Daumen bis zum Anschlag in ein winziges Loch, das die Nachbildung eines weiblichen Anus sein soll. Das Löchlein in diesem fleischfarbenen, an ein Putenschnitzel erinnernden Etwas vergrößert sich überraschend. »Sehen Sie?«, fragt Frau Rudy. »So geht das.« Sie berät die Kunden - vor allem Männer - gern, aber die meisten verschmähen ihr Fachwissen und schauen schweigend in die Auslage, in der auf Magazinen und Videocassetten Körper in allen Stellungen Geschlechtsteile aller Formate in gut ausgeleuchtete Körperöffnungen verschwinden lassen. Einige sind wie mit Bootslack von Sperma überzogen und glänzen im Studiolicht.

Manch einer holt sich hier Anlauf, um in einer der fünf Kabinen zu verschwinden, wo unter Ausschluss der Öffentlichkeit Beate-Uhse-Filme zu sehen sind. Und die Eimerchen bereit stehen. Frau Rudy hat beobachtet, wie sich Pornofilme in den vergangenen Jahren verändert haben: »Anal ist heute völlig normal«, sagt sie. Ein Klassiker in ihrem Sortiment sei ein Magazin »mit diesem Neger, wie heißt der noch? Na egal; jedenfalls der mit einem Ding, das so groß ist«, sagt sie und deutet mit beiden Händen die Länge eines handelsüblichen Baguettes an.

Ordentlich im Liederlichen

Bei Frau Rudy stöbern alle Altersgruppen im Sortiment - das Klischee vom geilen Mittfünfziger stimmt nicht. Auch ein anderes Klischee geht baden: dass es schmuddelig ist. Nein, hier ist es ordentlich im Liederlichen. Und wenn Frau Rudy sagt: »Die Einzel-Videokabinen sind zugelassen nur für Einzelpersonen«, klingt sie wie eine Mitarbeiterin der Zulassungsstelle.

Genau das scheint das Geheimnis des Erfolgs von Beate-Uhse-Läden zu sein: dass hier alles so normal ist und zwischen den Super-Lümmeln und Gummi-Bräuten die Atmosphäre biederer Durchschnittlichkeit herrscht.

Frau Rudy wird noch viele Eimer leeren müssen.

Autor: Oliver Link