Ja, ich gebe es zu: Ich gehöre zur Fraktion der Klitoral-Orgasmierenden. Mich solcherart zu outen, fällt mir noch nicht mal schwer, befinde ich mich damit doch in der guten Gesellschaft von zwei Dritteln aller Frauen. Meine sexuellen Höhenflüge sind immer sehr schön und für meine Bettgefährten im Normalfall machbar, dementsprechend hatte ich bisher auch überhaupt kein Problem damit. Bis ich vor einigen Wochen wieder mal an einen Herren geriet, der dieser Tatsache ziemlich fassungslos gegenüberstand. »Waaas?! Du hattest noch nie einen vaginalen Orgasmus!?!« äußerte er derart entgeistert, dass mich schon fast wieder ein schlechtes Gewissen ob meiner Absonderlichkeit peitschen wollte. Aber nur fast.
Ich fragte natürlich zurück, wie viele der Frauen, die er beglückt habe, rein vaginal gekommen seien und musste mir anhören: »Alle!«
Klar, dass sich bei einer solchen Ansage meine Mundwinkel ganz wie von selbst Richtung Ohren bewegen, oder? Auf meine vorsichtige Anfrage, ob er denn sicher sei, dass seine Gespielinnen wirklich einen Orgasmus gehabt hätten, war er fast beleidigt. Natürlich sei er sicher! - Okay, hätte ich an seiner Stelle auch gesagt. Trotzdem schoss mir sofort die allbekannte Fake-Szene aus »Harry & Sally« in den Sinn, gefolgt von dem Witz, mit dem ich immer die frauenfeindlichen Hetzereien am Biertisch kontere: Warum fällt es so vielen Männern schwer, zu merken, wann eine Frau einen Orgasmus hat? ? Sie sind so selten dabei!
Gut, Witz und Film mal beiseite. Dem Argument meines Gegenüber, schließlich müsse Mann ja nur die Stimulation des G-Spots beherrschen, konnte ich mich nicht gänzlich verschließen. Natürlich wusste ich von dem Punkt, der aus jeder Muschi eine Wundertüte machen soll, hatte aber seiner Erforschung noch nie Aufmerksamkeit gezollt. Das sollte sich nun ändern ? ich war wild entschlossen, der Gräfenbergschen Entdeckung auf den Grund zu gehen.
Da ich lange aus dem Alter der Doktorspielchen heraus bin, probierte ich es erst mal unter der Devise »Selbst ist die Frau«. Ich zog mein Erotik-Lexikon zu Rate und erfuhr, dass sich der mystische Spot ca. 4 Zentimeter oberhalb des Scheideneingangs in Richtung Bauchdecke an der Harnröhre befinden soll. Also fingerte ich los, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte weder eine kleine Beule fühlen, noch wollte da etwas wie angekündigt anschwellen. Vielleicht kam ich ja mit meinen Frauenfingerchen nicht tief genug?
Aber noch war nicht alle Tage Abend, denn bei Beate Uhse um die Ecke werden auch G-Spot-Vibratoren angeboten. Nach erfolgtem Kauf konnte ich es kaum erwarten, mich wieder in meine Kuschelecke zurückzuziehen und loszulegen. Ich probierte das gebogene Teil in allen möglichen Stellungen aus: auf allen Vieren, sitzend, liegend... Nix. Es war nett, doch ja. Aber von intensiven Lustattacken oder gar multiplem Feuerwerk keine Spur. Der Selbsttest endete mit dem Missbrauch des G-Spot-Vibrators an meiner Perle. Ich hatte aber kein schlechtes Gewissen.
Derart entspannt, dachte ich darüber nach, ob mein Forscherdrang nun befriedigt wäre und ich die Sache mit dem G-Punkt abhaken solle oder nicht. Doch so einfach wollte ich auch nicht aufgeben und also beschloss ich, diese anspruchsvolle Aufgabe lieber einem echten Mann zu übertragen. Am Abend überraschte ich meinen Liebsten mit dem Wunsch, er möge mir doch bitte mal bei der Suche nach der antörnenden Stelle zur Hand gehen.
Der Liebste fand die Idee wahnsinnig spannend. Gemeinsam lasen wir die Lagebeschreibung und dann ging?s los: Ich legte mich dekorativ auf den Rücken, zog die Beine an und überließ ihm entspannt das Feld. Er führte seinen Zeige- und Mittelfinger ein, krümmte sie nach vorn und rieb vorsichtig an der vorderen Scheidenwand herum, wobei er mich in gespannter Erwartung die ganze Zeit beobachtete. Mhmm... gar nicht mal so schlecht. Aber eigentlich kämpfte ich angesichts seiner erwartungsvollen Blicke ständig mit dem Lachreiz und fand die Angelegenheit eher irre komisch denn aufregend. Irgendwann war es soweit: Wir kugelten uns vor Lachen im Bett herum, alle Spots dieser Welt vergessend. Nachdem die Lachtränen versiegt waren, liebten wir uns natürlich auch noch heftig. Aber so wie immer. Und ich hatte meinen klitoralen wunderbaren Orgasmus. Auch so wie immer.
Doch die Saat war gesät. Einige Tage später fielen wir wieder übereinander her, da drehte mich der Liebste plötzlich auf den Bauch, schob mir ein Kissen unter den Unterleib und beglückte mich von hinten. Aha! Wahrscheinlich hat er sich in der Zwischenzeit ? wie auch ich übrigens ? schlau gemacht und erfahren, dass in dieser Stellung der G-Punkt am besten stimuliert werden kann. Und in der Tat, sein Hin- und Hergleiten fühlte sich so unwahrscheinlich gut an, dass ich mir wünschte, er würde nie, nie, nie aufhören. Vielleicht lag es daran, dass ich viel erregter war als zu Forschungszeiten oder dass meine Blase nicht ganz leer war, jedenfalls konnte ich ein Lebenszeichen des Spots vermelden. Das reichte zwar nicht für einen Orgasmus, doch ich ahnte, dass meine Muschi noch ungeahnte Möglichkeiten bereithielt. Die weiterhin auszuloten, war auch der Liebste wild entschlossen. Nach der ersten Runde, in der ich nicht gekommen war, ließ er nicht von mir ab. Diesmal fingerte er tiefer als bei der ersten Entdeckungstour und fand in der Tat eine leicht angeschwollene Stelle, die er rhythmisch rieb. Er hatte ihn! Erst verspürte ich - wie in den Anleitungen beschrieben ? einen gewissen Harndrang, doch kurze Zeit später schlug er in ein Lustgefühl um. Das war zwar prima, doch für einen Orgasmus immer noch nicht genug. Irgendwann hatte der Liebste Mitleid mit mir lustvoll wimmerndem Geschöpf und setzte zusätzlich gekonnt seine Zunge an meinem Knöpfchen ein. Ich flog in einem bahnbrechenden Orgasmus davon...
In Auswertung dieser Spurensuche und nach weiteren Versuchen in allen möglichen Positionen muss ich allerdings feststellen, dass sich nichts ändern wird. So schön sich die Reizung der Gräfenbergschen Zone auch anfühlt, führt sie trotzdem nicht automatisch zum rein vaginalen Orgasmus. Bei mir jedenfalls nicht.
Und so werde ich mich auch weiterhin als Fan der weiblichen Liebesperle outen. Doch warum auch nicht? Schließlich ist der Kitzler zu keinem anderen Zwecke geschaffen worden, als genussvoll Lust zu bereiten. Da auch mein Liebster zu diesem Zwecke angetreten ist und mir im Bett größtmögliche Freuden angedeihen lassen will, wird er eben weiterhin zusätzlich kitzeln. Und den entdeckten Spot vielleicht immer mal wieder als nette Zusatzstimulation nutzen. Ich freu mich drauf...
In freudiger Erwartung auf Ihre Meinungen und Abenteuer verbleibt bis zur nächsten Woche
Ihre Hannah Garbaty