Was Drogen betrifft, hatte ich immer ein schlechtes Timing. Schon den Einstieg verpasste ich, weil ich mir mit der Kindheit zu viel Zeit gelassen hatte. Als ich endlich fertig war mit Baumhäuserbauen und Tagebuchschreiben, war der Kifferzug längst abgefahren und hatte den Alkoholanhänger gleich mitgenommen. Alle waren drauf, nur ich nicht. Nachträglicher Zustieg unmöglich. Denn wenn es eine Einreisevoraussetzung für das Paralleluniversum Rausch gibt, dann ja die Beiläufigkeit. Alles andere ist Poserquatsch.
"Mich zu beschwipsen, wurde zur Herausforderung"
Meine versehentliche Anfangsabstinenz aber löste bei den anderen einen irren Planungsehrgeiz aus. Mich zu beschwipsen, wurde in meinem Freundeskreis zur Wochenendherausforderung. Die Zeit zwischen meinem 16. und 24. Lebensjahr verbrachte ich durchweg damit, mir mit Zwinkerblick und Komplizennicken entgegengestreckte Hochprozentigkeitsgläser abzuwehren. Irgendwann lenkte ich doch ein, trank ein paar Schluck Weißwein und kollabierte. Die Diagnose des Arztes fasste mein Verhältnis zu Drogen hübsch zusammen: "irgendeine Intoleranz".

Einen neuerlichen Anlauf nahm ich an meinem 30. Geburtstag, als ich eher versehentlich eine Krume MDMA aß. Mir wurde sehr warm und ich beschäftigte mich mehrere Stunden mit einem Geschenkband, weil ich den Stoff so toll fand. Der Mann, der mir bei dieser Vollrauscherfahrung zur Seite lag, fand den Stoff nicht ganz so toll. Wir nahmen nie wieder Drogen zusammen. Ich alleine schon gar nicht. Was auch? LSD macht mir Angst, für Crystal Meth mag ich meine Haut und Zähne zu sehr, und über alles, was kein Essen ist und trotzdem nach Besteck verlangt, traue ich mich nicht einmal nachzudenken.
"War scheiße, aber hey, war 'ne Erfahrung"
Immer wieder sagen Freunde, ich würde dadurch viele "Erfahrungen" verpassen. So nennen sie den zugedröhnten Quatsch im Nachhinein. War scheiße, hat mich meinen Führerschein/meine Beziehung/den Gegenwert einer USA-Reise gekostet, aber hey, war ’ne Erfahrung! Und genau da liegt leider auch das Problem: Immer wenn Leute von den Vorteilen des Druffseins erzählen, klingen sie so ein bisschen dumm. Man denkt beim Zuhören, was man auch bei nicht zündenden Anekdoten versöhnlich murmelt: Muss man wohl dabei gewesen sein. Und weil mir aber genau dies wahrscheinlich nicht mehr gelingen wird, habe ich mir einen Kompromiss überlegt. Ich fange jetzt mit dem gelegentlichen Rauchen an. Das ist im Alter von 31 Jahren nicht nur unvernünftig, sondern sieht in seiner Angestrengtheit auch maximal unlässig aus (ich kann nicht mal "auf Lunge ziehen"). Genau darin aber besteht die Botschaft. Ihr macht Unsinn und ich mich lächerlich. So kommen wir doch zusammen gut durch die Nacht.
