Dagmar Seeland

Artikel zu: Dagmar Seeland

Nach Tod der Queen: Korrespondentin ordnet Charles Rolle als König ein

Nach Tod der Queen "Charles wird ein modernisierender König sein" – stern-Expertin über Zukunft der britischen Monarchie

Sehen Sie im Video: "Leute haben Angst vor all dem" – stern-Journalistin ordnet Charles neue Rolle als König ein.
















Dagmar Seeland (stern) Wir sehen ja im Moment so ein paar Anzeichen von ihm, dass er durchaus nicht diese Geduld hat und die Würde, die die Queen zu haben scheint. Und die Leute haben einfach Angst vor all dem. Und nun diese Unsicherheit. Und in der Situation wird Prinz Charles eine schwierige Rolle haben. Ich glaube, die Monarchie ist in den letzten Jahren sogar noch etwas wichtiger geworden für die Leute seit. Ich würde sagen, seit dem Brexit tatsächlich.


Hendrik Holdmann (stern) Das neue Stern-Heft und auch ein Stern-Sonderheft widmen sich dem Tod der Queen und auch der Frage, wie es jetzt weitergeht. Du bist vor Ort und berichtest für den Stern: Wie ist aktuell die Stimmung? Wie nimmst du das Land vor und nach dem Tod der Queen wahr?


Dagmar Seeland (stern) Also kurz nach dem Tod am Freitag waren viele Leute immer noch geschockt, tief geschockt und auch tatsächlich wirklich ganz echt traurig über den Tod der Queen. Langsam durch diese ganzen offiziellen Termine – man hört nun zum fünften Mal "Die Queen ist tot, lang lebe der König" – stellt sich bei manchen Leuten, ich würde es nicht sagen, Überdruss ein, aber doch ein bisschen das Gefühl: Ja, nun reicht's aber können wir auch über andere Dinge berichten zum Beispiel Ukraine? Große, wichtige Themen wie das. Denn die Berichterstattung hier ist tatsächlich immer noch voll von der Trauer um die Queen und die Prozession des Sarges usw. Und viele Leute sagen einfach inzwischen: Jetzt ist es aber gut, wir müssen auch andere Dinge hören.


Hendrik Holdmann (stern) Was für ein König wird Charles sein?


Dagmar Seeland (stern) Das wird ein modernisierender König sein. Das hat sich ja schon vorher angekündigt. Er wird mit Sicherheit die königliche Familie verkleinern – also bzw. Die Leute, die offizielle Funktionen tragen. Das hat er ja schon gezeigt im Vorfeld. Man sah, dass die Gruppe der Leute auf dem Balkon wesentlich kleiner geworden ist bei den letzten Termin. Die große Frage ist natürlich, wie er persönlich diese Rolle füllen wird. Und wir sehen ja im Moment so ein paar Anzeichen von ihm, dass er durchaus nicht diese Geduld hat und sie die Würde, die die Queen zu haben scheint. Denn wir haben jetzt diese Kleinigkeiten schon gesehen, dass er etwas unwirsch jemanden außerhalb des Blickfeldes gebeten hat, doch bitte den Tisch abzuräumen für ihn und gestern auch die Geschichte mit dem Füllhalter. Das war ja sehr lustig mit dem Stift, der offensichtlich nicht so funktioniert, wie er sich das vorstellte. Man sieht schon, dass er leicht irritiert ist. Nun kann man natürlich meinen: Okay, da ist natürlich auch nervös. Der musste sich 70 Jahre lang auf diese Rolle vorbereiten. Und nun ist sie da.


Hendrik Holdmann (stern) Lass uns doch einmal ein bisschen tiefer eintauchen. Wie wird Charles die Monarchie reformieren?


Dagmar Seeland (stern) Er wird sie zum einen sicher, wie gesagt, verschlanken. Personell. Irgendwann hat er jetzt auch schon gesehen, wie er mal so kurz 100 Angestellte in Clarence Haus in seinem Sitz als Prince of Wales entlassen hat. Was nicht gut ankam. Viele Leute hoffen ja auch, dass er die die Monarchie modernisieren wird, also dass man diesen ganzen Pomp, dieses altmodische etwas reduziert und wahrscheinlich auch Geld sparen, weil es einfach nicht mehr zeitgemäß ist, so viele Paläste aufrechtzuerhalten. Die große Frage ist: Wie wird das mit Buckingham Palace werden? Wird er mehr für die Öffentlichkeit geöffnet werden? Und das ist ja schon viele Leute würden das auch befürworten.


Hendrik Holdmann (stern) Welche Rolle spielt eigentlich seine Frau Camilla? Wie hat sich ihr Ansehen auch über die letzten Jahre verändert?


Dagmar Seeland (stern) Wir waren letzte Woche, letzten Freitag auf einer Tour durch Kent unterwegs und haben dort mit allen möglichen Bevölkerungsgruppen gesprochen: Arm und reich, jung und alt. Und die Reaktion auf Camilla war sehr interessant, denn das die Gruppen das teilt sich, wenn man mit älteren Leuten redet, sagen die: Nun ja, die Geschichte um Diana und Camilla und Charles ist sehr lange her. Schön war es nicht, aber lasst uns weiter gehen, lasst uns vorwärts gehen und die beiden haben jetzt eine lange, glückliche Ehe geführt. Und Camilla ist eben nun an der Stelle, wo sie ist. Und das ist gut so! Jüngere Leute sehen das ganz anders, denn die haben die Geschichte um Diana erst durch Netflix erfahren und waren wirklich auch schockiert. Das weiß ich auch. Meine eigene Tochter war das auch. Und diese jungen Leute sagen jetzt, waren eigentlich empört, dass Camilla den Titel Queen Consort erhalten hat. Die sagen aus ihrer Position nicht zu Unrecht. Sie sagen ja, wenn man bedenkt, wie sie zu diesem Job gekommen ist, fühlt sich das falsch an.


Hendrik Holdmann (stern) Inflation, Brexit, folgen, Ukraine-Krieg und auch noch Corona: wie würdest du eigentlich die Gesamtsituation in Großbritannien ein? Welche Herausforderungen warten auf das Land und natürlich jetzt auch auf König Charles?


Dagmar Seeland (stern) Das Land steht vor ganz großen Problemen und noch dazu ist in diesem Land, das eigentlich nichts als Kontinuität kannte, zumindest auf der königlichen Seite, nun plötzlich ein neuer König da. Und es ist auch noch eine ungewählte neue Premierministerin da, denn die ist ja tatsächlich von knapp 0,3 % der Bevölkerung überhaupt gewählt worden. Das ist sehr viel Veränderung für die meisten. Und die meisten Leute fühlen sich sehr verunsichert in dieser Situation. Denn die Queen war immer noch so eine Barriere zwischen der Regierung, die wir derzeit haben und auch noch so ein Symbol von alten, besseren Zeiten. Und gerade die neue Premierministerin und ihre Politik ist im Moment nicht sehr vertraueneinflößend für den großen Teil der Bevölkerung, die sich Sorgen machen um ihre Lebenshaltungskosten, die hier enorm steigen. Es wird eine schwere Rezession vorausgesagt, die wahrscheinlich mindestens anderthalb bis zwei Jahre anhalten wird. Noch höhere Inflation als tatsächlich in Deutschland wird vorhergesagt. Und die Leute haben einfach Angst vor all dem. Und nun diese Unsicherheit. Und da in der Situation wird Prinz Charles eine schwierige Rolle haben. Ich glaube, die Monarchie ist in den letzten Jahren sogar noch etwas wichtiger geworden für die Leute seit. Ich würde sagen, seit dem Brexit tatsächlich. Denn der Brexit hat viel verändert im Land. Er hat viel mehr für Spaltung gesorgt innerhalb der Bevölkerung, nicht nur zwischen Brexit und Remain, sondern auch zwischen Nord und Süd, zwischen Immigranten und Briten, obwohl der Begriff Immigrant in dem Fall sehr weit gefasst ist. Rassismus hat zugenommen, und ich glaube, die Königin, speziell die Queen Elizabeth, hat in der Zeit noch, solange sie lebte, noch für eine gewisse, wie gesagt, diese Kontinuität gesorgt und auch einen gewissen Puffer gebildet zwischen der Politik und dem Rest. Denn sie war jemand, auf die sich die meisten Leute eigentlich einigen konnten, dass sie ein guter Mensch war und eine gute und ein gutes Staatsoberhaupt war. Charles wiederum ist für viele, doch einerseits ist für viele bekannt, was er denkt, denn er hat genug Zeit und auch genug Gelegenheit, die auch genutzt hat, das zu sagen. Er ist sehr für die Umwelt. Er hat sich sehr für die Umwelt eingesetzt, hat sich aber sehr für Traditionen und vor allem in der Architektur für Tradition eingesetzt. Aber das Umweltengagement von ihm ist in letzter Zeit sehr gut angekommen. Trotzdem war ich überrascht zu hören von vielen Leuten, dass sie denken Prinz Charles ist doch eine relative Unbekannte. Wahrscheinlich insofern, wie er sich als Staatsoberhaupt verhalten wird. Ich glaube, darum geht es. Und wahrscheinlich machen sich viele Sorgen, dass er zu politisch ist, was ich aber nicht glaube. Er hat ja selbst schon angekündigt, dass er sich damit zurückhalten wird. Und das Problem ist aber eben, ob er in der Lage sein wird. So wie die Queen, die das eben so toll 70 Jahre lang geschafft hat, diese und diesen Ausgleich zu einer Regierung zu schaffen, die mehr und mehr populistisch, aber eben auch mehr und mehr rechts gewandt wird.
Werden bei Trauer um Queen Elizabeth II. Monarchie-Kritiker mundtot gemacht?

Trauer um Queen Elizabeth II. Werden Monarchie-Kritiker mundtot gemacht? stern-Journalistin zur angespannten Lage in London

Sehen Sie im Video: Werden Monarchie-Kritiker mundtot gemacht? stern-Korrespondentin zur angespannten Lage in London.
















Dagmar Seeland (stern) Es ist eine, wie gesagt, sehr angespannte Atmosphäre. Und die Bilder aus Edinburgh und aber auch aus London haben ja viele gesehen, dass Leute abgeführt wurden, nur weil sie ein Plakat hochgehalten haben, auf dem stand Not my king. Man gibt also diese Auslegung dieses Gesetzes in die Hände von sowieso überforderten Polizisten.


Hendrik Holdmann (stern) Mehrere Monarchie-Gegner und Queen-Kritiker wurden festgenommen. Davon gab es Bilder und auch Aufnahmen. Das harte Durchgreifen der Polizei wird von Politikern und Bürgerrechtlern scharf kritisiert. Wie angespannt ist die Lage vor der Queen-Trauerfeier, dem wohl größten Polizeieinsatz der britischen Geschichte überhaupt?


Dagmar Seeland (stern) Die Atmosphäre im Zentrum von London ist gerade sehr angespannt. Ich war gestern Abend dort. Man kommt überhaupt nicht mehr bis zum Buckingham Palast durch. Es sind überall Sicherheitskräfte. Ich habe Mitglieder der Royal Navy gesehen, aber auch Artillerie-Regimente, die offensichtlich zur Verstärkung der Polizei eingesetzt werden. Denn die Polizei in Großbritannien ist seit Jahren gekürzt worden und es fehlen 20.000 Polizeibeamte im Land. Es ist eine, wie gesagt, sehr angespannte Atmosphäre und die Bilder aus Edinburgh und aber auch aus London haben ja viele gesehen, dass Leute abgeführt wurden, nur weil sie ein Plakat hochgehalten haben, auf dem stand Not my king, also nicht mein König. Es gab tatsächlich auch noch einen Menschenrechtsanwalt, der sich gestern in Westminster, auf den - ich glaube Parlaments war das - gestellt hat mit einem weißen Plakat, auf dem nichts drauf stand. Und der ist angesprochen worden und dem ist angedroht worden, er würde abgeführt werden, weil man vermutete, er könnte da etwas draufschreiben. Und der wollte wirklich die Reaktion austesten. Und das ist schon sehr beängstigend. Nun ist die Frage, wie kommt das, ob die einfach nur nervös sind oder ob das auch eine Bewegung in Richtung autoritärer Staat bedeutet. Denn es gibt ein neues Gesetz. Das ist die sogenannte Crime and Policing Bill. Die ist vor unter Priti Patel im Sommer noch verabschiedet worden und durchs Oberhaus durchgeboxt worden. Das Gesetz besagt unter anderem, dass jemand, der ein öffentliches öffentliches Ärgernis verursacht und oder zu laut ist bei seinem Protest, könnte eine kriminelle Straftat begehen. Auf jeden Fall könnte er abgeführt werden oder gebeten werden, woanders den Protest weiterzuführen. Das ist sehr auslegbar. Man gibt also diese Auslegung dieses Gesetzes in die Hände von sowieso überforderten Polizisten. Und es ist besorgniserregend, dass die das machen aus zwei Gründen: Natürlich erstens kriminalisiert man plötzlich Leute, die ganz gerechterweise und recht rechtskräftig eigentlich normal protestieren. Man darf ja noch sagen, dass man zum Beispiel gegen die Monarchie ist. Zweitens aber überfordert das auch die Polizisten und demotiviert die. Und es gibt sowieso schon zu wenig Polizisten. Und es ist durchaus möglich, dass noch mehr Polizisten infolgedessen sagen werden: Ich will diesen Beruf nicht mehr ausüben.

Boris Johnsons obere Kopfhälfte ist zu sehen

"heute wichtig" Boris Johnson: Ein Mann ohne Prinzipien geht – fast

Boris Johnson steht auf der Liste der kürzesten Amtszeiten britischer Premierminister ganz oben. Gerade einmal zwei Jahre und 350 Tage ist er Stand Freitag im Amt. Wie sehr sich der britische Premier an sein Amt klammert, erklärt die in London lebende Dagmar Seeland.