In der britischen Monarchie ist längst nicht alles Gold was glänzt. Eine immense Bedeutung hat der Tod von Queen Elizabeth II. trotzdem. Das verdeutlicht schon der bloße Blick auf die Zahlen. Kaum jemand kennt die Welt ohne die Queen. Die "Washington Post" hat festgestellt: Neun von zehn Menschen weltweit wurden geboren, nachdem sie vor über 70 Jahren den Thron bestiegen hat. Auch deshalb haben viele das königliche Spektakel am Wochenende verfolgt, aber auch die Trauer einer ganzen Nation. Denn Großbritannien verliert mit dem Ableben der Königin eine wesentliche Konstante, erklärt die stern-Korrespondentin Dagmar Seeland in der 359. Folge von "heute wichtig": "Ich glaube die Bevölkerung hatte das Gefühl, solange die Queen noch da ist mit ihrem milden Lächeln und ihrer vertrauenserweckenden Art, wäre es nicht so ‘schlimm’, wenn Boris Johnson lügt und versucht, die Grenzen der Demokratie auszutesten." Die Menschen fühlten sich noch sicherer. Dieses Sicherheitsgefühl ist jetzt weg oder zumindest deutlich geschrumpft, insbesondere nach dem politischen Erdbeben der vergangenen Woche: "Die Bevölkerung begann die Woche mit einem Noch-Premierminister Boris Johnson und einer Queen. Und sie beendete die Woche mit einer Premierministerin Liz Truss und einem König Charles III." Das sei für viele zu viel Veränderung auf einmal, so Seeland.
Großbritannien im Generationenkonflikt: Wie geht es weiter mit der Monarchie?
Charles III., der inzwischen offiziell ausgerufene König, dürfte es nicht leicht haben, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Im übrigen Commonwealth noch weniger als in Großbritannien selbst, erklärt die Korrespondentin: "Einige Staaten haben schon bei der Reise von William und Kate im Frühjahr angekündigt, dass sie sich überlegen, ob sie überhaupt noch einen König brauchen." Staaten wie Australien oder die karibischen Inselstaaten Antigua und Barbuda denken schon länger darüber nach, zur Republik zu werden. Bisher haben sich einige wegen der Queen noch nicht von der Krone losgesagt. Das könnte sich mit Charles ändern: "Es war sowieso schon problematisch, dass diese Staaten eine alte weiße Queen haben, die die Erinnerung an die Kolonialreiche wachhält. Und wenn jetzt ein neuer, alter weißer König kommt, wird das noch viel problematischer werden." Sich von der Krone loszusagen, bedeutet aber nicht automatisch den Austritt aus dem Staatenbund des Commonwealth. Dieser sei nach wie vor beliebt, so Seeland.
Die Familie hält zusammen: Die Royals besuchen gemeinsam einen Gedenkgottesdienst

"Jüngere glauben eher, dass man dieses Theater eigentlich nicht mehr braucht"
Doch selbst innerhalb von Großbritannien gibt es einen Generationen-Clash, berichtet Dagmar Seeland im Podcast. Das zeigt sich insbesondere in diesen Tagen, in denen ein neuer König ausgerufen wird. Viele Vorgänge mögen zwar historisch anmuten, stammen jedoch aus dem 19. oder 20. Jahrhundert: "Viele von diesen angeblich jahrhundertealten Traditionen wurden erst unter Queen Victoria oder kurz davor eingeführt. Im Grunde ist es ja eine Verkleidung", amüsiert sich Seeland. Auch deshalb sind vor allem jüngere Generationen der Meinung, dass die Monarchie verschlankt gehört, vielleicht abgeschafft, in jedem Fall aber reformiert. Damit dürften sie nicht vor gänzlich verschlossene Türen laufen, glaubt Seeland: "Wenn man so zwischen den Zeilen liest, bei allem was Charles vorhat, glaube ich, ist sogar er derselben Meinung."
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