Kino Der neue Habeck-Film: Fünf Gründe, warum er grandios scheitert

Robert Habeck sitzt auf einem Stuhl und spricht
Robert Habeck in "Jetzt.Wohin": Der Regisseur Lars Jessen ist mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister befreundet – das tut seinem Film nicht gut
© Florida Film / Pandora Film
Der neue Film über Robert Habeck hat bereits im Vorfeld für heftige Kritik gesorgt. Zu Recht? stern-Chefreporterin Miriam Hollstein hat ihn sich angesehen. 

Selten ist ein Dokumentarfilm im Vorfeld in den sozialen Netzwerken so zerrissen worden wie das neue Werk über Robert Habeck. "Jetzt.Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck" – so der etwas umständliche Titel – startet am 7. Dezember in den Kinos, begleitet von einer "Kinotour" mit Robert Habeck und Regisseur Lars Jessen mit anderen Gästen. 

Schon seit Wochen ziehen Anhänger anderer Parteien in den sozialen Netzwerken über das Werk her, ohne jenseits des Trailers auch nur eine Minute davon gesehen zu haben. Zu einseitig, zu schönfärberisch, staatlich finanzierte Parteiwerbung, so einige der Vorwürfe. Tatsächlich hat der Film laut einem Bericht der "Bild" über 270.000 Euro aus staatlichen Filmfonds erhalten. 

Eine solche Finanzierung ist freilich nichts Ungewöhnliches, kaum ein deutscher Film könnte ohne staatliche Förderung produziert werden. Selbst ein Blockbuster wie "Das Kanu des Manitu", der neue Film von Bully Herbig, wurde mit über vier Millionen Euro gefördert.

Wer den Habeck-Film sieht, muss indes feststellen: Die Kritik ist in vielen Punkten berechtigt. Gleich fünf zentrale Fehler machen den Film zu einem misslungenen Projekt, das Ansprüche an einen politischen Dokumentarfilm in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt.

Dem Regisseur fehlt die Distanz zum Subjekt 

Schon der Untertitel von "Jetzt.Wohin" macht klar, dass es um eine persönliche Annäherung an Habeck geht. Zu Beginn klärt Regisseur Jessen die Zuschauer auf, dass er mit dem Grünen-Politiker befreundet ist und sich auch seiner Politik verbunden fühlt.

Nun ist eine so persönliche Perspektive immer heikel. Weil zu viel Nähe in der Regel einer ausgewogenen Analyse im Weg steht. Im Fall von "Jetzt.Wohin." hat sich der Regisseur nicht einmal darum bemüht, diesen Punkt kritisch zu hinterfragen. Unverblümt legt er zu Beginn offen, worum es ihm ging: Darum, Teil der "Erzählung" zu sein, mit der Habeck es ins Kanzleramt schaffen wollte. 

Der Regisseur als Aktivist. Das ist besonders problematisch, wenn es um das Porträt eines Politikers geht. Die Parteizugehörigkeit ist dabei nachrangig – auch eine ähnlich unreflektierte Darstellung von Friedrich Merz oder gar Alice Weidel hätte befremdet. Zumal der Erkenntnisgewinn gering ausfällt. Wer politische Strukturen analysieren und reflektieren will, braucht Distanz. 

Jessen nutzt die Nähe nicht einmal für besondere Schlüssellochblicke, die kein anderer hinbekommen hätte. Die einzige Ausnahme ist der Tag der Bundestagswahl: Hier fängt Jessen jene Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen ein, in der Politiker schon vorab erste Zahlen bekommen. Es ist einer der wenigen starken Momente des Films, dabei zusehen zu können, wie sich die maßlose Enttäuschung in das Gesicht von Habeck und seinen Mitstreitern einfräst. Leider lässt der Regisseur diesen Zugang sonst ungenutzt. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Regisseur macht sich selbst zum Thema

Ereignisse aus der Ich-Perspektive zu erzählen, ist ein Stilmittel, was nur dann angewendet werden sollte, wenn es einen wirklichen Mehrwert hat. Sonst wirkt es allzu leicht wie eitle Selbstdarstellung. 

Ein gelungenes Beispiel ist der israelische Dokumentarfilm "How I Learned to Overcome My Fear and Love Arik Sharon" aus dem Jahr 1997. Regisseur Avi Mograbi wollte über den damaligen Premierminister Ariel Sharon ein Porträt drehen. Weil dieser ihm beharrlich ein Interview verweigerte, machte Mograbi aus der Not eine Tugend, ging zu allen öffentlichen Terminen mit Sharon und schildert in seinem Film, wie er sich auf diese Weise dem Premier annäherte – und was dies auch mit seiner eigenen Sicht auf den umstrittenen Politiker machte.

Bei "Jetzt. Wohin." erschließt sich hingegen nicht, warum Lars Jessen immer wieder vor die Kamera tritt oder thematisiert, warum Habecks anstrengender Wahlkampf auch ihn belastet. An einer Stelle geht er sogar so weit, sich von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther selbst "interviewen" zu lassen. 

Der Regisseur hat keinen roten Faden

"Jetzt.Wohin." fehlt ein stringenter Erzählstrang. Der Film beginnt als Heldengeschichte. Weil diese durch das Ergebnis der Bundestagswahl zunichte gemacht wird, schwenkt Jessen im zweiten Teil auf eine Analyse des Scheiterns des grünen Spitzenkandidaten um. Dabei macht er einen weiteren Fehler.

Der Film bleibt in der Blase

"Wenn du den Sumpf austrocknen willst, darfst du nicht die Frösche fragen", lautet ein Sprichwort. Übertragen auf "Jetzt. Wohin." bedeutet die Lehre: Wenn du wissen willst, warum Habeck und die Grünen gescheitert sind, darfst du nicht die fragen, die ihren Wahlkampf konzipiert und unterstützt haben. Genau das aber macht Jessen, von ganz wenigen Momenten abgesehen. Für einen echten Erkenntnisgewinn wäre es sinnvoller gewesen, bei denen nachzufragen, die Habeck nicht gewählt haben. 

Der Film überrascht stilistisch nicht

Nicht einmal stilistisch vermag es "Jetzt.Wohin.", das Publikum besonders für sich einzunehmen. Dabei hat Lars Jessen in früheren Werken wie "Am Tag als Bobby Ewing starb" bewiesen, dass er auch anders kann. Themen neu denken, mit Genregrenzen spielen. Dafür gab es damals auf dem Nachwuchsfestival "Max Ophüls" den Preis für die beste Regie. 

War er bei "Jetzt.Wohin" zu sehr von der politischen Mission eingenommen? War er zu sehr damit beschäftigt, den verlorenen Erzählstrang wiederzufinden? Oder hat er einfach zu sehr darauf vertraut, dass Robert Habeck schon genügend tragen wird? So oder so: Der Film ist konventionell und ohne Überraschungen inszeniert, was ihn stellenweise langatmig macht.

Für diese Zielgruppe ist der Habeck-Film geeignet

Unterm Strich wirkt "Jetzt.Wohin" (der Titel stammt aus einem Gedicht von Heinrich Heine) wie eine Traueraufarbeitung für Anhänger von Robert Habeck. Für sie mag der Film unterhaltsam und aufschlussreich sein. Für alle anderen nicht.

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