Drei Viertel von der Franzosen bleiben im eigenen Land. Vor allem jedoch kommt es ihnen im Sommer auf eines an - die allermeisten wollen die Beine und die Seele baumeln lassen.Marie-Morgane fühlt sich schlapp und ausgepowert wie selten. "Erst hatten wir alle diese Streiks der Busse und der U-Bahn, und dann im Juni dazu die fürchterliche Hitze", stöhnt die 25-jährige Verkäuferin. So wie der jungen Pariserin geht es Millionen Franzosen, die heilfroh sind, dass die Urlaubszeit endlich angefangen hat. Drei Viertel von ihnen werden im eigenen Land bleiben, das immerhin zu den schönsten und abwechslungsreichsten der Welt gehört. Vor allem jedoch kommt es in diesem Sommer auf eines an - die allermeisten wollen die Beine und die Seele baumeln lassen. Und außergewöhnlich viele zögern bis zur letzten Minute, bevor sie über ihr Urlaubsziel entscheiden.
Schluss mit dem Stress
"La fatigue nationale", die nationale Müdigkeit hat die Franzosen befallen. Und die Boulevardzeitung "Le Parisien" zählte auf, was das Jahr bisher für viele so stressig gemacht hat: Der Irak-Krieg und die Streikwelle in Metro und Schulen, die miese Konjunktur, diese Hitze, die auf den Geist ging, sowie noch einiges andere mehr. "Kollektive Verdrossenheit" lautet die Diagnose des Psychiaters Eric Albert. Er hat seinen Landsleuten quasi psychologisch den Puls gefühlt, sich all die Geschichten von genervten Kindern angehört. Und von Erwachsenen, die sich mehr denn je mit Vitaminen oder Schlafmitteln vollstopfen.
Vor allem ausruhen
Also auf in den Urlaub! "Unsere Kunden wollen sich vor allem ausruhen", berichten Reiseveranstalter: "Mehr noch als früher wollen sie abschalten und den Tapetenwechsel." So ist das süße Nichtstun á la française im Trend. Wer jetzt in Urlaub fährt, will diesmal eher nicht die kulturelle Rundreise, sondern den festen Standort ohne viel Aktivität, und dabei möglichst alles inklusive, berichtet der Pariser Reiseveranstalter Patrick Milharo. "Sogar die Jungen wollen sich über nichts den Kopf zerbrechen und greifen zum Urlaub mit Vollpension", stellen Urlaubsorganisatoren von Nouvelles Frontières erstaunt fest.
Bloß nicht planen
Wohin es in diesem Jahr nun geht, damit haben sich die Franzosen diesmal viel Zeit gelassen. Zunächst einmal haben die vielen "Ponts", jene in Frankreich besonders häufigen Feiertags-Brücken im Mai, schon Löcher in die Urlaubskasse gerissen. Im Juni liefen die Buchungen dann besser an und lassen Pierre et Vacances, den führenden Vermieter von Urlaubsresidenzen (etwa 175 000 Betten) frohlocken. Denn wo die Deutschen wegen ihrer verschärften sozialen Probleme wegbleiben, da kommen die Franzosen ins Spiel: Sie mieten sich am Atlantik ein. Und das trotz der Bilder von dem Öl des Unglückstankers "Prestige". Das überrascht selbst den Pierre-et-Vacances-Chef Gérard Brémond etwas.
Der Drang zur Zweitresidenz
Jene Ausländer, die in diesem Jahr fernbleiben (Amerikaner und Japaner auch wegen des starken Euro), sie hinterlassen womöglich also deshalb keine riesigen Lücken, weil die Franzosen redlich im eigenen Land urlauben. Hunderttausende haben aber eine Zweitresidenz an der Küste oder in den Bergen. Oder sie mieten sich bei Freunden und Verwandten ein. Schließlich will man ziemlich kostengünstig entspannen. In Zeiten kränkelnder Konjunktur eine nahe liegende Idee.