Es waren die Leser. Sie riefen an, sie schrieben, sie mailten. Nach Reportagen über durch Fluten zerstörte Dörfer, über vergewaltigte Frauen im Krieg oder arme Kinder im reichen Deutschland, die nicht wussten, woher sie ein warmes Essen nehmen sollten. Es waren die Leser, die nach den großen Reportagen und den kleinen Geschichten, nach Bildern, die sie nicht vergessen konnten, von den Journalisten wissen wollten, wie es nun weitergehe. Sie sagten, dass man doch nicht nur lesen und schauen dürfe, sondern auch etwas machen müsse. Es waren die Leser, die die "Stiftung stern – Hilfe für Menschen e.V." auf diese Weise initiiert haben. Weil sie immer wieder nachfragten und weil sie wollten, dass wir, die stern-Reporter, Hilfe dahin bringen, wo wir selbst gewesen sind und recherchiert haben, dass diese Hilfe nötig ist.
Aber wie sorgt man dafür, dass ein zerbombter Kindergarten in Bergkarabach wieder aufgebaut wird? Wie hilft man den Kindern von Moria, wenn man für ein paar Tage dort recherchiert und dann wieder zurückfährt in die Redaktion, ins Büro und im Zweifel weiter zum nächsten Ort? Wie bringt man Geld für misshandelte Frauen in ein umkämpftes Gebiet, aus dem man gerade über misshandelte Frauen berichtet hat? Umdrehen und die Frauen aussuchen, die von der Hilfe am meisten profitieren?
Das können wir nicht. Das wollen wir nicht. Wir sind Journalisten, keine Sozialarbeiter, keine Entwicklungshelfer, wir betreiben keine Krisenintervention. Andererseits: Welchen Sinn hat Berichterstattung über Hunger, Not, über Kriege und Katastrophen, wenn sich danach nichts ändert? Warum erzählen wir überhaupt diese Geschichten?
Es war ein Team um die beiden damaligen stern-Chefredakteure Thomas Osterkorn und Andreas Petzold, das Ende 2003 den Verein "Stiftung stern – Hilfe für Menschen e.V." ins Leben rief. Wir wollten den Lesern Antworten geben können. Wir wollten ihnen die Möglichkeit geben, etwas zu tun, indem wir ihnen auch kleine Hilfsprojekte vor Ort vorstellen, die da sind, wo die Hilfe am nötigsten ist. Und wir wollten den Umgang mit Spendengeldern der Leser professionalisieren: inhaltlich, juristisch, steuerrechtlich.
Henri Nannen ruft zu Spenden für Äthiopien auf
Wir kennen den Satz, dass sich ein Journalist mit keiner Sache gemeinmachen darf, auch nicht mit einer guten. Der inzwischen verstorbene "Tagesthemen"-Moderator Hanns Joachim Friedrichs hat ihn geprägt als Ausweis journalistischer Neutralität und Objektivität. Das kann man so sehen.
Gegenfrage: Kann man sich wirklich immer raushalten? Soll man das? Und ist das überhaupt gemeint?
Der stern hat schon lange vor der Gründung der Stiftung stern Hilfsaktionen gestartet. In Äthiopien hungerten 1973 nach jahrelanger Dürre mehr als eine halbe Million Menschen, Hunderttausende zogen, bis aufs Skelett abgemagert, durch das Land. Tief erschüttert lieferte ein stern-Team Bilder und Text in der Redaktion ab. "Hilfe! Hunderttausende verhungern, wenn wir nichts tun", schrieb der stern-Gründer und -Chefredakteur Henri Nannen aufs Titelblatt. Zehntausende stern-Leser und zahlreiche Unternehmer spendeten; innerhalb weniger Wochen wurden daraus über 20 Millionen D-Mark.
Die Soforthilfe war eine der bis dato größten Hilfsaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik – sie startete mit fünf Boeing 707, zwei Transall-Flugzeugen mit elf Ärzten, zwei Mercedes-Unimogs, zwei VW-Bussen und 100 Tonnen Nahrungsmitteln und Decken. Später wurden Brunnen gebohrt, Brücken gebaut und auch ein Kinderdorf.
Kooperationen mit ZDF und Arbeiterwohlfahrt
1990 sammelte der stern gemeinsam mit dem ZDF für die Aktion "Helft Russland" 138 Millionen D-Mark für hungernde und frierende Menschen in Russland. Zwei Jahre später startete der stern gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt die "Aktion Zuflucht" für Flüchtlinge aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg. Kinder wurden aus Krisengebieten gerettet, Krankenhäuser wiederaufgebaut. Es folgten viele weitere Aktionen: Fluthilfe, Tsunami-Hilfe, Mut gegen rechte Gewalt, Projekte gegen Kinderarmut, immer wieder berichteten stern-Reporter über Menschen in Not und auch darüber, wie man helfen könnte.
Seit 2004 organisiert und verwaltet der Verein Stiftung stern die Hilfen der Spender. Und noch immer ist Leiterin Thekla Kerbstat, die den Kontakt zu den unterstützten Projekten hält, bewegt, wenn sie sieht, was und wie viel man mit Hilfsprojekten erreichen kann. Dafür fährt sie, wenn es eilt, auch mal nach Büroschluss zum Western-Union-Schalter am Hamburger Hauptbahnhof, um Geld zu transferieren in Gegenden, wo es nicht an jeder Ecke eine Bank gibt. Oder wo es an gar keiner Ecke eine Bank gibt oder niemand ein Konto hat.
Seit 2004 hat die Stiftung stern viele Millionen Euro Spendengelder für zahlreiche Hilfsprojekte in Deutschland und dem Ausland vergeben. Zigtausende Leserinnen und Leser haben gespendet.
Und ja, nicht jede Hilfe gelingt.
Manchmal passieren wahrscheinlich auch Fehler. Nur wer nichts macht, macht nichts falsch. Danke an alle, die dabei sind.