Fiat oder Magna Wer ist der Richtige für Opel?

Wenn Opel überleben soll, benötigt der Autohersteller Steuergelder und einen starken Partner. Zwei Konzerne haben Interesse angemeldet, doch wer ist der Richtige? stern.de-Redakteur Gernot Kramper wirbt für Fiat, Kollege Stefan Grundhoff vertraut auf das Know-How des Lieferanten Magna.

Leicht wird es nicht, einen Partner für Opel zu finden. Groß sind die Befürchtungen, dass Arbeitplätze vernichtet werden und deutsche Steuergelder am Ende nur der Sanierung ausländischer Konzerne dienen. Probleme bringt jede denkbare Kombination mit sich. Mit Opel oder genauer gesagt GM Europe ist eben nicht ein kerngesundes Unternehmen unverschuldet in den Sog der Finanzkrise geraten. So wie vorher kann und darf es für Opel nicht weitergehen. Von Jahr zu Jahr hat das Unternehmen weniger Autos an den Mann gebracht. Welcher Partner – Magna oder Fiat – hat das Potenzial, den Abwärtstrend umzukehren?

Pro Magna

Von Stefan Grundhoff

<B>Heirat mit dem Lieferanten</B>
Bei Magna und Opel gibt es kaum störende Schnittmengen, das spricht für Harmonie in der Verbindung. Der kanadisch-österreichische Konzern produziert in geringen Dimensionen in seinem Werk Graz zwar Fahrzeuge für Mercedes, Saab und die insolvente Chrysler-Group. Doch die Kernkompetenzen von Magna liegen seit Jahren in der Entwicklung. Zudem ist man einer der bedeutendsten Zulieferer auf dem Markt; hat aber trotzdem exzellente Erfahrungen bei der Produktion und bei der Einbindung von Zulieferungen in den Produktionsprozess.
Magna kennt sich ausgezeichnet mit Psychologie und Arbeitsweise von General Motors aus. Als Zulieferer ist man es ohnehin gewohnt, sich in die Denkweise seiner Kunden einzufühlen. Das wäre auch für eine Partnerschaft mit Opel keine schlechte Voraussetzung. Als der GM-Tochter Saab vor Jahren das Geld für die Entwicklung eines neuen 9-3-Cabriolets fehlte, versprach man den Grazern nicht nur die Produktion, sondern auch die weitgehende Entwicklung des Modells. Das Design kam von Saab; die Triebwerke teilweise aus der alten Motoren-Gemeinschaft zwischen Opel und Fiat. So wurde das schnittige 9-3-Cabriolet für Saab zu kaum mehr als einem durchlaufenden Posten. Die technische Umsetzung des schwedisch-österreichischen Sonnenanbeters fand ganz überwiegend in Österreich statt. Auch historisch gäbe eine nette Parallele zwischen beiden Firmen. General Motors war im Jahre 1960 der erste Automobilhersteller, der Magna mit Hauptsitz in Aurora / Ontario einen Großauftrag gab. GM orderte bei Firmeninhaber Frank Stronach metallgestanzte Bügel für die Sonnenblenden.

Der größte Vorteil dürfte jedoch die unterschiedliche Ausrichtung von Magna und Opel sein. Im Gegensatz zu einer innigen Verbindung mit Fiat würden sich die Produktportfolios beider Hersteller kaum überschneiden. Die Fahrzeuge, die Magna in Form von Geländewagen (BMW X3, Mercedes G-Klasse, Jeep Grand Cherokee, Jeep Commander, ab 2010 Mini Crossover) und Cabriolets (Saab 9-3) produziert, sind nicht in den Segmenten unterwegs, in denen Opel seine Kernkompetenzen hat. Vielleicht könnte das Know-How von Magna mittelfristig dazu führen, dass Opel ein vernünftiges Fahrzeug im Segment der Mittelklasse-SUV anbieten kann. Derzeit fährt man dem volumenstarken Markt mit dem wenig überzeugenden Antara hinterher. Der Koreaner ist einer der wenigen Schandflecken der aktuellen Opel-Modellpalette. Die Wahrscheinlichkeit, dass die bestehenden vier deutschen Werke so stark wie bei Fiat schrumpfen müssten, wäre klein. Anders als allen anderen in der Branche fehlen Magna bisher Produktionskapazitäten, so sollten zwei Opelwerke gerettet sein. Zumindest für ein drittes Werk sieht es ebenfalls gut aus. Dass alle vier deutschen Opel-Werke weiter bestehen können, hoffen die Arbeiter. Aber angesichts der seit Jahren schlechten Auslastungszahlen ist dieser Traum bei jeder Übernahme unwahrscheinlich.
Zukünftige Opel-Fahrzeuge könnten durch den Zusammenschluss zu einem großen Teil auf Komponenten von Magna umgerüstet werden. Was wäre dagegen zu sagen, wenn Teile der Innenausstattungen, Tür- oder Cockpitmodule sowie Brems- oder Allradtechniken zukünftig aus dem Hause Magna in Corsa, Astra und Insignia implementiert würden? Ganz nebenbei: Derzeit arbeitet Opel mit anderen Zulieferern deutlich enger als mit Magna zusammen. Opel würde die Entwicklungs- und Zuliefervolumina bei Magna deutlich anheben und somit indirekt in die eigene Familientasche wirtschaften. Wieso also nicht? Es gäbe schlechtere Ehen als zwischen Magna und Opel.
Pro Fiat

Von Gernot Kramper

Eine Braut, die sich was traut
Was würde gut zu Opel passen, was fehlt dem Unternehmen am Markt? Das Image! Opel gilt als so bieder, dass es jedem, der seine Jacke nicht gerade bei Lidl kauft, vor dem Rüsselsheimer Lifestyle graut. Fiats Fahrzeuge hingegen haben Rasse und Schick. Ob Grande Punto, der geniale 500er oder der den Atem raubende Alfa Mito - Alles bellissima! Schöne Autos bauen auch andere, nur haben BMW und Audi kein besonderes Interesse an Opel geäußert und zweitens schafft es nur der Fiat-Konzern, so preisgünstige Wagen mit Style aufzuladen. Wer einmal die Gelegenheit hatte, die ungelenken Selbstinszenierungen der Opelaner in Sachen "Lifestyle" mitzuerleben, weiß, dass hier dringend Nachhilfe im Tangoschritt der automobilen Verführung benötigt wird. Und den beherrschen die Italiener perfekt. Sie zeigen selbst einen Wagen wie den Panda, der zurzeit mit Preisen von 5000 Euro (inklusive Abwrackprämie) verjubelt wird, mit Anmut und Grandezza.

Vor der Hochzeit sollte Opel Selbstvertrauen in die eigenen Stärken zeigen und nicht nur ängstlich auf Überkapazitäten schauen. Der Markenkern von Opel beinhaltet etwas, woran es den Italienern immer gefehlt hat: Qualität und Solidität. Auch das ist keine angeborene Eigenschaft, sondern ein Know-How über den Bau von Fahrzeugen, das Opel in die Ehe einbringen kann.

In der Modellpalette von Opel und Fiat gibt es auch unangenehme Überschneidungen. Im Bereich des B-Segments und der Kompaktklasse drängen sich die konkurrierenden Modelle. Hier kann es zu Einschnitten kommen. Jenseits der Größen von Corsa und Astra gibt es dafür sinnvolle Ergänzungen. Im Bereich der Klein- und Kleinstwagen ist Fiat außerordentlich stark. Hier könnte sich Opel in Zukunft aus dem gemeinsamen Regal bedienen, anstatt auf Partner wie Suzuki zu vertrauen.

Oberhalb der Kompaktklasse haben die Italiener dafür kräftige Defizite und Opel wäre prädestiniert, sie zu lösen. Ein Mittelklassewagen wie der Alfa 159 wird allein wegen des Image und des Design gekauft, den Wagen darunter nimmt der Kunde quasi in Kauf. Die Kompetenz, die ein Modell wie der Insignia, verkörpert, würde es Fiat ermöglichen mit Opelbasis, die Marken Lancia, Alfa und Fiat nach oben abzurunden und auf dem Stand der Dinge zu bleiben. Ähnliches gilt für die Mini Vans. Die antiquierten italienischen Modelle könnten von der nächsten Generation des Zafira profitieren. Vor Chrysler muss Opel dabei keine Angst haben. Wenn Chrysler nach den verlorenen Jahren mit Cerberus noch Kompetenz besitzt, liegt diese im Bereich von sehr großen Fahrzeugen und in der Technik von ebenfalls sehr großen Benzinmotoren. Beides spielt im Portfolio von Fiat und Opel bislang keine Rolle und würde auch in Zukunft nicht über ein Nischendasein in Prestigefahrzeugen hinwegkommen.

Fiat steht aber nicht nur für knallharte Sanierung und hübsche Schwünge im Blech, auch technisch müssen sich die Italiener nicht verstecken. In Turin begann die "Common Rail"- Revolution, die den Dieseln zu enormem Drehmoment bei niedrigem Verbrauch verhalf. Mit der neuartigen "Multiair"-Technik sollen ab Sommer 2009 Benzinmotoren vollelektronisch von Magerbetrieb auf Kraftsportler umgeschaltet werden.

Die Opelaner fürchten um Standorte und Arbeitplätze. Die Sorge ist berechtigt. Durch die seit Jahren sinkenden Marktanteile sitzt Opel auf erheblichen Überkapazitäten. Fiat hat daran keine Schuld. Es gibt jetzt die Zusicherung aus Turin drei Standorte zu erhalten. Mehr ist im Moment nicht zu erwarten. Opel ist eine Firma mit erheblichen Strukturschwierigkeiten und ist daher von der Krise besonders betroffen. Ein Partner wie Fiat eröffnet den Weg zu einer Lösung, kann jedoch keine Wunder wirken.

Vor allem aber ist Fiat ein großer, europäischer Autohersteller mit einem vitalen Interesse an der Vermählung mit Opel. Endlich eine Braut, die will. Damit hat die Fiat-Offerte ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal, denn andere namhafte Autohersteller von Volkswagen, über PSA, BMW oder Mercedes haben bereits abgewunken. Mögen die Manager und Betriebsräte bei Opel auch noch so griesgrämig gucken. Opel ist auf dem Heiratsmarkt der Autoallianzen nicht der Märchenprinz, um den sich die schönsten Bräute prügeln. Wer jetzt an der italienischen Verlobten nur herummäkelt, wird am Ende von Berlin zwangsverheiratet.