Mexiko Helle Haut bevorzugt

Der Großteil der Bevölkerung Mexikos ist dunkelhäutig. Den Fernsehschirm und die Plakatwände jedoch bevölkern Models, die oft aus Nordeuropa zu kommen scheinen. Die Werbung ignoriert die Wirklichkeit - und ändert sich nur langsam.

Juan ist ein bisschen blöd. Und stur. Er hat einfach keine Lust, sich anzuschnallen. Und weil, wer nicht hören will, bekanntlich fühlen muss, lernt Juan eben auf die harte Tour. Bei einer Vollbremsung wird er durch den ganzen Bus geschleudert, stößt sich den Kopf und sieht Sterne. Danach versteht auch Juan, wie wichtig ein Sicherheitsgurt ist. Juan ist eine Zeichentrickfigur in einem Clip der mexikanischen Busfirma ADO. Und: Juan ist ein "Moreno". So nennt man in Mexiko den dunkelhäutigen Teil der Bevölkerung. Der intelligente freundliche Tourbegleiter, der die Passagiere in dem Clip darauf hinweist, wie wichtig es ist sich anzuschnallen, ist dagegen ein "Güero" - ein hellhäutiger Mexikaner.

Dunkelhäutige Züge kommen kaum vor

Der Film ist typisch für die mexikanische Werbung. Der Großteil der Bevölkerung Mexikos ist dunkelhäutig. Den Fernsehschirm und die Plakatwände jedoch bevölkern Models, die oft aus Nordeuropa zu kommen scheinen. "Wenn braunhäutige Menschen in der Werbung auftauchen, dann ist es entweder ein Indio-Kind, in einer Anzeige, die zu Geldspenden für wohltätige Zwecke auffordert, oder eine typische Mexikanerin in einer Anzeige für Mexiko. Und dann hat sie europäische Züge. Dunkelhäutig und indianische Züge - das gibt’s nie", erklärt Marisa Belausteguigoitia, Direktorin des Instituts für Geschlechter-Studien.

Als Grund für die diskriminierende Werbung sieht die Wissenschaftlerin einen versteckten Rassismus in der Gesellschaft Auch wenn es heute kaum jemand zugeben möchte: Für die Mexikaner sei Hellhäutigkeit seit den Tagen der spanischen Eroberer ein Zeichen von Überlegenheit. "Güero" zu sein ist gleichbedeutend mit Erfolg, Macht, Wohlstand und sozialem Status. "Daher gibt es diese ablehnende Reaktion auf Dunkelhäutigkeit. Und das, obwohl 80 bis 90 Prozent der Mexikaner braune Haut haben", sagt Belausteguigoitia.

Versteckter Rassismus

Die Folge davon ist, dass im Werbefernsehen immer wieder Bilder auftauchen, die nichts oder nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. "Die Werbung zeigt einen Lebensstil, den die Konsumenten als erstrebenswert empfinden sollen", erklärt Eduardo Pérez, Direktor der Werbeagentur S2. "In Mexiko herrscht die Idee vor, dass das Erstrebenswerte das ist, was nicht mexikanisch ist; es ist das Unerreichbare. Dabei müsste das Erstrebenswerte das Beste sein, was wir selbst haben", sagt Pérez.

Stattdessen suchen die Mexikaner das Erstrebenswerte anderswo. Beispielsweise in den USA. Die geographische Nähe und der starke wirtschaftliche Einfluss des mächtigen Nachbarn im Norden beeinflussen die mexikanische Definition von Erfolg in großem Maße. "Wir importieren eine Menge Idealbilder, wie man zu sein hat, aus den USA", erklärt Marisa Belausteguigoitia. "Man muss jung sein, schlank, weiß."

Veränderungen im Schneckentempo

Doch die Dinge sind in Bewegung geraten, wenn auch nur langsam: Die Rebellion der Zapatisten im südlichen Bundesstaat Chiapas seit 1994 gilt in dieser Hinsicht ein Meilenstein. Damals rebellierten Indios gegen den Staat - mit ihren eigenen Mitteln. Aber die Einstellungen ändern sich nur allmählich. "300 Jahre Kolonialismus lassen sich nicht über Nacht ungeschehen machen", sagt Belausteguigoitia, als wäre Mexiko nicht schon seit fast 200 Jahren unabhängig. Werbefachmann Pérez bestätigt das Schneckentempo der Veränderung: "Es erscheinen ein paar ehrliche Anzeigen mehr, die uns zeigen wie wir sind. Aber der Prozentsatz ist winzig."

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Ralf Lehnert/DPA