Gut, es gibt keinen Balkon. Aber ansonsten kann man über die Bude nicht meckern: Gut hundert Quadratmeter sonnendurchfluteter Altbau, das Hamburger Szeneviertel Schanze um die Ecke, in einer ruhigen Seitenstraße, mit hohen Decken und Flügeltüren. Hier wohnt Josef. Allein. Einmal in der Woche kommt sein Sohn vorbei, für die schweren Einkäufe oder um seinen Fernseher immer wieder einzustellen. Josef ist 68 Jahre alt.
Ginge es nach dem Gewerkschaftschef Robert Feiger müsste Josef seine Kartons packen. Er fordert, dass umzugswillige Rentner ihre großen Wohnungen für Familien, die nach einer neuen Bleibe suchen, räumen sollen. Und um ihnen diese Entscheidung zu erleichtern, solle der Staat das Ganze mit einer Prämie von bis zu 5000 Euro anschieben.
Leider kennt Herr Feiger Josef nicht. Dann würde ihm schnell klar werden: Die Idee ist absurd.
Mein Haus, mein Block
Gerade ältere Menschen brauchen die ihnen bekannte Umgebung. Ihre sozialen Kontake. Den Tante-Emma-Laden um die Ecke, wo man sich kennt, die Plauderei morgens mit dem Postboten und den Kiosk-Betreiber, der die Fernsehzeitung auch mal in den zweiten Stock bringt. Josef ist in seinem Kiez verwurzelt. Er bezog die Wohnung in den späten 1970er Jahren. Natürlich zahlt er längst nicht mehr die 400 Mark Monatsmiete wie zum Einzug. Aber seine Miete ist für die Lage natürlich prächtig. Und er kennt seine Nachbarn, hat Freunde in seinem Quartier. Der will nicht weg.
Und, das hat Herr Feiger auch übersehen, ein Umzug ist körperlicher und mentaler Stress. Man wird gezwungen sich durch das Lebenssammelsorium zu sortieren, muss sich von Dingen verabschieden - das nervt und belastet. Denn je älter ein Mensch wird, um so größer wird der Berg aus Erinnerungsstücken und Nostalgie-Nippes. Und auch wenn die Regierung Josef eine Umzugsfirma bestellt, die ihm die übervollen Kisten aus dem Haus schleppen: Solange Josef noch kann, will er in seiner Wohnung bleiben. In seinem Alter hält er nicht mehr so viel von Veränderungen.
Völlig überteuerter Wohnraum
Sicherlich, er könnte versuchen sich eine kleinere Wohnung zu organisieren. Aber das vollkommen ausgeschlossen, denn der Mietmarkt in den nachgefragten Lagen in Hamburg ist vollkommen überlaufen. Bezahlbaren Wohnraum wird Josef nicht finden - überteuerte Buden, die mitunter 17 Euro kalt pro Quadratmeter kosten, bestimmen die Immobilienanzeigen. Zu den Besichtigungsterminen drücken sich hunderte Interessenten in den Hausfluren. Das wäre nix für Josef.
Richtige Frage, falsche Antwort
Aber Herr Feige lag gar nicht so falsch. Denn er hat lediglich eine falsche Antwort auf die richtige Frage gegeben. Er hat eine Lösung für das Dilemma präsentiert, dass immer mehr Menschen nicht in den grünen Speckgürtel im Umland ziehen, sondern gerne in der Stadtlage weiterleben möchten. Und die brauchen jetzt Wohnraum, der groß genug ist, um mit einer Familie dort zu leben. Aber genau diese Wohnungen sind selten - in den besonders nachgefragten Stadtteilen quasi gar nicht existent und in den Mittelklasse-Quartieren zumindest rar. Die Antwort auf die stadtplanerische Herausforderung kann also nicht sein, alte Menschen aus ihren Wohnungen zu locken. Sondern Politik und Wohnungswirtschaft müssen in die Verantwortung genommen werden, es ist ihre Aufgabe für ausreichend Wohnraum zu sorgen. Ohne Josef vor die Tür zu setzen.
