Pegida Kommt eine tschechische Journalistin nach Dresden ...

Von Andrea Votrubová
Auf dem Dresdner Messegelände konzentrierte sich am Montagabend die deutsche Wut gegen Ausländer. Obwohl ich Ausländerin bin, fühlte ich mich bei der Pegida-Kundgebung zuweilen fast wie ein Star.

Die Deutschen haben den Ruf, ein fleißiges und tolerantes Volk zu sein. Weltweit, auch in meiner Heimat Tschechien. Immer wieder hört man Berichte über eine mächtige Kanzlerin, die mit Putin über die Ukraine oder mit dem unberechenbaren Syriza über das Schicksal Griechenlands verhandelt. Deutschland ist ein mächtiges Land. Auf manchen Ebenen der Gesellschaft sieht es aber ganz anders aus. Das habe ich Montagabend gelernt.

Da durfte ich das erste Mal eine Pegida-Demonstration miterleben. Der niederländische Islamfeind Geert Wilders sprach, dem, wie schon immer, auch manches Mitglied der rechtsextremen Szene lauschte. Aus Sachsen, aber auch anderswoher. Christian Behr spricht über eine gewisse Art von Tourismus. Er ist der Pfarrer der Dresdner Kreuzkirche, deren Mitarbeiter am Ostermontag von zwei Pegida-Anhängern bedroht wurden. Behr kennt sich besser aus.

"Sie sind nicht von 'Russia Today'?"

Ich kann Rechtsextremisten nicht auf den ersten Blick erkennen. Doch auch die schwarzgekleideten jungen Männer mit wilden Tattoos und strengem Blick tragen nicht zu meinem Sicherheitsgefühl bei. Aber in der Menge gibt es eine Menge so genannter normaler Leuten, die ich mich ohne das geringste Zögern anzusprechen traue. Und das obwohl ich selbst Journalistin bin, für Pegida also Teil der Lügenpresse. Ihre willigen Antworten auf meine Fragen machen den Eindruck, dass diese Menschen ihren Frust tatsächlich jemandem anvertrauen wollen. Als ob jemand, der gar kein perfektes Deutsch spricht, ihre Aussagen weniger verzerren könnte, als ein lokaler Journalist.

Vielleicht haben sie mich auch nur verwechselt: Als ich einen Mann mit russischer Fahne in der Hand mit "Ich bin eine tschechische Journalistin, darf ich Sie bitte kurz fragen…" ansprach, ersetzte er kurzerhand das "tschechische" mit "russische" und begann arglos über die tolle Beziehung zwischen Deutschland und Russland zu reden, dessen Präsident "unser großer Freund" sei und die "USA der größte Kriegstreiber in der Welt". Erst nach einer Weile klickte es bei ihm: "Ach so, Sie sind gar nicht von 'Russia Today'?"

Er blieb immerhin nett. Schließlich war ich ja kein Flüchtling, den die meisten Anwesenden wahrscheinlich noch nie mit eigenen Augen gesehen haben. Ich trage auch kein Kopftuch, um hier durch die Manifestation einer Religion zu provozieren, die Geert Wilders eine "perverse Ideologie" nennt. Trotzdem bin ich eine Ausländerin. Und zwar aus Tschechien, deren Bewohner nach dem Beitritt in die EU sieben Jahre lang warten mussten, bis sie endlich auch nach Deutschland zur Arbeit fahren durften. Damals waren meine Landsleute die unerwünschten Zuwanderer. Heutzutage sind sie unbestreitbar schon akzeptiert. Auch wenn uns manche Deutschen immer noch komisch finden. Aber dann wohl eher wegen den oft dummen Aussagen unseres Präsidenten.

"Die nächste Stufe ist die Waffengewalt"

Nun hat man einen anderen Sündenbock für die eigene Frustration gefunden. Und in manchen Fällen ist er ungleich verletzbarer als wir es damals waren. Dennoch begannen die Gespräche mit fast allen Demonstranten mit einem gebetsmühlenartigen "Ich bin kein Ausländerfeind, aber...". Als hätten sie gemeinsam geübt.

Tatsache ist, sie meinen es wohl ehrlich. Sie machen sich Sorgen. Und auch wenn sie doch in Sicherheit leben, wurde ihre Angst spürbar. Allerdings fing ich bald selbst an, mir Sorgen zu machen. Und zwar, als ein Pegida-Anhänger erklärte, warum die Anzahl der Angriffe auf Asylbewerberheime in kurzer Zeit so stark gestiegen sei: Das sei eine "normale Reaktion". Denn "wenn Bürgern nicht zugehört wird, dann kommt die nächste Stufe, und das ist das (Er meint Tröglitz, Anm.d.Red.). Und die nächste Stufe ist die Waffengewalt." Die derzeitige Situation sei die Folge der deutschen Asylpolitik. Wenn die anders wäre, "würde es nie dazu kommen. Naja, vielleicht manchmal, aber nicht so häufig."

Als ob die ankommenden Flüchtlinge den Anliegern die Augen ausstechen wollten. Tja, die Vorstellung von Deutschland, das die Zügel des vereinten Europa fest in der Hand hält, war wohl eine Illusion. Das habe ich am Montag zumindest für mich festgestellt.