Am vergangenen Freitag um 20 Uhr war ich in einer deutschen Millionenstadt mit drei Apple-Mitarbeitern verabredet. Sie wollten über Arbeitsbedingungen in den Apple-Stores auspacken. Aber nur einer kam.
Die beiden Anderen hatten einen Rückzieher gemacht. Aus Sicherheitsgründen verlegte ich den Treffpunkt von dem reservierten Hinterzimmer in einem italienischen Restaurant in eine zufällig ausgewählte Pizzeria. Denn mein Informant hielt es für möglich, dass der ursprünglich gewählte Treffpunkt ausgeplaudert wurde und beobachtet werden könnte.
Das klingt paranoid, ist aber bezeichnend für das miese Klima in den zehn Apple-eigenen Stores in Deutschland. Der Spiegel berichtet aktuell über schlechte Luft, überfüllte, laute Läden und strenge Überwachung der auf Stundenbasis eher dürftig bezahlten Angestellten.
Der erste frustrierte Apple-Mitarbeiter hatte sich im September bei uns gemeldet, anonym per E-Mail. Aus Frust über die schlechten Arbeitsbedingungen. Der junge Mann von Mitte zwanzig mit abgeschlossener Berufsausbildung schien zunächst eingeschüchtert von Apple. Erst nach einem mehrstündigen Gespräch taute der „Specialist“ genannte Apple-Verkäufer auf und überreichte mir seine Apple-Store-Visitenkarte, auf der sein Name steht.
Es tut sich ein ernüchternder Blick auf hinter die blank polierte Glasfassade der Apple-Geschäfte. Die begehrten, Hunderte von Euro teuren digitalen Spiel- und Werkzeuge werden offenbar von Mitarbeitern verkauft, die sich oft behandelt fühlen wie bei einem Discounter, nämlich unter Wert. Enttäuschte Liebe scheint ein Motiv für das Dampfablassen gegenüber Medien zu sein. Denn Einstellungsvoraussetzung in einem Apple-Store ist neben einem meist jugendlichen Alter und einem extrovertierten Wesen ein hohes Maß von Verknalltheit in Apple-Produkte. Die starken Gefühle für die einst rebellische angehauchte Marke zeigen sich auch in der Anhänglichkeit der Whistleblower: Obwohl sich die Apple-Store-Mitarbeiter, die mir gegenüber auspackten, frustriert und erschöpft sind, wollen sie nicht etwa kündigen. Sondern sie wollen weiter alles von Apple verkaufen, reparieren und in Kursen erklären dürfen.
Diese Zuneigung erwidert die Apple Retail Germany GmbH nur zögerlich. Erst als sich in München, dem ältesten deutschen Apple-Store, der erste Betriebsrat gegen starke Widerstände konstituieren konnte, erhielten zahlreiche Mitarbeiter über Nacht kräftige Lohnerhöhungen. Das berichten Mitarbeiter und die Gewerkschaft Verdi übereinstimmend. Etwas Vergleichbares passierte auch in den USA, als die New York Times die aufreibenden Arbeitsbedingungen in Apple-Läden ausführlich recherchierte. Als sich dies herumsprach, wurden viele Mitarbeiter besser bezahlt.
An dem Thema bleibe ich dran: Für Apple-Store-Mitarbeiter mit Liebeskummer habe ich weiterhin ein offenes Ohr.
von Dirk Liedtke
Foto: Sebastian Widmann/dapd