Der Investigativ-Blog Wo sind die 118 untergetauchten Rechtsextremisten?

Der Investigativ-Blog: Wo sind die 118 untergetauchten Rechtsextremisten?

Anfang Mai haben wir das letzte Mal nachgezählt, wie viele Rechte mit Haftbefehl gesucht werden. Damals waren es 109. Jetzt liegen neue Zahlen vor.

In Berlin hat Innenminister Hans-Peter Friedrich gestern die "Rechtsextremismusdatei" (RED) gestartet, ein Verzeichnis von gewaltbereiten Akteuren aus der Nazi-Szene: "Ein Mausklick genügt jetzt, um eine bestimmte Person ausfindig zu machen", sagte Friedrich. Ob auch die erschreckend vielen untergetauchten Rechtsextremisten dort verzeichnet sind, können wir natürlich nicht überprüfen. Zugang zur RED haben nur 36 Behörden, die das braune Verzeichnis auch mit ihren Erkenntnissen füttern – alle Geheimdienste und Kriminalämter, bis auf den Bundesnachrichtendienst (BND).

Die aktuelle Zahl flüchtiger Neonazis und Straftäter mit rechtem Hintergrund wurde in diesen Tagen durch die Antwort (pdf) der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke bekannt. Zum Stichtag 30. Juni 2012 waren 118 Personen "mit Bezügen zur Politisch motivierten Kriminalität Rechts" auf der Flucht. Zwar sind das 9 mehr als noch im Mai 2012, trotzdem ist die Erfolgsbilanz der Ermittler ordentlich. Denn die Liste der zu Jahresbeginn Gesuchten ist von 160 auf 47 Personen zusammengeschrumpft. Zahlreiche neue flüchtige Rechtsextremisten sind allerdings hinzugekommen, daher ist die Zahl netto sogar gestiegen.

Von den 118 Untergetauchten werden 18 wegen rechtsextremistischer Straftaten (darunter 3 Gewalttaten) gesucht, 100 wegen sonstiger Straftaten (darunter 31 Gewalttaten). Genauer schlüsselt die Bundesregierung die Zahlen leider nicht auf. Und unklar bleibt weiterhin, wieso drei Beschuldigte in der ursprünglichen Liste (pdf) mit dem Stand 4. Januar nicht als rechtsmotivierte Straftäter gekennzeichnet waren: Einer erhob den rechten Arm zum Hitlergruß und rief "Sieg Heil", "Heil Hitler" und "Deutschland, den Deutschen". Ein Zweiter rasierte einem anderen vor dem Besuch eines Volksfestes ein Hakenkreuz in den Hinterkopf und ein Dritter verwendete "Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation".

Diese Frage kann die Bundesregierung nicht beantworten, denn dafür ist irgendein Polizist verantwortlich, der – warum auch immer – bei der Aufnahme dieser Straftaten nicht "Straftäter rechtsmotiviert" eingetragen hat.

Fortgeschrieben wird die Liste der untergetauchten Rechtsextremisten auch nach dem Start der zentralen Neonazidatei nur zweimal im Jahr, zu Jahresbeginn und -mitte. Das ist immerhin ein Fortschritt. Denn vor zehn Monaten, kurz nach Auffliegen der NSU-Terrorzelle, konnten die Ermittler diese einfache Frage zunächst gar nicht beantworten.

Foto: Bernd Thissen/DPA

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