Editorial 8 900 000 000 000 Euro - so reich ist Deutschland

Liebe stern-Leser!

Soziale Gerechtigkeit ist eines der großen Themen der Zeit. Die Frage, nach welchen ethischen Grundsätzen die Güter und Chancen in unserer Gesellschaft verteilt werden, ist heftig umstritten. Wir wissen, dass zehn Prozent der Deutschen 60 Prozent des gesamten Vermögens besitzen, während mehr als 13 Prozent in relativer Armut leben. Wir hören, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Aber um welche Summen genau geht es? Die Deutsche Bundesbank hat für den stern ausgerechnet, wie groß das gesamte in Deutschland angesammelte Vermögen ist: 8,9 Billionen Euro. Ausgeschrieben sind das 8 900 000 000 000 Euro. So viel ist wert, was Privatleute, Firmen oder der Staat an Geld, Aktien oder Grundstücken besitzen, Schulden sind da bereits abgezogen. Das wären bei 82 Millionen Einwohnern pro Kopf 108 000 Euro, aber so ist die Welt bekanntlich nicht. Wem also gehört Deutschland?

Als stern-Reporter Rolf-Herbert Peters vor gut einem halben Jahr mit den Recherchen zu dieser Titelgeschichte begann, ahnte er nicht, wie mühsam sie werden würden. Behörden, Kirchen, Kommunen, Aktienfonds - keiner konnte oder wollte präzise Auskunft über sein Vermögen geben. Kaum einfacher war es, Menschen zu finden, die bereit waren, sich mit ihrem Besitz fotografieren zu lassen. Die Angst vor Neidern raubt nicht nur Millionären den Mut, sondern auch vielen Kleinsparern. Trotzdem gelang es dem stern-Team in mühsamer Kleinarbeit, viele spannende Fakten zu erfahren und interessante Menschen vor die Kamera zu bekommen (Seite 52).

Seit Clara Rojas vor drei Wochen aus der Gefangenschaft der kolumbianischen Guerilla freikam, versuchen Journalisten aus aller Welt, ein Gespräch mit der Anwältin zu bekommen. Während ihrer sechsjährigen Geiselhaft war sie von einem ihrer Bewacher schwanger geworden und hatte im Dschungel einen Sohn geboren, der ihr im Alter von neun Monaten weggenommen wurde. stern-Reporter Joachim Rienhardt traf die Vertraute der immer noch entführten Ingrid Betancourt in Madrid, wo sie an einem Kongress von Terroropfern teilnahm. Er stieg im gleichen Hotel ab wie sie, kam mit Rojas ins Gespräch und gewann ihr Vertrauen, als er ihr von einer kolumbianischen Freundin erzählte, deren Schwester ebenfalls entführt war. Stundenlang schilderte sie ihm anschließend ihre fast unglaubliche Geschichte (Seite 42).

Von dieser Ausgabe an kostet der stern 3 Euro, für Abonnenten 2,80 Euro. Diese Preiserhöhung um 20 Cent ist nach knapp zweieinhalb Jahren leider notwendig, will aber gut begründet sein - zumal der stern erst kürzlich eine kritische Titelgeschichte über Preiserhöhungen veröffentlicht hat. Also: Uns belasten nicht nur allgemeine Kostensteigerungen, insbesondere gehen die Preise für Papier nach oben. Gleichzeitig sind unsere Werbeerlöse seit Jahren rückläufig. Darunter soll aber weder der Inhalt noch die Qualität des stern leiden. Wir liefern Ihnen Woche für Woche - egal, wie viele Werbeanzeigen wir bekommen - mindestens 100 redaktionelle Seiten mit Information und Unterhaltung, mit Berichten und Reportagen, Fotos und Karikaturen. Wir haben Korrespondenten überall auf der Welt, scheuen für eine gute Geschichte weder Mühe noch Kosten. Und was am wichtigsten ist: Wir sind journalistisch unabhängig, weil wir wirtschaftlich stark sind und auf niemanden Rücksicht nehmen müssen. 3 Euro für einen stern - so viel kostet heute eine Latte macchiato, die man im Café in wenigen Minuten ausschlürft. Ich denke, Sie bekommen bei uns viel mehr für Ihr Geld.

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