der deutsche Kündigungsschutz ist legendär: In keinem anderen Land sind die Hürden, Mitarbeiter zu entlassen, so hoch wie bei uns. Sagen jedenfalls Arbeitgeber und Politiker, und Millionen von Beschäftigten haben sich darauf verlassen. Doch jetzt in der Krise wächst die Verunsicherung von Tag zu Tag, immer mehr Unternehmen planen, sich von einem Teil der Belegschaft zu trennen. Die betroffenen Arbeitnehmer werden den Kündigungsschutz nun brauchen und feststellen, dass er gar nicht so mächtig ist, wie viele behaupten. Denn die strengen Spielregeln werden seit Jahren ausgehöhlt, verletzt oder immer großzügiger interpretiert. stern-Redakteurin Doris Schneyink und die Fotografin Mareike Foecking reisten zwei Wochen durch die Republik, sie sprachen mit Männern und Frauen, die gerade gefeuert wurden und die niemals damit gerechnet hätten, dass es so schnell gehen kann. Sie alle wähnten sich in Sicherheit - weil ihre Leistung stimmte, weil ihr Unternehmen im Kern gesund ist oder weil sie schon so lange dabei sind (Seite 26).
Wie sich die Krise bei unseren Nachbarn in Europa bemerkbar macht, das wird der stern von dieser Ausgabe an in loser Folge berichten. Wir beginnen mit Großbritannien. Das Land steht unter Schock. In der vergangenen Woche hat die britische Regierung den neuen Haushalt vorgelegt, und die Zahlen sind schlimmer als befürchtet: Die öffentlichen Schulden werden bis 2013 auf knapp 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen, und noch dieses Jahr könnten fast eine Million Menschen ihren Job verlieren. Es ist das Ende eines Traums. Die beiden Labour-Premierminister Tony Blair und Gordon Brown hatten versprochen, dass sich die großen Wirtschaftskrisen der 70er und 80er Jahre im Land nicht wiederholen würden. Sie setzten ganz auf die Finanzindustrie, die London zum Markt der Millionäre werden ließ. Doch nun ist der Flirt mit dem großen Geld zu Ende. stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs und Fotograf Peter Dench recherchierten in Vororten Londons, in denen ehemalige Spitzenverdiener fürchten müssen, nach ihrem Job bald auch ihr Obdach zu verlieren. Und sie fuhren in den Nordosten Englands, wo die Einwohner von Industriestädten wie Hull miterleben, wie die Weltwirtschaftskrise die wenigen verbliebenen Arbeitsplätze vernichtet (Seite 46).
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn