Editorial Respekt vor Mut und Glauben

Liebe stern-Leser!

Das Schicksal der siamesischen Zwillinge aus Lemgo hat nicht nur weltweites Interesse gefunden, sondern auch viele Diskussionen ausgelöst. Die Eltern Nelly und Peter Block sind gläubige Christen. Sie hatten eine Abtreibung abgelehnt, aber das Risiko einer Operation in Kauf genommen. Diese Entscheidung haben wir zu respektieren, auch wenn wir selbst vielleicht nicht den Glauben, den Mut und die Kraft dazu gehabt hätten.

Prof. Dr. Volker von Löwenich, der Vorsitzende der Ethik-Kommission der deutschen Akademie für Kindermedizin, sieht keinen moralischen Widerspruch in der Haltung der Eltern. "Wer das Leben als ein Geschenk Gottes betrachtet, möchte seinem Kind auch ein würdiges Leben ermöglichen. Bei siamesischen Zwillingen ist jedoch die Lebensqualität erbärmlich. Wenn ein Kind es nicht schafft, dann ist das immer noch besser, als wenn zwei aneinander gekettet leben müssen", sagte er in einem Interview mit der "Welt am Sonntag".

Tabea hat es nicht geschafft. Leas Verfassung war bei Redaktionsschluss in der Nacht zum Dienstag "kritisch, aber stabil". Wir schildern in unserer Titelgeschichte (ab Seite 34) nicht nur die dramatischen Tage der OP in Baltimore, sondern dokumentieren noch einmal den ganzen Fall, der uns seit Monaten beschäftigt.

Nelly und Peter Block hatten im Frühjahr selbst den Kontakt zum stern gesucht, nachdem sie sich für die Operation entschieden hatten. Ihnen war klar, dass der bis dahin unbekannte Fall Aufsehen erregen würde. Das Ehepaar fühlte sich dem zu erwartenden Ansturm der Medien nicht gewachsen. Es wollte sich nur von einem Team begleiten lassen, zu dem es in Ruhe Vertrauen aufbauen konnte.

Seit sechs Monaten nun beobachten die stern-Reporter Anette Lache und Frank Ochmann sowie Fotografin Anne Schön-harting die Familie auf ihrem schweren Weg. Ihre Berichte und Bilder werden mittlerweile weltweit nachgedruckt.

Durch Spenden der Leser sind mehr als 200 000 Euro zusammengekommen. Nelly und Peter Block können das Geld gut gebrauchen. Die Krankenkasse übernimmt zwar die medizinischen Kosten - etwa 700 000 Dollar wurden veranschlagt. Ihren monatelangen Aufenthalt in den USA müssen die Eltern aber selbst bezahlen, auch Flüge und weitere Kosten für deutsche Ärzte und Familienangehörige, die zur Unterstützung immer wieder einfliegen. Mutter Nelly, eine Grundschullehrerin, arbeitet seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Vater Peter, ein Kaufmann, kann seit März seinen Beruf nicht mehr ausüben, weil die Betreuung der Kinder immer schwieriger geworden war.

Den Dank der Eltern für jede Form von Unterstützung, auch im Gebet, geben wir gern weiter.

Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn

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