»Die Orgasmus-Lüge«... »Was Sie schon immer über den Höhepunkt wissen wollten, aber nie zu fragen wagten«... »Endlich die ganze Wahrheit über den Orgasmus«... So oder so ähnlich schreit es uns in regelmäßigen Abständen von zahllosen Titelblättern entgegen. In der Hoffnung, etwas Bahnbrechendes zu erfahren, berappen wir die 4-6 Märker und schlagen zuhause als allererstes die entsprechenden Seiten auf... Um zu lesen, dass immer noch unklar ist, ob der G-Punkt wirklich existiert, dass einige Frauen durch Penetration zum Orgasmus kommen und andere nur durch zusätzliche Klitorisstimulation, dass auch Männer einen Orgasmus vortäuschen können... So richtig bahnbrechend ist das alles nicht, oder? Schnarch gähn!
Munter werde ich wieder, wenn ich die häufige Aussage lese, dass für uns Frauen Zärtlichkeit und Nähe das Wichtigste am Sex sei und ein Orgasmus nur das Sahnehäubchen ist, auf das Frau auch gut verzichten kann, wenn die Beziehung ansonsten stimmt.
Wie jetzt?! Das wäre ja, als würde man behaupten, dass wir Menschen uns allein von Butterbroten, etwas Gemüse und Reis prima ernähren können! Was ja im Prinzip nicht falsch ist - doch wer will das schon? Schon gar nicht, wenn man ganz genau weiß, dass anderswo herrlich geschlemmt wird und in diesem Leben die saftigsten Steaks, süßesten Pfirsiche und leckersten Schokoriegel zu haben sind..
Seit ich im zarten Alter von 20 Jahren mein erstes orgiastisches Feuerwerk erlebte, will und kann ich darauf nicht mehr verzichten. Warum auch? Nennen Sie mich unbescheiden, anspruchsvoll oder gar vergnügungssüchtig, aber wenn ein Mann mir keinen Höhepunkt verschaffen kann, kommt er als Partner nicht in Frage. Punkt. Zumal ich genau weiß, dass es geht, wie es geht und ich ihm ? schon im eigenen Interesse - sehr gern dabei helfe.
Ich gehöre zu den zwei Dritteln der Frauenwelt, die das intensive Spiel mit dem Kitzler brauchen, um zum Orgasmus zu kommen. So sehr ich es auch genieße, einen Penis in mir zu spüren ? allein dadurch passiert mir nun mal nichts.
Doch mittlerweile und glücklicherweise hat es sich in der Männerwelt schon herumgesprochen, dass die Klitoris kein Bauwerk im fernen Griechenland ist und dass man mit diesem Teilchen viel mehr anstellen kann, als es nur ehrfürchtig zu bestaunen. Was dann allerdings unternommen wird, um lustvolle Freude zu spenden, ist doch sehr, sehr unterschiedlich und hängt sehr vom Einfühlungsvermögen, Geschick und Gefühl des Mannes ab.
Lassen wir Bernd mal außen vor, der mein erster richtiger Freund war und immerhin aufgeschnappt hatte, dass Frauen »untenrum geküsst werden wollen«. Er arbeitete sich also immer mal zu meiner Vagina vor, um ihr todesmutig 2 bis 5 Küsschen aufzudrücken, bevor er mir seinen Schwanz rein steckte. Nun, ich war einige Jahre mit ihm zusammen und wurde dementsprechend 20 Jahre alt, bis ich durch gekonnte Zungenspiele eines anderen Mannes die wahre Freude erfahren habe.
Danach musste ich allerdings auch begreifen, dass Cunnilingus keineswegs automatisch gleich Freude ist:
Frank beispielsweise bildete sich ein, er wäre ein Oralwunder und motivierte mich durch diesbezügliche Verheißungen, mit ihm zu schlafen. Als es dann aber soweit war, bearbeitete er meine empfindliche Perle entschlossen mit 60 Zungenanschlägen pro Minute. Völlig verschreckt, zog sich das kleine Ding hinter seine Vorhaut zurück und war durch nichts mehr dazu zu bewegen, hervorzukommen. Er aber machte verbissen weiter und merkte nicht, dass ich keineswegs vor Wonne stöhnte, sondern statt dessen immer mehr von ihm wegrückte. Als keine Fluchtmöglichkeit mehr blieb, weil ich am Kopfende des Bettes kauerte, musste ich seinem Treiben Einhalt gebieten und mich als schmerzgebeutelt outen. Und das war es dann... Beleidigt ließ er von mir ab und beschloss, ich wäre selbst schuld, dass ich nicht kam - überempfindlich, wie ich sei.
Oder Sebastian. Seine Ex-Freundin muss einen selten abgehärteten Kitzler gehabt haben, denn er saugte an meiner Perle herum, als wolle er sie durch einen Strohhalm in seinen Mund zutschen. Autsch! Nach diesen beiden Erlebnissen war erst mal meine Selbstschutzfunktion aktiviert und ich verzichtete einige Zeit auf Wonne durch Zunge. Schließlich geht es ja auch anders...
Als ich mit Mike schlief, machte ich ihm begreiflich, dass ich zusätzliche Stimulation brauchte und schob sanft seine Hand zwischen meine Beine. Und wirklich, er ließ seine Hand da, wo ich sie hingeführt hatte! Doch anstatt nun zärtlich mit kreisenden Bewegungen meine Knospe zu liebkosen ? wie ich mir erhofft hatte - krümmte er den Finger und drückte mir mit jeder Bewegung seines Unterleibes den harten Fingerknöchel auf die Klitoris. »Streicheln«, bat ich ihn noch verzweifelt, was dazu führte, dass er mit dem Knöchel nicht mehr nur drückte, sondern auch noch rieb. Wieder aua, wieder vorbei.
Erfreulicherweise hatte ich anschließend sehr viel mehr sehr viel befriedigendere Erlebnisse und bin nun an dem Punkt, wo ich ganz genau weiß, wie sich ein glückliches Sexulalleben anfühlt. Und darauf soll ich verzichten - auch wenn alles andere stimmt? Nie!!!
Im Gegenteil: Wenn ich mit jemandem schlafe und nicht kommen kann, dann quält mich das. Dann habe das Gefühl, platzen zu müssen, kann nicht einschlafen und bin am nächsten Tag unausstehlich. So ähnlich stelle ich mir übrigens die sagenumwobenen »blauen Eier« bei den Männern vor... Fazit: Ich tue mir dieses Gefühl nicht mehr an. Schafft ein Liebster aus irgendwelchen Gründen nicht, mir einen Orgasmus zu verschaffen, dann lege ich eben selbst Hand an: Schaut er interessiert zu, legt gar seine Hand auf meine, um zu lernen ? fein! Tut er das nicht, ist ihm meine Offenheit gar unangenehm - und Tschüß!
Nun gut, zumindest sind die meisten Männer willig. Doch sie haben es schwer, denn es gibt nun mal kein eindeutiges Orgasmus-Rezept, dass Mann nur zu befolgen braucht und alles wird gut... Manche Knospe braucht eine stärkere Stimulation, andere eine ganz zarte. Einige Frauen müssen 20 Minuten gestreichelt oder geleckt werden, andere reagieren nach 2 Minuten mit einem Höhepunkt vom Feinsten. Es gibt Damen, die gleichzeitig Penis und Finger brauchen, um zu explodieren und andere, die nur durch Cunnilingus kommen... Kitzler können so nahe am Scheideneingang liegen, dass sie bei der Penetration automatisch mitgeliebt werden und so weit weg, dass ohne zusätzlichen Finger gar nichts geht. Es gibt ganz große Perlen und ganz kleine, einige wollen direkt an der Spitze liebkost werden, anderen ist das schon zu intensiv und sie bevorzugen die Region drum herum. Und diverseste Unterschiedlichkeiten mehr...
Doch wie auch immer Frau gebaut ist und funktioniert - wichtig sind eigentlich nur zwei Dinge:
Wir Weiber sind für unseren Höhepunkt zum Großteil selbst verantwortlich. Heißt: Wir müssen uns selbst kennenlernen, damit wenigstens wir wissen, was wir für unseren Orgasmus brauchen und wie wir ihn kriegen. Dann können wir uns auch in aller Ruhe freudvoll erforschen lassen, denn der Höhepunkt ist uns ja in jedem Falle sicher. Und vielleicht lernen wir dank des Liebsten Forscherdrang ja sogar noch etwas dazu...
Und die Männer, denen der Höhepunkt ihrer Liebsten am Herzen liegt, müssen begreifen, dass sie eigentlich nicht mehr und nicht weniger tun müssen, als zärtliche Aufmerksamkeit mitzubringen und uns zu vertrauen. Wir zeigen ihnen dann schon, wie man uns zum Juchzen bringt!
Denn seien wir doch mal ehrlich: Natürlich sind Nähe und Streicheleinheiten wunderbar. Natürlich muss man sich gut verstehen, miteinander lachen können und zueinander halten. Alles schön. Doch eine richtig gute Beziehung haben wir erst dann, wenn der Sex stimmt - und zwar mit dem entsprechenden Sahnehäubchen für alle Beteiligten!
In freudiger Erwartung auf Ihre Meinungen und Abenteuer verbleibt bis zur nächsten Woche
Ihre Hannah Garbaty