Judith Rakers bei McDonald's Wenn Miss Tagesschau zur Burger-Braut wird

Sie ist das wohl schönste Gesicht der Tagesschau - und steht dennoch regelmäßig für Großkonzerne auf deren Event-Bühnen. Deutschland ist entsetzt: Darf sie das? Nein, sie muss.

Die Aufregung wirkt scheinheilig. In sozialen Netzwerken diskutiert Deutschland darüber, dass "Tagesschau"-Sprecherin Judith Rakers doch tatsächlich ein Firmenevent moderiert hat. Genauer: Vor gut zwei Wochen stand sie auf der Bühne, als die Fast-Food-Kette McDonald's am Frankfurter Flughafen nicht nur die deutschlandgrößte Filiale eröffnete, sondern dazu die neue Strategie des Konzerns in Deutschland vorstellte. Sie plauderte mit dem Deutschland-Chef von McDonald's, später leitete sie zum Musik-Act über. Nach gut drei Stunden war der Spaß vorbei. Und dafür hat sie Geld bekommen. Obwohl sie "Tagesschau"-Sprecherin ist. Skandal! Oder?

Kein festes Gehalt

Eigentlich nicht, denn Judith Rakers ist nicht fest beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) angestellt. Sie arbeitet als freie Mitarbeiterin bei der "Tagesschau". Die "Honorare richten sich nach Zahl, Dauer und Art der Einsätze" bestätigt der NDR auf Nachfrage des stern. Wer die 20-Uhr-Einsätze übernimmt, bekommt 238,01 Euro. Für eine Kurzausgabe, die maximal vier Minuten lang ist, zahlt der NDR 142,62 Euro. Ein fixes Gehalt bekommen die Sprecher also nicht - beim monatlichen Verdienst komme es darauf an, wieviel moderiert wird. Die meisten Nachrichtenvorleser übernehmen mehrere Schichten am Tag. Auf 8000 bis 10.000 Euro beziffert der Branchendienst "Meedia" das monatliche Brutto-Einkommen der Tagesschau-Sprecher.

Ein Mix aus Nachrichten und Moderation

Das klingt zunächst üppig, doch als Promi - und das sind die "Tagesschau"-Gesichter nun einmal - müssen Ausgaben abgezogen werden. Sie brauchen Autogramm-Karten, Menschen, die sich um ihren Social-Media-Auftritt kümmern, Outfits für die Events, tonnenweise Schminke. Und eine Reihe Einsätze (beispielsweise Charity-Events) bringen keinen Cent ein und müssen querfinanziert werden. Und: Judith Rakers liest nicht nur Nachrichten vor oder steht auf Event-Bühnen, sie arbeitet auch als Journalisten. Für eine ARD-Reportage wagte Rakers den Selbstversuch als Obdachlose. Ihr Einkommen ist ein Gemisch aus vielen einzelnen Posten. Sie selbst scheint weder ihre journalistischen Jobs besonders zu romantisieren, noch die Moderationstätigkeiten überzubewerten. Das eine gehe nur mit dem anderen, verrät sie auf dem McDonald's-Event am Rande.

"Unabhängigkeit nicht in Frage stellen"

Und so steht Judith Rakers auf den Bühnen großer Konzerne, eröffnet mal die Baustelle zur Elbphilharmonie in Hamburg oder eben eine Burger-Filiale in Frankfurt. Diese sicherlich gut bezahlten Jobs bekommt sie, weil sie ein bekanntes Gesicht ist, weil sie für Seriosität und Glaubhaftigkeit steht. "Wir raten unseren freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, keine Engagements anzunehmen, die ihre Unabhängigkeit in Frage stellen", sagt der NDR. Kommerzielle Werbung, wie Werbespots oder Kampagnen in Print-Medien, verbietet der NDR auch seinen freien Mitarbeitern. Aber Moderationen bei "geschlossenen Veranstaltungen" gehen in Ordnung.

Scheinheilige Doppelmoral

Nun rätselt Deutschland: Darf sich eine "Tagesschau"-Sprecherin vor den Karren von Konzernen spannen lassen? Und leidet das Image der Nachrichtensendung nicht darunter? Konsequent wäre es vom NDR, alle Sprecher fest anzustellen und werbliche Nebeneinkünfte vertraglich auszuschließen. Das aber kostet Geld, das offenbar nicht in die Hand genommen werden soll. Dabei ist der Fall Rakers nicht der erste dieser Art. So bekam der heutige WDR-Intendant Tom Buhrow für einen Auftritt bei einer Sektkellerei rund 10.000 Euro.

Die Doppelmoral, die nun Judith Rakers vorgeworfen wirft, sollte also eigentlich den Norddeutschen Rundfunk treffen. Irgendwie scheinheilig.

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