Kurzlektüre "Verschlüsselt" Passwörter schützen: die unterhaltsame Kunst des gepflegten Misstrauens

  • von Britta R. Kollberg
Passwort fürs Passwort: Oft reicht ein Gerät dafür nicht mehr
Passwort fürs Passwort: Oft reicht ein Gerät dafür nicht mehr
© Maca and Naca / Getty Images
Dass unsere Privatsphäre und vertrauliche Kommunikation geschützt werden müssen, daran haben wir uns gewöhnt. Ganze Industrien befassen sich mit der Ver- und Entschlüsselung unserer Daten. Warum dies nicht nur eine Frage von Mathematik und Schriftzeichen ist, sondern auch ein ausgesprochenes Vergnügen darstellen kann, zeigt eine Neuerscheinung aus dem Haupt Verlag. 

Ich muss schon wieder mein Passwort ändern. Alle paar Monate mahnt mich mein Laptop und versperrt sich, bis ich dieser Aufforderung Folge leiste. Ist das kleine Stückchen künstliche Intelligenz mir gegenüber vorausschauender als ich oder nur paranoider? Und wieder durchforste ich mein Hirn nach einer Zeichenkombination, die zu kompliziert für Hacker ist und zugleich einfach genug für mein Gedächtnis. 

Dies ist keine Herausforderung der Neuzeit. Seit Jahrtausenden verschlüsseln Menschen Nachrichten und Dokumente; und ebenso lange schon versuchen andere, sorgfältig geschützte Inhalte zu dechiffrieren. Diese Geschichte von den ägyptischen Hieroglyphen bis hin zur Quantenkryptographie zeichnen Stephen Pincock und Mark Frary in ihrem erstaunlichen und überaus spannenden Bändchen "Verschlüsselt“ nach.

"Verschlüsselt: Die Geschichte geheimnisvoller Codes von den Hieroglyphen bis heute" von Stephen Pincock und Mark Frary. Haupt Verlag, gebunden, 192 Deiten, 36 Euro. Erhältlich bei Amazon, Thalia und Bücher.de
"Verschlüsselt: Die Geschichte geheimnisvoller Codes von den Hieroglyphen bis heute" von Stephen Pincock und Mark Frary. Haupt Verlag, gebunden, 192 Deiten, 36 Euro. Erhältlich bei Amazon, Thalia und Bücher.de

Die eigenen Passworte schützen

Erstaunlich ist das Buch der beiden, weil es interessierte Laien dazu einlädt, nicht nur die Entwicklung immer ausgefeilterer Methoden kennenzulernen, sondern diese selbst zu verstehen und auszuprobieren. Die Rezensentin hat sich mit großem Vergnügen in Transpositionschiffren und homofone Verschlüsselung vertieft und endlich verstanden, was es mit Schrödingers Katze auf sich hat und wie man an zwei Orten zugleich sein kann. Mit Beispielen aus Kunst, Musik, Geschichte und Militär vom Kamasutra über die Rosslyn Chapel und Heilige Codes, Edgar Allen Poes Rätseltexte und Edward Elgars Enigma-Variationen bis hin zum Navajo-Code und zur Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des Web 2.0 umreißen die Autoren ein Gebiet, mit dem wir alle täglich zu tun haben und über das wir zugleich sehr wenig wissen. Sie stellen kreative, beharrliche und scharfsinnige Köpfe vor, die unser Kommunikationsverhalten geprägt und hinter den Kulissen Geschichte geschrieben haben. Die Struktur des Buches, das die fortlaufende Schilderung immer wieder mit Darstellungen der Codes, spannenden Beispielen und Porträts illustriert und ergänzt, macht es dabei sehr abwechslungsreich zu lesen. Dies wird unterstützt durch ein sehr schönes Layout mit reicher Bebilderung – eine besondere Kunst des Haupt Verlags, die seine Sachbücher zu reizvollen Lektüreerlebnissen machen.

Natürlich werden die Methoden über die Jahrhunderte und die Kapitel komplizierter, und ich will gern zugeben, dass ich die letzten Beispiele nicht mehr nachrechnen konnte und mir ein paar Seiten mehr zu ihrer Erläuterung gewünscht hätte. Dies tat dem Lesevergnügen insgesamt jedoch keinen Abbruch. Mit dem kleinen Exkurs über Jahrhunderte und Kontinente haben sich in meinem Kopf Einzelwissen und -ereignisse verknüpft zu einem Blick hinter die Kulissen eines wichtigen Teils unserer Kommunikation. Und während ich versuche, mein neues Passwort raffiniert und praktikabel genug zu konstruieren, ohne mich dabei selbst auszutricksen, werde ich mir sicher den im Ausblick des Buchs vorgestellten Roman "Little Brother“ von Cory Doctorow als Winterlektüre besorgen.

Als solche sei allen Neugierigen auch das Bändchen von Stephen Pincock und Mark Frary wärmstens empfohlen. "Verschlüsselt“ ist eine unterhaltsame und lehrreiche Lektüre, die Stoff zum Gespräch, Vorlesen und Weiterdenken bietet. Genau das Richtige für unsere kommunikationschaotische Zeit.

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