Der Dumont-Verlag bewirbt Ihren Roman "Peace" als neuen Beitrag zur Feminismus-Debatte. Was brannte Ihnen denn zu dem Thema unter den Nägeln?
Mir ging es darum zu zeigen, dass es nichts bringt, im Feminismus weiterhin das Feindbild Mann aufrecht zu erhalten. Männer und Frauen sollten sich aufeinander zu bewegen, ohne dass eine Bewertung von weiblichen oder männlichen Eigenschaften stattfindet. Dieses dualistische Denken muss endlich aufhören. Zudem bin ich der Meinung, dass es keine feministische Bewegung mehr braucht. Vielmehr ist heute jeder Einzelne gefordert, sich für sich selbst und die Partnerschaft verantwortlich zu fühlen.
Ist das nicht eine gefährliche These? Wenn jeder für sich selber kämpft, fehlt den Frauen dann nicht die gemeinsame Linie, um etwas zu bewegen?
Das ist die Schwierigkeit: Wer heute eine funktionierende Partnerschaft führen möchte, muss seine Bedürfnisse ganz klar formulieren. Vor allem Frauen stellen sich dabei die Frage: Sind meine Bedürfnisse überhaupt angebracht? Sind sie egoistisch oder dienen sie der Gemeinschaft? Mädchen werden ja immer noch so erzogen, dass sie keine Ansprüche stellen und perfekt funktionieren.
"Peace"
Die Geschichte dreht sich um den 17-jährigen Joshua, der mit einer drogensüchtigen Mutter aufwächst und deren Entwicklung vom Hippie zur Extrem-Feministin er miterlebt. Die Autorin entwirft drastische Bilder: Als kleiner Junge muss Joshua etwa einer Hausgeburt beiwohnen. Der als Junge auf die Welt gekommene Säugling wird von den Feministinnen kurzerhand kastriert. Mit massiven Übertreibungen veranschaulicht Hennig von Lange die Auseinandersetzung zwischen Männern, die zum Feindbild wurden, und Frauen auf der Suche nach sich selbst. Ihr satirischer Stil lässt den Krieg zwischen den Geschlechtern absurd und sinnlos erscheinen.
Dumont Verlag, 270 Seiten, 14,95 Euro
In "Peace" erklärt die junge Pony, unter welchen Bedingungen sie heiraten würde. So soll der Mann etwa sagen, wann er abends nach Hause kommt und sie nicht auslachen, wenn sie sich scheinbar unbegründet Sorgen macht. Im Gegenzug wäre sie bereit, die gesamte Familienarbeit zu übernehmen. Muss ein Mann sich also nur wie ein normaler Mensch benehmen und die Frau schmeißt aus lauter Dankbarkeit dafür den Laden?
Pony möchte wertgeschätzt werden, so wie sie ist, auch mit ihren weiblichen Eigenschaften, die der Freund vielleicht nicht nachvollziehen kann. Männer neigen ja immer noch dazu, ihrer Frau zu sagen: Nun mach doch nicht so einen Stress. Darauf kann eine Frau, die mit Arbeit und Kindern eine enorme Doppelbelastung hat, gut verzichten. Ich glaube, dass sich der Mann mit dieser Formulierung vor einer anderen Feststellung schützen will: Ich weiß, Du hast mehr zu tun als ich. Inzwischen gibt es immerhin die Tendenz, dass sich Männer mehr in die Kindererziehung und die Beziehung einbringen.
Mit Barry haben Sie im Buch eine Männerfigur kreiert, die mit Küchenschürze durchs Haus rennt und ganz selbstverständlich die Verantwortung für den Haushalt übernimmt. Haben Sie den Eindruck, dass Männer versuchen, eine neue Orientierung für sich zu finden?
Der Mann befindet sich in einer Art Zwischenzone: Er merkt, dass sein Herrschaftsmonopol zunehmend ins Wanken gerät. Vielleicht bäumt er sich noch mal auf und versucht zu retten, was zu retten ist, aber natürlich spürt er, dass ein gefühlsmäßiges Umschwenken notwendig ist.
Zur Person
Alexa Hennig von Lange 1973 geboren, wurde 1997 mit ihrem Debütroman "Relax" bekannt. Es folgten zahlreiche Bücher, zuletzt der Roman "Risiko" sowie zahlreiche Jugendbücher. Die Schriftstellerin war verheiratet mit dem Autor Joachim Bessing. Inzwischen lebt sie allein mit ihren zwei Kindern in Berlin.
Es gibt die Theorie, Jungen hätten es heute in der Schule schwerer als Mädchen, weil weibliche Verhaltensweisen höher bewertet würden als männliche. Machen Sie sich Sorgen um Ihren Sohn?
Überhaupt nicht. Je mehr Ideen gebraucht werden, um die Welt vor dem Untergang zu retten, desto mehr ist natürlich auch das Weibliche, das Intuitive, das Sich-Öffnen von unbedingter Bedeutung. Wir haben erlebt, dass es nicht weiterführt, sich hinter einer Maske zu verstecken. Nun gibt es sicher Männer, die sich vom Weiblichen bedroht fühlen und ihre Söhne erst recht zu Machos erziehen. Aber viele sagen auch: Ich möchte, dass mein Sohn der Welt offen gegenüber tritt, dass er sich ausdrücken und eine vertrauensvolle Beziehung führen kann. Um diese Jungen muss man sich keine Sorgen machen.
Sie haben mal gesagt, Sie seien aufgewachsen mit der Vorstellung vom Mann als Schreckgespenst. Wann haben Sie sich von dieser Vorstellung verabschiedet?
Als Mädchen habe ich Biographien von Künstlerinnen verschlungen, von Camille Claudel, Virginia Woolf, Sylvia Plath. Darum war mir sehr früh bewusst, dass es schöpferisch tätige Frauen immer schwer hatten und sehr schnell in die Schublade der Wahnsinnigen abgeschoben wurden. Sie konnten sich nicht frei äußern, wurden in der Rezeption als nichtig abgetan oder von ihren Männern unterdrückt. So kam ich damals zu dem Schluss: Der Mann ist immer schuld. Ich hatte derartige Angst davor, dass mir so etwas passieren könnte, dass ich mir vorgenommen habe: Jetzt tanzen die Männer nach meiner Pfeife. Meinem ersten Freund habe ich jeden Tag mit Selbstmord gedroht, wenn er nicht gemacht hat, was ich wollte. Dieses Ausflippen war natürlich ein Ausdruck meiner Hilflosigkeit. Mit zunehmender innerer Unabhängigkeit bin ich im Umgang mit Männern gelassener geworden.
In einem Interview mit Maria Sveland, der Autorin des Buches "Bitterfotze", wurden Sie kürzlich als konservative Autorin bezeichnet und in einem Atemzug mit Eva Herman genannt. Überrascht Sie das?
Überhaupt nicht. Heute ist man als Frau doch schon konservativ, wenn man sagt, dass man gerne Mutter ist und Spaß daran hat, mit seinen Kindern zu basteln. Plötzlich ist man die, die gern die Wohnung dekoriert und dem Mann die Wolldecke überhängt. Einige empfanden es wohl als konservativ, dass ich mich sehr für Ehe und Familie ausgesprochen habe. Das würde ich auch immer noch tun, einfach weil ich es schön finde, wenn Kinder in einem familiären Kontext aufwachsen - obwohl ich inzwischen von meinem Mann getrennt lebe. Meine beiden Kinder sind übrigens von zwei verschiedenen Vätern - ein deutliches Indiz dafür, dass sich meine konservative Neigung in Grenzen hält.
Was halten Sie von Svelands autobiographisch gefärbtem Buch, in dem sie die fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau anprangert? Können Sie nachvollziehen, dass sie die Mutterschaft nicht nur als großes Glück, sondern auch als große Belastung empfindet?
Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, was sie schreibt, denn ich habe mich nie in der Situation befunden, wegen meiner Kinder nicht arbeiten zu können. Das liegt auch daran, dass ich mir gut überlegt habe, welchen Beruf ich ergreife, um Mutter werden zu können. Natürlich hatte ich Glück, dass ich gerne geschrieben habe, aber ich habe meinen Weg auch mit Vehemenz verfolgt. Meine Bücher habe ich teilweise nachts geschrieben, wenn die Kinder geschlafen haben. Wenn ich auf Lesereise gehe, ist es eben eine Organisationsfrage. Aber ich habe mich für Kinder entschieden und kann nicht jemanden anders dafür verantwortlich machen.
Sveland wirft ihrem Mann vor, dass er sie kurz nach der Geburt ihres Sohnes mit dem Säugling allein lässt, um zu arbeiten.
Das ist doch eine zutiefst kindliche Haltung! Da muss ich mich doch als Frau fragen: Komme ich tatsächlich nicht ein paar Wochen ohne meinen Mann zurecht? Und warum eigentlich nicht? Weil ich eifersüchtig bin? Weil ich Angst habe, er könnte möglicherweise mehr Spaß haben als ich, weil er alleine in eine Bar gehen kann? Meistens steht Angst hinter solchen Vorwürfen. Wenn man das mal nüchtern betrachtet, kommt die Frau auch gut allein klar.
Ist das, was Sie beschreiben - der Argwohn dem Partner gegenüber - der Giftstachel, der moderne Beziehungen so brüchig macht?
Absolut. Wo man auch hinsieht, seien es Frauenzeitschriften oder das Fernsehen, man stößt immer noch auf diese dualistische Denkweise: Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus. Das ist so altbacken! Natürlich muss man gucken, was dahinter steckt, wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlt: Ruht sich mein Mann vielleicht auf mir aus, lässt er sich bedienen? Die einzige Lösung ist wahrscheinlich, einen adäquaten Partner zu finden, und den findet man nur, wenn man weiß, wer man selbst ist, und was man möchte.
In Ihren Büchern geht es immer wieder um die Frage, wie es möglich ist, eine gleichberechtigte und langfristige Partnerschaft mit Kindern zu führen. Wie kommt es, dass selbst Männer und Frauen, die sich theoretisch über ihre Lebensführung einig sind, in der Praxis scheitern?
Ich glaube, dass viele das natürliche Wachsen einer Beziehung durch einen festen Rahmen ersetzen wollen: Hochzeit, Romantik, Kinder. Die Frage nach dem Inhalt stellt sich dann erst wesentlich später - vielleicht zu spät. Am Anfang ist man verliebt und will das Glück auf keinen Fall verlieren. Es wird schnell geheiratet. Doch danach fragt man sich plötzlich: Wie kann ich dem anderen eigentlich versprechen, dass ich immer bei ihm bleiben werde? Wer weiß denn, wer ich in zehn Jahren bin? Schon fängt die Angst an zu kriechen. Man stürzt sich in das nächste Projekt: ein Kind. Doch kaum ist das Kind da, fängt das Vergleichen an: Die Frau muss zu Hause bleiben, fühlt sich schwabbelig. Der Mann geht aus. Die Frau fragt sich: Wen trifft er da? Die Beziehung wird immer beengter, aus Furcht, man könnte sie nicht halten. Erst hat der eine was am Partner auszusetzen, dann der andere, dann gibt es Affären und irgendwann geht man auseinander. Dahinter stehen riesige Ängste: die Angst hintergangen zu werden, die Angst sich dem anderen in die Hand zu geben, sein ganzes Leben auf ihn auszurichten.
Ihre Mutter hat Sie schon früh mit feministischen Leitsätzen geprägt, unter anderem mit der Aufforderung "Heirate nie". Fühlt sie sich jetzt, wo Ihre Ehe gescheitert ist, bestätigt?
Sie hat damals etwas anderes gemeint, nämlich: "Mach Dich nicht von einem Mann abhängig". Ich kann sehr wohl eine Ehe führen und dabei meine innere Unabhängigkeit bewahren. Ich bin überhaupt nicht gegen das Heiraten und ich würde es auch wieder tun, wenn das Gefühl stimmt. Als mein Mann und ich uns getrennt haben, habe ich erst gedacht, der Traum von Familie sei nun für immer vorbei. Inzwischen habe ich gemerkt, dass das überhaupt nicht stimmt. Auch ein Elternteil mit Kindern ist eine Familie. Man kann sich sein Leben selbst gestalten, und darauf kommt es an.