Matthias Politycki "Ich bin kein frustrierter Altlinker"

Kurz vor Erscheinen seines neuen Buches "Herr der Hörner" hat der Schriftsteller Matthias Politycki in dem Essay "Weißer Mann - was nun?" eine neue Debatte über den Stand der abendländischen Kultur entfacht.

Der "Herr der Hörner" ist der Teufel, den man bei uns ja eigentlich versucht hat abzuschaffen. Was verbirgt sich hinter dem Teufel?

Selbst wenn wir den Teufel rational abgeschafft haben, schadet es nicht, davon auszugehen, dass er wider Erwarten weiterhin da ist: Er ist ja letztlich alles, was unsere positiven Bestrebungen durchkreuzt; und wenn man ihm einen Namen gibt, ist man vielleicht sogar eher auf der Hut. Wahrscheinlich ist das Konzept des Palo Monte gar nicht so lebensfern, ihm bei allen Opferritualen sein Pflichtteil zuzugestehen, damit er Ruhe gibt und nicht etwa andernorts eintreibt, was man ihm verweigert hat. Die fundamentalistisch grüne Vorstellung vom "netten Menschen" teile ich nicht - auch wenn ich diese Vision für wichtig halte.

Hat die Aufklärung mit ihrer rationalen Weltsicht nun ausgespielt?

Ich bin an sich ein überzeugter Aufklärer. Nur würde ich gerade nach meinen Erfahrungen auf Kuba nie mehr vorschnell über andere Religionen ein Urteil fällen. Es hat schon eine gewisse Strahlkraft, ein transzendentes Dach über sich zu wissen. Der Fehler der Aufklärung ist es, das Irrationale stets nur als Vorstufe des Rationalen zu begreifen.

Könnte denn eine neokonservative Bewegung die westliche Kultur retten? Oder eine Hinwendung zu anderen Religionen?

Nein, so einfach ist es nicht; gerade mein Essay kann da leicht missverstanden werden. Ich bin wirklich kein frustrierter Altlinker, noch gar ein Neokonservativer. Im Gegenteil, ich möchte ja gerade, dass wir die liberalen Werte der Aufklärung wie Toleranz und Höflichkeit, aber auch Europas Vielsprachigkeit mit mehr Kraft verteidigen. Wir leben hier, auf höchstem Niveau, als sei das eine Selbstverständlichkeit. Und ahnen nicht, wie zerbrechlich diese Hochkultur ist.

DPA
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