Das Auto fährt in tiefer Nacht durch eine abgelegene Gegend. Am Steuer ein völlig übermüdeter Mann, die Frau neben ihm ist gereizt, das Paar wirkt zerstritten. Tatsächlich stehen David und Amy vor dem Ende ihrer Ehe. Noch einmal haben sie bei einer Familienfeier, von der sie gerade zurückkehren, Harmonie vorgetäuscht. Nach dieser Fahrt wollen sie sich trennen. Doch sie wissen noch nicht, welch schreckliche Erlebnisse sie in den nächsten Stunden so nah aneinander bringen werden, wie nie zuvor im Leben.
Was David und Amy in dieser Nacht noch erwartet, das erzählt der amerikanische Horrorthriller "Motel" von Nimrod Antal - nach dem Drehbuch von Mark L. Smith. Nur 85 Minuten dauert der Film, aber diese werden den Zuschauern so schnell nicht aus dem Sinn gehen. Denn sie werden in dieser Zeit mit dem Paar einen Albtraum durchleben und miterleiden, der auch die Nerven abgebrühter Kinogänger strapazieren dürfte. Eine Autopanne zwingt David und Amy, wohl oder übel die Nacht in einem schmuddeligen Motel zu verbringen. Als sie die Rezeption betreten, hören sie Frauenschreie, die erst nach sexueller Lust, dann aber nach Todesangst klingen.
Ouvertüre des Grauens
Der Motel-Manager, ein kleiner, unangenehmer Mann mit zu großer Brille, schaut im Hinterzimmer offenbar Grusel-Pornos, wie er bei der Schlüsselübergabe an die Gäste andeutet. Es ist eine Art Ouvertüre des Grauens. Weder er noch das Motel wirken vertrauenserweckend, das Zimmer ist schmutzig, Kakerlaken kriechen durchs Bad. Doch was dann die beiden erwartet, ist ungleich schlimmer: Erst das rätselhafte Klopfen gegen Tür und Wände, dann die Entdeckung, dass die im Raum herumliegenden Videos mit brutalsten Quäl- und Mordszenen keineswegs einer Inszenierung entstammen, sondern von versteckten Kameras in genau dem Zimmer aufgenommen wurden, in dem David und Amy die Nacht verbringen sollen. Das Paar sitzt in einer tödlichen Falle - und weiß es.
Von nun an geht es für beide nur noch ums Überleben, denn die maskierten Killer sind schon unterwegs, um einen weiteren Horrorfilm mit echten Folterszenen und sadistischen Morden in Szene zu setzen. Trotz aller Panik und verständlicher Todesangst behält vor allem David die Nerven. Er studiert an den Videos, was den früheren Opfern zum Verhängnis geworden ist, nämlich das plötzliche Eindringen ihrer Peiniger in den verschlossenen Raum. David bekommt heraus, wie das geschehen konnte und beginnt mit Amy einen Fluchtversuch, den schon wegen einer Rattenszene kein Kinobesucher so rasch vergessen wird.
Beklemmend lebensecht
Regisseur Antal hat das im Finale immer blutigere Geschehen rasant in Szene gesetzt, verzichtet dabei aber keineswegs auf psychologische und emotionale Aspekte. Mit der Engländerin Kate Beckinsale als Amy und Luke Wilson als David hat Antal, der in Los Angeles geboren, aber in Ungarn ausgebildet wurde, Schauspieler gewonnen, die glaubwürdig die Verzweiflung ihrer Figuren verkörpern. Frank Whaley als sadistischer Motel-Manager wirkt sogar beklemmend lebensecht, dem Typen möchte nach dem Film niemand mehr an einer Rezeption begegnen.
Der große Alfred Hitchcock hätte auch deshalb an "Motel" durchaus seine Freude gehabt. Bereits mit seinem ersten Spielfilm "Kontroll", der fast ausschließlich im Budapester U-Bahnsystem handelt, errang Nimrod Antal viele Auszeichnungen. Mit einem herausragenden Drehbuch und dem profilierten Kameramann Andrzej Sekula hat Antal nun sein Meisterstück mit einem Horrorthriller geliefert, der eigentlich, wie der Regisseur meint, ein Drama der Liebe ist: "Letztendlich geht es in 'Motel' um ein Paar, das sich wieder neu findet." Wer um seine Nervenstärke nicht übermäßig besorgt ist, sollte den Film keinesfalls versäumen.