Sie macht ihrem Mann Angst, ihre fast erwachsenen Kinder halten es in ihrer Nähe nicht aus, und auch der Zuschauer kann sie kaum ertragen. Dabei ist sie nicht böse, nicht hinterhältig, nicht falsch, nein, viel schlimmer: Sie ist unglücklich. Aber sie bekommt kein Mitleid, denn ihre Verzweifelung ist Terror. Vor allem ihr Mann fürchtet sich vor ihren unberechenbaren Ausbrüchen. Sie schlägt ihn, prügelt bis zu Erschöpfung. Er ist nur weich, es gibt keinen Widerstand. Die Schläge versinken.
Er ist besonnen, und das macht sie noch rasender, er wehrt sich nicht, verharrt geduldig, bis ihre Kraft verbraucht ist. Dabei ist er von Beruf Polizist. Sogar ein mutiger, wenn es darum geht, einen Kollegen zu retten. Er ist anerkannt und beliebt auf seinem Revier.
Sie ist Lehrerin. Die beiden Kinder haben das Abitur gemacht und sind aus dem Haus. Doch noch immer giert die Mittvierzigerin bei ihrem selbstbezogen, prahlerischen Vater nach Anerkennung. Der hält vor allem ihren Mann für einen Versager. Seine bevorstehende Beförderung soll jetzt endlich ein kleines bisschen Achtung schaffen. Auch sie will geachtet sein, kümmert sich dafür, ganz karitativ, um ein fremdes Kind.
Die Zornige und der Gutmensch
Victoria Trauttmansdorff spielt diese unglückselige Frau intensiv, ungeschützt, so wie das Publikum die Schauspielerin immer wieder auf der Bühne des Hamburger Thalia-Theaters erlebten kann. Nicht erst seit Ibsens "Nora" und O'Neills, "Eines langen Tages Reise in die Nacht", wo sie als süchtige, verzweifelte Mary erschütterte, gilt sie als große Bühnen-Darstellerin. In der Jahresumfrage der Zeitschrift Theater heute wurde Victoria Trauttmansdorff auf Platz Zwei als "Beste Schauspielerin" gewählt. Jetzt ist sie endlich auch auf der Leinwand zu sehen.
Mal überspielt sie Situationen scheinbar fröhlich, dann bricht ihre Wut wieder durch. Sie tobt sich fast wahnsinnig an ihrem Mann aus, dann ist sie plötzlich zärtlich und fragt: Liebst Du mich? Sie schreit ihn an, schlägt wieder auf ihn ein. Er ist der gutmütige, der liebe Ehemann, der nachsichtige. Matthias Brandt zeigt ihn verwundbar, weich, verletzbar, immer wieder um Frieden bemüht. Doch was tut dieser brave Mann seiner Frau damit an?
Kann das gut sein, seiner Frau nicht zu sagen, dass der Sohn das Jura-Studium an den Nagel hängt, weil es sie rasend machen könnte? Kann er nicht einmal Manns genug zu sein, eine Beförderung anzunehmen, auch wenn gleichzeitig sein Kollege an der Reihe wäre. Warum steckt er die Herabsetzungen durch seinen Schwiegervater ein, der ihn immer wieder als Versager behandelt. Teilnahmslos sitzt der erwachsene Mann beim Kaffeebesuch und lässt sich um des Schecks für die Enkelkinder und für den lieben Familienfrieden demütigen.
Ist es nicht das, wogegen sie sich aufbäumt? Warum befreit er sie nicht aus den Klauen ihres grausamen, eitlen Vaters? Warum weigert er sich, ihr Held zu sein? Warum bringt er ihr Blumen in Plastikfolie? Er entgleitet, während sie ringt.
Ein Film, der aufgewühlt zurück lässt
Es ist ein sehr privater und kluger Film des für dieses Thema erstaunlich jungen Regisseurs Jan Bonny, der dafür in Cannes als "Aufklärer mit beeindruckender Reife" ("Libération") gefeiert wurde. Unter seinem genauen Blick lösen sich die Muster von Opfer und Täter auf. Nicht oberflächlich, weil hier der Mann das Opfer häuslicher Gewalt ist, nein viel tiefer. Er legt sie aus jenem Geflecht von Verletztheiten und unerfüllten Wünschen frei, die sich hinter der Fassade einer scheinbar glücklichen Ehe zweier Verlorener verstecken, die nach außen Stützen der Gesellschaft sind. Der Gewaltlose kann der Quälende sein. Auch wenn sie ihn schlägt, dass er ins Krankenhaus muss. Schlimmer als der Schmerz sind ihre und seine Scham darüber.
Schade, dass sich der Film zu sehr der Mode der wackligen Kamera hingibt. Dass Unmittelbare, das diese Video-Ästhetik schaffen will, schlägt bisweilen ins Gegenteil um, macht Intensives manchmal unscharf, nimmt von der Konzentration auf die Intensität der Figuren. So wird an mancher Stelle dänisches Dogma zum falschen Dogma.
Ein Film, der aufgewühlt zurücklässt. Man wagt es nicht, jemandem zu raten, ins Kino zu gehen. Und ist doch dankbar ihn gesehen zu haben, bereichert. Er mutet viel zu, mehr vielleicht, als man jemandem zumuten möchte, außer sich selbst. Gefühlskino, das sich nicht gut anfühlt, sondern schmerzhaft tief ist.