"Ich seh ich seh" im Kino Verstörendes Familiendrama um Identität

Die ideale Familie ist ein Ort der Geborgenheit. Nicht für Lukas und Elias: Sie erkennen ihre Mutter nicht wieder und glauben, dass sie eine Fremde ist. Ihre Suche nach der Wahrheit wird zum Psychodrama.

Ist die Mutter wirklich noch die Mutter? Oder hat sich eine andere Frau ins Haus eingeschlichen? Für die Zwillinge Lukas und Elias die entscheidende Frage. Seit ihre Mama nach einer kosmetischen Operation nach Hause zurückgekehrt ist, ist sie anders: nicht liebevoll, sondern eiskalt, böse. Verzweifelt versuchen sie, hinter das Geheimnis dieser Frau zu kommen, die ihr Gesicht hinter einem unheimlichen Kopfverband verbirgt. Mit "Ich seh ich seh" ist den Österreichern Veronika Franz und Severin Fiala ein beklemmendes und hochspannendes Psychodrama über eine Familie gelungen, in der es keine Gewissheiten, aber umso mehr verstörende Momente gibt.

Hervorragend auch die Schauspielleistung: Susanne Wuest beeindruckt als Mutter und verleiht ihr eine unheimliche Doppeldeutigkeit. Sie will den Buben beweisen, dass sie wirklich ihre Mutter ist. Oder ist sie es doch nicht? Geschickt säen die Regisseure Zweifel, spielen mit verschiedenen Identitäten und verstärken die Beklemmung mit Symbolen: Kreuze, Feuer, dunkle Gewitterwolken, riesige Käfer. Dazu Musik wie aus einem Horrorfilm.

Die Mutter als personifiziertes Böses

Die Brüder Lukas und Elias Schwarz überzeugen als Zwillingspaar: Kindlich, verletzt, wütend, verzweifelt und gleichzeitig lauernd, misstrauisch und berechnend. Je mehr sie um die Liebe der Mutter ringen, desto furchterregender erscheint diese. Ein böser Geist, ein schemenhafter Schatten an der Wand. Und mit ihrem Kopfverband das personifizierte Böse, ohne Seele und Gesicht. Die Verzweiflung der Kinder wächst, erst recht, als die Frau Elias auffordert, seinen Bruder zu verlassen. In ihrer Not wollen sie das fremde Wesen in ihrem Elternhaus gewaltsam dazu bringen, ihre drängendste Frage zu beantworten: "Wo ist unsere Mutter"?

Franz und Fiala inszenierten ohne Drehbuch. Sie drehten chronologisch und nahem sich viel Zeit, die Kinder spielerisch an die schwierige Geschichte heranzuführen. Eine Mühe, die sich gelohnt hat, entfaltet der Film doch einen unheimlichen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Und der am Ende eine schreckliche, herzzerreißende Wahrheit offenbart.

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Cordula Dieckmann/DPA

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