Ohne Gary Numan hätten die 80er Jahre vermutlich anders geklungen - und ein großer Teil der heutigen Musik wohl auch. Numan gilt als einer der Väter des Synth-Pop, seine düsteren Klangwelten und schrillen mechanischem Sounds waren wegweisend für die New-Wave-Musik in ihren Kinderschuhen. Auf der neuen Doppel-CD 'Hybrid' finden sich neben 16 Neueinspielungen seiner alten Hits, die er vertrauensvoll in die Hände von Musikern wie Sulpher, DJ Andy Gray oder Ex-Depeche Mode-Regler Flood gegeben hat, auch drei frische Songs. Und es ist tatsächlich gelungen, dem größten Numan-Hit "Are Friends Electric" zum zig-ten Mal neues Leben einzuhauchen.
Plötzlich nur noch einer von vielen
In den vergangenen 20 Jahren war von Numan nicht viel zu hören. Der Sound seiner ersten Alben 'Replicas', 'The Pleasure Principle' und 'Telekon' katapultierte ihn damals drei Mal in Folge an die Spitze der Charts und inspirierte zugleich ein Menge neuer Bands. Der Synth-Pop eroberte die Musik-Szene, aber Pionier Numan war plötzlich nur noch einer aus der Masse.
"Ich war es gewohnt, erfolgreich zu sein"
So verkaufte sich jedes neue Album schlechter als das vorherige, 1985 gelang die letzte Platzierung in den Top 20. "Ich war verzweifelt", sagt Numan selbst. «Ich war es gewohnt, erfolgreich zu sein. Wenn ich eine neue Single schrieb, dachte ich vor allem daran, wie ich sie noch erfolgreicher machen könnte." Mitte der 90er habe er dann beschlossen, "dass ich nur noch Musik machen werde, zu der ich wirklich stehe". Rockstars der nächsten Generation wie Marylin Manson, die Smashing Pumpkins oder Hole nahmen neue Versionen seiner Songs auf - und vor allem in der Gothic- und Industrial-Szene wurde er immer mehr als Vorreiter anerkannt.
Ein betagter Rockstar eben
Der Vorreiter macht aber einen eher schüchternen Eindruck. Numan - eigentlich Gary Anthony James Webb - spricht leise, häufig mit einem verstohlenen Lächeln. Der 45-Jährige sieht aus wie ein betagter Rockstar: schlaksig, leicht zerknautschtes Gesicht, schwarzes Haar, schwarze Klamotten, schwarz lackierte Fingernägel. Es ist zehn Uhr morgens, Numans Frühstück bestand aus einer halben Tasse schwarzen Tees. "Ich nehme diese Diät-Pillen", erklärt er. "Die funktionieren richtig gut." Noch ein Klischee bestätigt: alte Rockstars sind eitel.
Ein Zwei-Tage-die-Woche-Komponist
Das wichtigste für ihn sei von Anfang an der Sound gewesen, erklärt er. Mann könne mit der neuen digitalen Technik fantastische Sachen machen, viel mehr als die heutigen Chartbreaker täten - aber es fehle an Zeit. Numans Firma sind er und seine Familie, gemanagt wird er seit Jahren von seinem Vater. "Ich kann mir keine Angestellten leisten und habe alles selbst gemacht: Nicht nur das aufwendige Programming für die Aufnahmen und so, sondern auch die Website, den Fanclub und sogar das T-Shirt-Design." Da bleibe nur noch wenig Zeit für die Musik - genauer gesagt zwei Tage in der Woche. Dann fährt er los mit seinem Notebook und komponiert.
Frischer, dunkler, härter
Auf dem Jubiläums-Album ist der Numan-Sound dunkler und härter geworden. "Ja, ich glaube, das ist die Richtung, in die ich mich bewege", sagt er. Er rockt, ohne den eletronischen Numan dabei auch nur ein Stück aus den Augen zu verlieren. In diese Richtung wird dann wohl auch sein neues Studio-Album gehen, das für Sommer geplant ist. Mögen sie nun Anhänger von Industrial, Goth oder Doom sein - vielleicht kann Numan mit dem neuen Stil ganz neue Altersgruppen in seine Fangemeinde integrieren. Einen in Köln absolvierten Live-Auftritt zeigt der Fernsehsender Arte zur Album-Veröffentlichung am 6. Mai.