Von Arezu Weitholz
Uff! Der erste freie Tag seit Monaten. David Gray sitzt im Hof seines Hauses im Londoner Norden und löffelt Suppe. »Lachen Sie ruhig über mich. Meine Frau tut das ständig«, sagt er zur Begrüßung. Bitte? »Ja. Wenn die Leute Witze reißen, fühle ich mich wohl, weil ich dann weiß, sie sehen mein wahres Ich: einen komischen Kauz.«
David Gray mag komisch sein, aber er ist auch der derzeit erfolgreichste Singer/Songwriter Großbritanniens. Sein letztes Album »White Ladder« verkaufte sich über zwei Millionen Mal. Gerade feierten ihn die New Yorker in der Radio City Hall zwei Nächte lang. »Der untrendigste Hit des Jahres«, schrieb das Magazin »Billboard«. Und tatsächlich: Gray ist so scheu, man würde ihn in der U-Bahn kaum bemerken. Kurze Haare, mittelgroße Statur, schlichte Kleidung: Nichts an ihm deutet darauf hin, dass er in Privatjets um die Welt geflogen wird.
Gray hat die Bühne des Musikgeschäftes durch die Hintertür betreten. Und niemand hat ihm dabei geholfen, außer vielleicht den treuen irischen Fans, die den Engländer seit seinem Debüt 93 verehren, als wäre er einer von ihnen. Die erste Plattenfirma ließ ihn Mitte der Neunziger fallen, die zweite kurz darauf. Seine Musik war nicht »hip« genug. »White Ladder« produzierte er in Eigenregie, ließ nur 4000 Stück davon pressen – und schaffte den Durchbruch. Jahrelang hatte Gray vor rund 50 Leuten gesungen. Oft wurde er wütend, wenn das Publikum schwatzte. »Heute schreien sie, wenn ich auf die Bühne komme«, sagt er, als verstünde er noch immer nicht, was die Leute an ihm finden.
»Meinen Eltern war klar, dass ich entweder Maler oder Musiker werde«, erzählt er, und wer ihm zuhört, kommt langsam dahinter, was das Besondere an seinen Liedern ist. Sie sind wie Bilder, mit Schatten, verschiedenen Farben, voller Textur und Dichte. Grays Stärke sind akustische Balladen – im Gegensatz zu aufwendig produziertem Pop erzählen sie Geschichten. Und wenn er singt, klingt das, als sei in ihm das Beste von Bob Dylan und Van Morrison noch einmal zur Welt gekommen. 1968 war das – vor 33 Jahren. Gerade hatte er Geburtstag. Und man weiß, man darf jetzt nicht groß gratulieren. Das wäre ihm irgendwie unangenehm.
David Gray auf Tour:
02.07. Stuttgart/Villa Berg
03.07. Hamburg/Große Freiheit
04.07. Berlin/Columbiahalle