Dido "Einmal einen Joint geraucht"

Die tut nichts, die will nur spielen: Ihr unverfänglicher Pop hat DIDO zum Weltstar aller Harmoniesuchenden gemacht. Jetzt kommt sie zu uns auf Tour.

Interview: Hannes Ross

Dido, sind Sie die Retterin der Musikbranche?

Retterin? Ich? Wovon reden Sie?

Während sämtliche Plattenfirmen aufgrund schwarzgebrannter CDs und illegaler Internet-Downloads über dramatische Umsatzeinbrüche klagen, haben Sie von Ihren letzten zwei Alben, "No Angel" und "Life For Rent", rund 20 Millionen CDs verkauft ...

... und jetzt wollen Sie von mir hören, wie ich das geschafft habe? Dafür gibt's kein Patentrezept. Ich bin Musikerin, keine Rechenmaschine. Ich lasse mich von meinen Gefühlen leiten, nur so kann ich meine Songs komponieren. Die größte Sünde der Musikbranche ist es, ihre Arbeit ständig zu Tode zu analysieren.

Sie meinen, die Plattenindustrie ist selbst schuld an ihrer Misere?

Nehmen Sie zum Beispiel Britney Spears. Sie wurde vor fünf Jahren mit ihrem Lolita-Sex-Appeal berühmt. Kurz darauf gab es 120 andere Sängerinnen, die genauso aussahen, genauso tanzten, sich genauso anzogen. Jede Plattenfirma hatte plötzlich ihre Britney Spears. Es war wie eine Seuche! Wenn etwas funktioniert, wird es nachgeahmt, bis es niemand mehr sehen und hören will. Die Plattenindustrie schaufelt sich mit ihrer Ideenlosigkeit ihr eigenes Grab.

Wie haben Sie es geschafft, sich im Musikmarkt durchzusetzen?

Das ist mir selbst manchmal ein Rätsel. Ich bin im Grunde viel zu normal für dieses Geschäft. Gerne würde ich Ihnen von einem zerlegten Hotelzimmer erzählen und von einer wilden Sexaffäre mit einem Kollegen, aber das alles gibt es nicht in meinem Leben. Mir war immer wichtiger, dass meine Songs bekannter sind als mein Gesicht. Das habe ich erreicht. Vor meinen Konzerten laufe ich oft durchs Publikum, und mich erkennt kein Mensch.

Viele Musikkritiker lässt Ihre dahinplätschernde Musik verzweifeln. Schmerzt es, wenn in der Zeitung steht, Ihre Musik sei perfekt, um dabei Lasagne aufzuwärmen?

Nein, ich empfinde das nicht als Beleidigung, sondern als Kompliment. Wenn Menschen meine Musik in allen Lebenssituationen hören, spricht das doch für mich. Die Wut mancher Kritiker entsteht dadurch, dass ich sie als Instanz nutzlos mache - ich erreiche meine Hörer auch ohne viele Rezensionen, weil meine Musik gut ist.

Sie wuchsen in einem konservativen Elternhaus auf. Ihr Vater, Lektor eines Militärbuch-Verlags, verbot Ihnen, Freunde mit nach Hause zu bringen. Ihre Mutter, eine Dichterin, hielt Popkultur für Teufelszeug.

Ja, meine Eltern sind ziemlich exzentrische Persönlichkeiten. Zu Hause wollten sie ihre Ruhe haben, da durfte die Außenwelt nicht stören. Wir sind fast nie in den Urlaub gefahren, nur einmal eine Woche nach Frankreich. Bei uns gab es keinen Fernseher im Haus, in den Augen meiner Eltern war das eine Verblödungsmaschine. Als ich einmal ein Gerät heimlich in mein Zimmer schmuggelte, um MTV zu gucken, schmiss meine Mutter den Kasten vor lauter Wut aus dem Fenster.

Das klingt nicht unbedingt nach einer glücklichen Kindheit.

Da irren Sie sich! Weil so vieles verboten war, mussten mein Bruder Rollo und ich unser eigenes Entertainment-Programm auf die Beine stellen. Ich wurde unter Zwang kreativ. Das brachte mich zur Musik. Als ich zwölf war, begann ich, Gedichte zu schreiben, und nahm sie als Lied auf meinem Cassettenrecorder auf.

Obwohl Sie bereits Klavier spielten und eine Gesangsausbildung hatten, fingen Sie nach der Schule an, Jura zu studieren. Trauten Sie Ihrem Talent nicht?

Vielleicht. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sich irgendein Mensch für meine kleinen Melodien interessiert. Außerdem war mein Bruder Rollo damals mit seiner Gruppe Faithless bereits erfolgreich. Das schüchterte mich ein. Ich wollte nicht als "die kleine Schwester von Faithless-Mastermind Rollo" enden.

Entdeckt wurden Sie 1997 vom legendären Musikmanager Clive Davis, der schon Bruce Springsteen und Janis Joplin unter Vertrag nahm. Wie kam es dazu?

Davis bekam irgendwie ein Demo-Tape von mir in die Finger. Er bestellte mich zum Vorsingen in ein Hotel. Da saß dann dieser alte Herr mit der großen Brille in einem Sessel, und ich bekam fast keinen Ton heraus vor Aufregung. Als ich zwei Lieder gesungen hatte, sagte Davis: "Dido, du wirst einmal so groß wie Whitney Houston."

Was haben Sie da gedacht?

Ich dachte: "Das muss er jetzt sagen. Das sagt er wahrscheinlich einmal pro Woche zu einer unbekannten Sängerin." Ich machte mir keine großen Hoffnungen.

Trotzdem behielt Davis Recht. Sie haben neben Norah Jones eine wichtige Marktlücke im Popgeschäft besetzt: Musik als wohliges Hintergrundrauschen für Menschen, die zu alt fürs CD-Brennen sind. Trauen Sie sich nicht, ab und zu mal ein wenig rebellisch zu sein?

Das überlasse ich Menschen wie Bono. Der ist so gebildet und clever, dass ihm jeder ein politisches Statement abnimmt. Ein Dido-Song über den Krieg im Irak würde sicherlich ein verdammt trauriger Liebes-Song werden, aber keine Protesthymne, die auf Demostrationen gebrüllt wird.

Laut "Sunday Times" haben Sie allein im vergangenen Jahr 22,4 Millionen Euro verdient und zählen damit zu den reichsten Menschen Englands...

...worauf mich meine Eltern anriefen und aufgeregt fragen: "Wow, wir wussten gar nicht, dass unsere Tochter so viel Geld hat." Ich musste sie beruhigen. Ich bin sehr sparsam. Das allermeiste Geld landet auf der Bank.

Sie sind wirklich zu brav für dieses schmutzige Geschäft.

Okay, meine Eltern lesen ja keine deutschen Zeitschriften, deswegen verrate ich Ihnen jetzt doch ein dunkles Laster aus Didos bravem Leben: Als ich 17 war, habe ich einmal auf einer Party einen Joint geraucht.

Nein! Und wie war's?

Na ja, erst musste ich kichern, dann wurde mir schwindlig, kurze Zeit später bin ich eingeschlafen. Ich bin wohl ein hoffnungsloser Fall für Rockfans.

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