GESPERRT! Rosenstolz "Balsam für die Ohren"

Von Klaus Wowereit
Die beiden Musiker haben jede Menge Fans, und ihr prominentester sitzt in der Hauptstadt: Berlins Regierender Bürgermeister über das neue Album seiner Lieblingsband Rosenstolz.

Ich habe es eigentlich nicht so besonders mit Absolutismen, aber bei Rosenstolz mache ich eine Ausnahme: Sie sind meine Lieblingsband. Rosenstolz sind einmalig. Pop ist nicht das richtige Wort für das, was AnNa und Peter machen. Für mich ist das im Prinzip Chanson, Lieder im klassischen Sinn. Ich erinnere mich daran, dass es am Anfang Kritik gab, weil sie deutsch singen. Seltsam, denn für mich hat das wunderbar funktioniert. Es hat aber gedauert, bis sich diese Ansicht durchgesetzt hatte - Rosenstolz ist ja keine lineare Erfolgsgeschichte, am Anfang wurden die beiden belächelt und nicht ernst genommen. Persönlich habe ich Peter und AnNa 2001 kennengelernt. Dass ich die beiden kenne, mit Peter sogar befreundet bin, nimmt mich nicht automatisch für ihre Musik ein. Aber die steht für sich selbst.

Sie waren am Anfang Ikonen der Schwulenszene. Dass sich daraus eine Band für alle gemausert hat, liegt an der enormen Bandbreite, die sie in ihrer Musik haben. Ohne die wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.

Beruhigende Wirkung

Wenn ich es mal schaffe, mich eine Weile zurückzuziehen und ihr neues Album "Die Suche geht weiter" in Gänze zu hören, dann hat es auf mich eine besinnliche, beruhigende Wirkung. Das ist Balsam für die Ohren, aber bei mir hat es durchaus auch Reflexionen ausgelöst. Besonders die Auseinandersetzung mit dem Tod, die in "An einem Morgen im April" stattfindet, hat mich berührt - die Verarbeitung der Tatsache, dass ein wichtiger Mensch plötzlich einfach weg sein kann, ist elementar. Genau wie die Erkenntnis danach, dass das Leben, die Suche, trotzdem weitergeht. Hier bekommt das Ganze auch eine autobiografische Ebene - der Tod der Mutter von Peters Lebensgefährten wird in diesem Stück thematisiert und verarbeitet.

Peter und AnNa bekommen inzwischen die größten Hallen voll, die Kindl-Bühne Wuhlheide in Berlin ist regelmäßig an mehreren Tagen hintereinander ausverkauft. Ich weiß noch, wie ich mit Thomas Gottschalk darüber diskutiert habe, ob Rosenstolz in eine Sendung wie "Wetten, dass ..?" passen. Er kannte sie nicht und hatte deswegen Zweifel. Ich habe ihm sehr deutlich gesagt, dass sie natürlich hineinpassen, weil sie in der Lage sind, jedes Publikum zu emotionalisieren. Die Leute in der Show waren nach ihrem Auftritt begeistert!

Musik für Millionen

Spätestens da haben die beiden bewiesen, dass sie auch für ein Publikum von elf Millionen Menschen gemacht sind. Obwohl sie nicht im klassischen Sinne hip sind. In dem Lied "Irgendwo dazwischen" auf dem neuen Album singt Peter: "Mode kommt und geht und interessiert mich nicht." Da steckt viel über Rosenstolz drin: Sie haben sich nie nach dem Mainstream gerichtet, sich nie einer Mode unterworfen. Und sind immer konsequent ihren Weg gegangen, das ist eine geradezu altmodische Tugend. Ich finde aber schon, dass sie eine moderne Gruppe sind - konservativ sind sie schließlich nicht, höchstens in dem Sinn, dass sie ihre hohe Qualität konservieren wollen. Aber Rosenstolz passen immer noch und immer wieder in die Zeit.

Die Antriebsfeder für die Songs von Rosenstolz - das ist nach wie vor die Liebe. Und das wird auch so bleiben; Liebe ist etwas, das einen das ganze Leben lang beschäftigt und nicht loslässt, der neue Dresen- Film "Wolke 9" zeigt ganz wunderbar, wie die Liebe in all ihrer Widersprüchlichkeit uns bis in den Tod begleitet. Das findet auch in der Musik seinen Ausschlag, und selbst wenn AnNa und Peter jeweils glücklich liiert sind, heißt das nicht, dass sie nicht wissen, wie man in der Liebe leidet. Das spürt man in ihren Liedern immer wieder, sie beherrschen es ganz hervorragend, aus einem der wichtigsten Themen des Lebens Lieder zu machen. Zur Liebe gehört auch Schmerz - eine Erkenntnis, die ich nicht besonders schätze, aus der Rosenstolz aber tolle Musik machen.

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