Glenn Freys neues Album "After Hours" Solo, nüchtern und Old School

Mit den Eagles schuf er Überhits: "Hotel California" und "Take it Easy". Solo brachte er mit "The Heat is On" den Sound der 80er auf den Punkt. Jetzt meldet sich Glenn Frey mit einem ungewöhnlichen Album zurück.

Auf "After Hours" spielen Sie Musik aus einer Epoche vor der Rock'n'Roll-Ära. Singt man solche Songs mit einem anderen Gefühl als die der Eagles?
Ja, diese Musik ist etwas völlig anderes. Mit den Eagles singe ich zur Gitarre. Auf diesem Album geht es um Lieder, die zum Klavier gesungen werden - das ist für mich ein grundlegender Unterschied. Natürlich kommen die meisten Songs auch aus einer anderen Zeit, aber sie sind mir nicht fremd. Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen. Wie gut sie tatsächlich ist, bemerkte ich jedoch erst, als ich selbst anfing, Songs zu schreiben.

Hat die Arbeit an diesen Liedern Sie zu einem besseren Sänger gemacht?
Diese Art von Musik ist für einen Sänger eine echte Herausforderung. Sie verbietet es einem, durchschnittlich zu sein. Man kann die Lieder nicht einfach so runter singen. Du musst sie interpretieren und etwas drauf haben, weil man sich nicht hinter einer "Wall of Sound" verstecken kann. Bei diesem Album geht es ums Singen, nicht ums Schreien.

Mussten Sie für dieses Album trainieren?
Ich singe seit 40 Jahren "Take It Easy" - das war mein Training (lacht). Nein, ich habe keine Gesangsstunden genommen. Es war so eine Art "training on the job", wir haben viel herumprobiert.

Wie haben Sie die Lieder ausgesucht?
Das Konzept war einfach - ich wollte alte Liebeslieder singen, die mir gefallen. Die Songs mussten allerdings zu meiner Stimme passen. Es bringt nichts, wenn ich den Song gut finde, aber stimmlich keinen guten Job abliefere. Meine beiden Partner bei dieser Platte waren Michael Thompson und Richard Davis, die auch in der Eagles-Live-Band mit dabei waren. Das sind zwei sehr gute Musiker. Michael ging also zum Klavier, fand die richtige Tonart und wir probierten herum mit diesen Songs. Auf diese Weise fanden wir schnell heraus, ob ein Song geeignet war.

War die Liste möglicher Songs sehr lang?
Wir hatten anfangs tatsächlich eine lange Liste von Songs, die ich gerne gemacht hätte. Aber man muss sich beschränken. Ich hätte sicher noch mehr Songs von Burt Bacharach singen können oder Lieder, die Dinah Washington gesungen hat. Das sind Nummern, die es mir besonders angetan haben.

Sie haben das Album Ihren Eltern gewidmet. Fanden Sie deren Musik früher nicht langweilig?
Ich sehe die Dinge heute natürlich anders. Ich habe dazu gelernt. Bei der Musik, die meine Eltern damals hörten, fehlten mir die elektrischen Gitarren. Wenn ich mich heute mit meinen Kindern über Musik austausche, haben wir dieses Problem nicht. Der Rock'n'Roll hat alles verändert damals. Vor allem mein Leben ... (lacht)

Haben Sie mit Ihrem eigenen Musikgeschmack gegen Ihre Eltern rebelliert?
Natürlich habe ich rebelliert. Ich ließ meine Haare wachsen, trank zu viel Bier, rauchte Haschisch. Trotzdem kam ich mir nicht vor wie ein Rebell, weil alle anderen das Gleiche taten. Ich bin jetzt 63 Jahre alt und denke nicht mehr viel über Rebellion nach. Ich bin einfach glücklich, dass ich diese Platte herausbringe und meine Eltern immer noch am Leben sind. Dass sie diese Songs hören können, die von ihrem Sohn gesungen werden. Musik, die sie lieben und mit der sie aufgewachsen sind oder hörten, als sie junge Eltern waren.

Sie haben lange an "After Hours" gearbeitet, zweieinhalb Jahre. Was hat am meisten Zeit gekostet?
Alle Schritte haben etwa gleich viel Zeit gekostet. Die zweieinhalb Jahre kamen so zustande, dass wir immer wieder Pausen einlegen mussten. Meine beiden Co-Produzenten und ich spielen bei den Eagles und in den letzten drei Jahren war die Band sehr beschäftigt. Es gab eine Tour, die führte uns nach Asien und Australien. Vor zwei Jahren waren wir in Europa. Wir mussten immer wieder Pausen einlegen und danach zu den Songs zurückkehren. Letzten Endes denke ich, dass dieses Liegenlassen und Nachdenken dem Album gut getan hat. Es ist wie bei einem Puzzle mit vielen Teilen - man kann es nicht an einem Tag bewältigen.

Dieses Album ist Ihr erstes Solowerk seit 17 Jahren. Warum haben Sie so lange pausiert?
In den Neunzigern sind sehr viele andere Dinge passiert. Ich habe geheiratet und wir bekamen zwei Kinder in drei Jahren. Schließlich kamen die Eagles wieder zusammen. Zwischen meiner Familiengründung und der Wiedervereinigung der Eagles war nicht viel Zeit für Glenn-Frey-Soloprojekte. Und doch plane ich dieses Album schon sehr lange. Irgendwann tickte die Uhr ziemlich laut, weil ich diese Songs auf jeden Fall fertig bekommen wollte, solange meine Eltern noch leben.

Wird es ein neues Album mit den Eagles geben oder zumindest weitere Tourneen?
In diesem Jahr werde ich wahrscheinlich noch ein paar Dinge tun, um "After Hours" zu bewerben. Für 2013 ist geplant, dass wir mit den Eagles eine Doppel-DVD herausbringen, auf der es um die Geschichte der Band geht. Es kann sein, dass wir dazu auch neue Musik einspielen - im Sommer oder Herbst nächsten Jahres.

Glenn Frey

Universal Seine Band, die Eagles, hat Musikgeschichte geschrieben. Ihr Album "Eagles: Their Greatest Hits 1971-1975" verkaufte sich 29 Millionen mal und übertrumpft damit sogar "Thriller" von Michael Jackson. Nach 17 Jahren bringt Frontmant, Gitarrist und Eagles-Gründer Glenn Frey erstmals wieder ein Soloalbum auf den Markt. Der Sound von "After Hours" verblüfft. Den Country- und Westcoastsound der Eagles lässt 63-jährige Vater dreier Kinder völlig hinter sich. Stattdessen interpretiert er zu Klavier und Streichern Songs, die einst Frank Sinatra, Dinah Washington oder Nat King Cole sangen.

TELESCHAU
Eric Leimann, Teleschau

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